„Bewerber sind keine Bittsteller“

KarriereSPIEGEL: Frau Buchheim, Ihre Personalberatung hat sich auf die Generation Y spezialisiert. Wie kriegen Personaler sie rum?

Buchheim: Geld spielt natürlich eine Rolle – auch wenn aktuelle Studien gerne das Gegenteil behaupten. Sie interpretieren die Symptome einfach falsch. Der Unterschied ist: Die Digital Natives lassen sich mit Geld nicht mehr kaufen.

KarriereSPIEGEL: Also muss man dazu einen vollen Whisky-Schrank und kostenlosen Delikatess-Lunch anbieten, wie im Silicon Valley üblich?

Buchheim: Nein. Die Zielgruppe wünscht sich vor allem, das Beste aus ihrem Leben zu machen – sie lebt nach dem Prinzip „yolo“. Sie sind nicht mehr bereit, jahrelang Überstunden zu machen, wenn sie sich nicht mit dem Ziel identifizieren. Sie sehen Arbeitszeit als Lebenszeit. Und sie wollen, dass ihr Arbeitgeber verantwortungsvoll damit umgeht. Ich war gerade im Silicon Valley: Die Firmen bieten ihren Mitarbeitern viel, damit sie sich wie zu Hause fühlen und voll auf die Arbeit konzentrieren können.

KarriereSPIEGEL: Und damit bleiben sie länger im Büro … Das ist doch ein Widerspruch.

Buchheim: Es stimmt, gerade bei jungen Arbeitnehmern sehe ich mitunter auch ein gewisses Overcommitment. Sie bringen sich aber gerne ein, wenn sie etwas Eigenes schaffen können.

KarriereSPIEGEL: Sie arbeiten seit zehn Jahren in dem Bereich: Wie hat sich die Recruiting-Kultur in der Zeit verändert?

Buchheim: Als ich damals bei Spreadshirt für den Bereich verantwortlich war, haben wir etwa ausschließlich passiv rekrutiert, ganz klassisch Anzeigen geschaltet und Hochschulmarketing gemacht. Das Modernste war, Social Media einzubinden, etwa mit einem Imagevideo auf Youtube. Früher wartete man auf Bewerbungen, heute muss man Kandidaten direkt ansprechen, über Online-Netzwerke und auch im persönlichen Kontakt.

KarriereSPIEGEL: Was missverstehen die Personaler alter Schule denn, wenn sie sich in den Kampf um die jungen Talente stürzen?

Buchheim: Es fehlt die Einsicht, dass Kandidaten keine Bittsteller sind. Dazu gehört, dass sie nach der Bewerbung nicht acht Wochen auf eine Eingangsbestätigung des Unternehmens warten wollen oder im Vorstellungsgespräch auf keinen Fall die Frage gestellt wird: Warum sollten wir gerade Sie nehmen? Da hat jemand noch nicht verstanden, dass sich beide Parteien füreinander entscheiden müssen. Und wenn der Kandidat kein einziges Mal den Manager sieht, für den er arbeiten würde, dann wird er den Job kaum annehmen, weil er nicht weiß, ob er bei ihm seine Lebenszeit sinnvoll einsetzt.

KarriereSPIEGEL: Und wenn er den Job bekommen hat – was läuft im Alltag schief?

Buchheim: Die Managementebene, die derzeit in klassischen Unternehmen entscheidet, ist einen hierarchischen Führungsstil gewohnt, Motto: Tu, was man dir sagt. Die junge Generation hingegen bestimmt seit 20 Jahren selbst über ihr Leben. Sie wollen zumindest die Hintergründe von Entscheidungen erfahren. Aber wenn sie äußern, dass sie Verantwortung übernehmen wollen, sagt der Manager: Machen Sie’s allein – und lässt den Mitarbeiter vor die Wand laufen. Wenn mein kleiner Sohn sagt, er will Kuchen backen, dann sag ich ihm doch auch nicht: Hier steht der Mixer, in einer Stunde steht der Kuchen auf dem Tisch. Diese Generation braucht Vorgesetzte, die ihr eigenes Ego zurückfahren und Mitarbeiter lernen und wachsen lassen.

KarriereSPIEGEL: In Start-ups läuft das alles etwas anders. Mit „I-Potentials“ haben Sie 2009 auch eins gegründet – was hätten Sie besser anders gemacht?

Buchheim: Es klingt banal, wird aber oft unterschätzt: Wir hätten uns anfangs mehr um unsere eigene Personalabteilung kümmern müssen.

KarriereSPIEGEL: Moment – ist genau das nicht Ihre Visitenkarte?

Buchheim: Schon, aber: Wir hatten vor lauter Arbeit niemanden, den wir dafür abstellen konnten. Mit Startkapital von 25.000 Euro geht das einfach nicht – man stößt an eine Grenze, wenn man keinen finanziellen Spielraum hat, um in Human Resources zu investieren. Ich habe es lange selbst gemacht, neben allen anderen Dingen.

KarriereSPIEGEL: „Human Resources“ klingt fast so schlimm wie Humankapital.

Buchheim: Stimmt schon, der Begriff signalisiert: Das Unternehmen ist mehr wert als der Mitarbeiter. Viele Start-ups nennen ihre HR-Manager daher Vice President, People- oder Feelgood-Manager. Der Mensch mit seinen Bedürfnissen steht mittlerweile im Mittelpunkt – aber der passende Begriff fehlt noch.

KarriereSPIEGEL: Mit traditioneller Firmenkultur wollen sie nichts zu tun haben – aber auf Status sind sie genauso scharf und erfinden Titel wie CHO, „Chief Happiness Officer“?

Buchheim: Dahinter steckt der Wunsch nach Respekt und Einfluss, es geht nicht darum, zu einer Elite zu gehören. Diese Generation will auf Augenhöhe behandelt werden.

KarriereSPIEGEL: Wirkt ein wenig arrogant.

Buchheim: Nein, es geht um Gleichwertigkeit. Das heißt aber auch: Wer Respekt für sich einfordert, sollte auch respektvoll mit seinem Gegenüber umgehen. Es passiert, dass einige über die Stränge schlagen. Wenn sich ein Kandidat fürs erste Gespräch nicht vorbereitet hat, sind Unternehmen zu Recht fassungslos. Damit disqualifiziert man sich nach wie vor.

KarriereSPIEGEL: Das ist doch eine Binsenweisheit.

Buchheim: Mag sein, aber einigen Kandidaten fehlt einfach die Reife.

KarriereSPIEGEL: Unreif – ist das die Rache aus G8 plus Bachelor?

Buchheim: Das verstärkt das Problem, ja. In klassischen Firmen müssen Mitarbeiter im Schnitt fünf Jahre arbeiten, bis sie Senior Manager werden. In Start-ups bekommen 24-Jährige diesen Job nach sieben Monaten. Und auf einmal heißt es: Ab morgen hast Du sechs Mitarbeiter. Ein Jahr später sind es 50. Und keiner bereitet sie darauf vor.

KarriereSPIEGEL: Für diese Start-up-Manager bieten Sie nun auch Trainings an. Aber es gibt doch schon Hunderte.

Buchheim: Nein, deren Unternehmenskultur unterscheidet sich so stark von der traditioneller Firmen, dass die üblichen Managementprinzipien nicht greifen. In Start-ups Mitarbeiter zu bitten, einen Dreijahresplan aufzustellen, macht einfach keinen Sinn: Dort dreht sich alles so schnell, dass das keine plausible Zeiteinheit ist. Die Digitalkultur ist eben immer noch so jung, dass man in vielen Bereichen permanent unbeschriebenes Papier vor sich hat.

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