Die Mär vom kriminellen Ausländer

Berlin – Zur Europawahl hingen die Plakate wieder an Bäumen und Laternen, auf denen rechtsextreme Parteien gegen „kriminelle Ausländer“ hetzen. Doch nicht nur weit rechts der Mitte gibt es die Klischees vom Straftäter mit „südländischem Aussehen“, wie er in Polizeiberichten oft vorkommt. Viele Deutsche glauben, dass „Menschen ausländischer Herkunft häufiger Straftaten begehen als Menschen ohne Migrationshintergrund“, so der Kriminalwissenschaftler Christian Walburg von der Universität Münster.

Allerdings stützen die Statistiken und Untersuchungen der letzten Jahre solche Vorurteile nicht, wie ein neues Gutachten zeigt, das Walburg im Auftrag des Mediendienstes hier als PDF zu finden.

Walburg hat dafür Dutzende Studien aufgearbeitet und verglichen. Sein Papier wirft ein Schlaglicht auf den Forschungsstand zur Jugendkriminalität. Es zeigt sich: Allgemeingültige Aussagen über die Verbrechensbereitschaft von Jugendlichen, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, sind kaum zu treffen. Die Daten widersprechen sich zum Teil. Das Gutachten arbeitet aber einige Punkte heraus:

  • Die offiziellen Statistiken lassen die Aussage nicht zu, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund eher zur Kriminalität neigen als andere. Allerdings werden Jugendliche aus Zuwandererfamilien in strittigen Situationen offenbar häufiger angezeigt. Sie unterliegen demnach einem „erhöhten Kriminalisierungsrisiko“.
  • Größere Aussagekraft als die Zahlen aus der Polizeistatistik haben Walburg zufolge repräsentative Befragungsstudien. Sie kommen zu dem Schluss, dass sich Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund bei Kleinkriminalität wie Sachbeschädigung und Diebstahl fast gar nicht unterscheiden.
  • Etwas anders sieht es bei Gewalttaten aus: Zwar berichten Jugendliche mit Migrationshintergrund in vielen Studien häufiger von solchen Delikten; auch stammen vergleichsweise viele Wiederholungstäter aus Zuwandererfamilien. Jedoch deuten neuere Studien darauf hin, dass die Unterschiede mit jeder Einwanderergeneration schrumpfen.
  • Ein Zusammenhang zwischen Religion oder Ethnie und Gewaltbereitschaft lässt sich durch keine Studie belegen. Speziell für junge Muslime zeige sich, dass ihre religiösen Bindungen „nicht mit signifikant vermehrter Gewaltausübung einhergehen“.
  • Auch zeigt sich, dass Bildung die Unterschiede bei der Gewaltbereitschaft einebnet. Anders herum gesagt: Wer schlecht gefördert wird, schlägt eher zu, unabhängig von der Herkunft.
  • Das Gutachten attestiert bestimmten Jugendlichen mit Migrationshintergrund ein „weniger risikoreiches Freizeitverhalten“: So würden beispielsweise türkischstämmige Jugendliche aus religiösen Gründen seltener Alkohol trinken.

Studienautor Walburg warnt deshalb vor „Pauschalisierung“ und „Fehlschlüssen“. In seinem Papier heißt es: „Kaum etwas ist so sehr geeignet, andere abzuwerten, wie die Kategorisierung als ‚Kriminelle‘.“

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