Bayer Leverkusen – Heiko Herrlich plagen alte Geister

Der Montagvormittag begann für die Profis von Bayer 04 mit Anschauungsunterricht. Weil es nach dem 2:2 (1:1) gegen den VfL Wolfsburg reichlich Redebedarf gab, bat Trainer Heiko Herrlich seine Spieler zur intensiven Nachbetrachtung. Gut eine Stunde dauerte die verlängerte Videoanalyse, bei der auch die Hauptdarsteller zu Wort kamen. Erst danach ging es zur geplanten Einheit auf den Trainingsplatz. „Es gab viel zu zeigen“, sagt Herrlich knapp. „Wir wollten außerdem auch die Spieler sprechen lassen, was wir sonst etwas kürzer halten.“ Als „sehr konstruktiv“ bezeichnet Herrlich die gut 60-minütige Sitzung.

Das zentrale Thema war die Suche nach Lösungen für die anhaltenden Ambivalenzen der Werkself – die „beiden Gesichter“, wie Herrlich es nennt. Er beschreibt den bisherigen Saisonverlauf in etwa mit der Formel „oft sehr gut gespielt und dann immer wieder mit Blackouts“. Diese Diskrepanzen gelte es zu überwinden, betont der 45-Jährige. Besonders genervt scheint Herrlich von dem Wolfsburger Treffer zum 2:2 zu sein. Ein einfacher Pass aus dem Mittelfeld hatte ausgereicht, um die hochstehende Werkself zu überrumpeln und Jakub Blaszczykowski traf ungehindert zum Endstand.

„Früher wurde in Leverkusen extrem auf Gegenpressing gespielt“, sagt der Trainer mit Blick auf die Ära des bedingungslosen Pressing-Dogmatikers Roger Schmidt. „Es gibt immer wieder Spielsituationen, in denen der Gegner einen offenen Ball hat und die Gelegenheit für Gegenpressing verpasst ist.“ Das sei meistens eine Sache von Sekunden. Nicht viel Zeit für die Spieler also, um zu überlegen und richtige Entscheidungen zu treffen. „Da nützt es nichts mehr, draufzugehen. Wir müssen dann in die Ordnung kommen und eine tiefere Verteidigungslinie wählen.“ Das sei genau der Fehler vom Vorfeld des neuerlichen Ausgleiches gewesen: Das Zentrum war durch deplatziertes Gegenpressing offen, es gab viel zu viele Räume für lauernde Wolfsburger. Nicht nur diese Situation sei ausführlich in der Videoanalyse besprochen worden.

„Da gibt es nur eins: Kompaktheit herstellen, nach hinten fallen lassen, Räume auffüllen, das Spiel des Gegners langsam machen, Zeit gewinnen, Rückpässe erzwingen – und dann wieder neu auslösen.“ Das klingt nach Selbstverständlichkeiten, aber die Werkself hat unter Roger Schmidt knapp drei Jahre lang in beinahe jeder Lage exzessiv dem Gegenpressing gefrönt. Auch Interimstrainer Tayfun Korkut wählte für die Schlussphase der vergangenen Saison verständlicherweise keinen völlig neuen Ansatz.

Herrlich verfolgt eine andere Philosophie – und es kostet trotz aller sichtbaren Fortschritte offenbar mehr Zeit, der Werkself die Geister der Vergangenheit vollständig aus Köpfen und Beinen auszutreiben. „Es ist natürlich leicht, im Nachhinein mit einem Puls von 70 kritische Spielszenen zu analysieren“, sagt Herrlich. Seine Spieler müssten indes binnen Sekunden auf dem Platz richtige Entscheidungen treffen. Das könne nicht immer gelingen. Eine Änderung seiner Spielidee hält der Coach nicht für notwendig: „Die Richtung bleibt die gleiche.“

Gute Nachrichten gibt es von der Personalfront. Zwar fehlten noch Benjamin Henrichs, Lars Bender, Jonathan Tah und Charles Aránguiz, doch bei dem Quartett seien jeweils „leichte Blessuren“ der Grund. „Reine Vorsichtsmaßnahmen“, betont Herrlich. Bender, Henrichs und Tah werden heute im Training zurückerwartet, Aránguiz morgen. Der von seinem Haarriss im Schienbein nach knapp drei Monaten genesene Tin Jedvaj konnte hingegen wieder mit der Mannschaft trainieren.

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