Christian Bauer und seine Familie setzen auf traditionelles Handwerk und niederländische Touristen a

Christian Bauer und seine Familie setzen auf traditionelles Handwerk und niederländische Touristen a

Früher standen wir zu dritt in der Backstube: Mein Vater, ein Geselle und ich, jetzt ist das Radio morgens meine Gesellschaft, die mich wachhält“, sagt Christian Bauer, während er den Teig für die Brötchen zubereitet. Um halb drei morgens klingelt sein Wecker in der Vorsaison. Die Hauptsaison beginnt erst im Sommer, wenn die größtenteils niederländischen Touristen Urlaub an der Mosel machen. Der 49-Jährige ist selbständiger Bäcker, ein Beruf, der ihn Nacht für Nacht den Schlaf kostet. Die Backstube, die im zweiten Geschoss des für die Altstadt in Zell an der Mosel typisch hoch gebauten Hauses liegt, lädt ganz im Gegensatz zum Café im Erdgeschoss nicht zum Kuchenessen ein. Während die weißen Fliesen an der Wand an ein Krankenhaus erinnern, ist das Café modern eingerichtet.

Seit 140 Jahren in der Familie

Der Tresen stellt alle Kunstwerke, die Bauer gebacken hat, zur Schau. Doch noch schläft das Café, wie der Rest der Stadt auch. Das Radio und das laute Scheppern und Brummen der Maschinen halten den Bäcker wach. Mit geübten Handgriffen und über die Jahre verinnerlichten Techniken teilt er den Teig mit einer fast sechzig Jahre alten Handwaage. „Klar ist sie alt, aber sie funktioniert genauso gut wie eine elektronische“, sagt der Bäcker und Konditor. Auch die restlichen Maschinen haben schon viele Jahre auf dem Buckel, den Großteil verwendete schon sein Vater, wenn nicht sogar der Großvater. „Der Betrieb ist seit 140 Jahren in der Familie. Ich habe diesen Beruf aus Liebe zu meinen Eltern ergriffen.“ Nach dem Abitur ging der gebürtige Zeller zur Bundeswehr, diese Zeit beschreibt er als entspannter: „Bei der Luftwaffe, da waren das fünf Tage die Woche, hier braucht man sieben Tage und muss jeden Tag mitnehmen.“

Aufschwung der Industriebäcker

Als er seine auf zwei Jahre verkürzte Lehre als Bäcker beinahe abgeschlossen hatte, machte sich starke Konkurrenz breit: Die Groß- und Industriebäcker erlebten einen großen Aufschwung, was zu vielen Problemen für die selbständigen Bäcker führte. „2007 waren wir im nördlichen Rheinland-Pfalz noch 98 Innungsbetriebe, zehn Jahre später noch 39.“ Mit den Betrieben starben auch die Mühlen aus, die meist noch die Zulieferer waren. Heutzutage bestellt er bei der Bäcker- und Konditorengenossenschaft BÄKO. Während Verbraucher ein Kilogramm schwere Mehltüten kaufen, bringen Bauers Mehlsäcke das 25fache an Gewicht auf die Waage. „So groß ist das gar nicht“, schmunzelt er, „die Großbäcker, die eine Million und mehr Brötchen pro Tag anfertigen, die haben große Tüten.“

Die einzige Bestellung für heute

Warum kaufen so viele Menschen beim Industriebäcker? Dort erhält man zehn Brötchen ab einem Euro, bei Bauer bezahlt man für ein Brötchen 30 Cent „Es ist nicht unbedingt der Preis, es ist die Bequemlichkeit, weil man im Supermarkt alles auf einmal kaufen kann.“ Aber es seien vor allem Tankstellen, die den selbständigen Bäckern starke Konkurrenz machten. Langsam wird es draußen hell, während die Laternen abgeschaltet werden, arbeitet Bauer am Hefeteig für Kuchen und andere Gebäcke. Zeitgleich behält er den Ofen im Blick, in dem die Brote gebacken werden. Unter anderem befindet sich dort die einzige Bestellung für heute. Ein Hotel hat drei große Brote bestellt. Als der Bäcker sie mit einem Brotschieber holt, hält er inne. Er hat lediglich kleine Brote gebacken. „Dann kriegen sie eben fünf kleine“, beschließt er. „Natürlich brennt auch mal was an, oder ich vergesse eine Bestellung, aber dafür ist man Mensch und produziert allein.“

Alles andere sei betriebswirtschaftlich sinnlos

Auf den Laien wirkt es beeindruckend, mit wie viel Konzentration er mitten in der Nacht arbeitet und wie viele Dinge er parallel im Griff haben muss. Seine Familie unterstützt ihn. „Ich habe das Glück, eine Frau gefunden zu haben, die das alles mitmacht.“ Auch die drei Kinder müssen regelmäßig mit anpacken, um das Geschäft am Laufen zu halten, selbst seine betagte Mutter hilft aus, so gut sie kann. Seine Arbeit sei „sozialfeindlich“, während seine Freunde am Wochenende feiern, müsse er sich früh verabschieden, um Schlaf zu bekommen. „Eigentlich mache ich zwei Jobs, plus Büroarbeit.“ 70 bis 90 Stunden die Woche seien normal, abhängig von der Saison. Für den Sommerurlaub nimmt er eine Auszeit und schließt das Café. Im Winter gibt es einen Ruhetag in der Woche, alles andere sei bei der geringen Kundenzahl „betriebswirtschaftlich sinnlos“. Das führe zu Unverständnis. „Viele sagen, ich sei zu faul oder hätte genug“, sagt der Mann, dessen Geschäft zum großen Teil vom Tourismus getragen wird. Für den Winter, in dem der Tourismus beinah stillsteht, muss er jedes Jahr zwischen fünfzehn- und dreißigtausend Euro zurücklegen. Daneben noch Rücklagen für das Alter zu finden sei eine Herausforderung. „Es darf nur nichts Größeres passieren.“ Etwas Größeres könnte etwa der 47 Jahre alte Ofen sein, ein neuer würde bis zu 60 000 Euro kosten.

Der große Andrang erfolgt nachmittags

Ab 7.30 Uhr kümmert er sich um die Blechkuchen, währenddessen wird im Erdgeschoss der Laden hergerichtet. Über eine schmale Treppe erreicht man das Café, in dem seine Frau und seine älteste Tochter die ersten Kunden bedienen. Nach einer Pause arbeitet Bauer von 13 bis 18 Uhr im Café mit. Denn der große Andrang folgt am Nachmittag. „Es ist ein Knochenjob, man muss innovativ sein, um die Konkurrenz übertreffen zu können, ich würde den Job nicht noch einmal machen und rate meinen Kindern davon ab.“ Was spornt ihn dennoch an? „Auf jeden Fall das Lob der Gäste, meine Familie, die mich unterstützt, und die kreative Freiheit.“

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