Ein Gleitschirmflieger über seine Höhenflüge

Ein Gleitschirmflieger über seine Höhenflüge

Nachdem ich mit dem Fliegen angefangen habe, sah es für alles andere sehr schlecht aus“, erklärt Christian Müller aus Bremm an der Mosel, 46 Jahre alt, schmunzelnd nach dem fast vierstündigen Flug an einem sonnigen Nachmittag. Er ist einer von mehr als 300 aktiven Piloten des Vereins „Moselfalken“, die den Sport des Drachen- und Gleitschirmfliegens ausüben. Neun Gelände werden von den „Moselfalken“ unterhalten, zwölf Gebiete stehen insgesamt für die Mitglieder in der Region Mosel/Saar zur Verfügung. Ein besonderes Fluggebiet ist die Region um den steilsten Weinberg Europas, den Calmont. Der gigantische Schieferhang ist ein Schwachwindgebiet, sorgt jedoch gleichzeitig für eine hervorragende Thermik. Länger, höher und weiter fliegt man über dem feinen Schieferboden, der schnell und lang Sonnenstrahlen absorbiert. Der Hang und die bodennahe Luft erwärmen sich, und es entsteht ein Aufwind, der für einen guten Flug unerlässlich ist. Letztlich fehlt nur noch ein Startimpuls des Piloten, so dass sich der Gleitschirm mit Luft füllt. Und ein wenig Mut. „Dann geht’s für uns gut nach oben“, sagt Christian Müller lachend.

Ausgebildet zum Passagier-Piloten

Seine Ausbildung zum lizenzierten Gleitschirm-Piloten machte er mit 18 Jahren. Schon früh entwickelte sich der Traum des Fliegens, den Müller auch beruflich als Verkehrsflugzeugführer lebt. „Wenn man diesen Traum hat, dann ist alles andere nur Ersatz.“ So sei ihm die anspruchsvolle Ausbildung zum Passagier-Piloten eher leichtgefallen. Die ersten Flugversuche absolvierte er beim Drachenfliegen. Nach zwei Jahren stieg er aufs Gleitschirmfliegen um, da die leichte Ausrüstung von 15 bis 20 Kilogramm diesen Flugsport wenig aufwendig macht. Der Erwerb einer Lizenz kann sich allerdings als zeitraubend erweisen. Spielt das Wetter nicht mit, so kann die Ausbildung bis zu zwei Jahren dauern. Im schnellsten Fall darf man sich nach vier Wochen allein in die Lüfte begeben, doch empfiehlt der Deutsche Hängegleiterverband e.V. eine möglichst umfassende Ausbildung. „Man muss übrigens keine Sportskanone sein“, erklärt Christian Müller. Jeder, der fähig sei, das Autofahren zu erlernen, hat gute Chancen auf eine erfolgreiche Flieger-Ausbildung. Höhenangst muss kein Ausschlusskriterium sein. Hänge man erst einmal bequem in seinem Sitzgurt, seien anfängliche Bedenken schnell verflogen. Natürlich gewinne man auch an Vertrauen in sein buntes Segel und in die Funktionsweise, betont Müller. „Wir machen es quasi wie die Bussarde.“ Raubvogel wie Mensch sind von der Thermik abhängig, um sich spiralförmig nach oben zu kurbeln. Der Mensch erkennt eine gute Thermik an den Cumuluswolken.

Im Kampf um die Thermik

Sie sind Anzeichen für aufsteigende warme Luft, die in der Höhe wieder abkühlt, ein bestimmtes Kondensationsniveau erreicht und eine Wolke bildet. Dieser Zustand wird als „Wolkenthermik“ bezeichnet. Bei wolkenlosem Himmel hingegen spricht man von „Blauthermik“. Der Mensch kann sich dann nur noch an seinem Untergrund orientieren oder an den intelligenteren Vögeln. Wo ein Bussard kreist, da ist die Thermik meist am besten. Im Kampf um die Thermik hat Müller vor Jahren eine besondere Erfahrung gemacht. 17 Bussarde nutzen mit ihm zusammen einen Aufwind. Die neugierigen Vögel fanden den Gleitschirmflieger interessant und nahmen ihn in ihre Gruppe auf. „Ich fühlte mich wie in einem Schwarm von Fischen. Total irre, ich kriege jetzt noch Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke.“ Eigentlich gelten in der Luft Vorfahrtsregeln wie im Straßenverkehr, die Flieger zu beachten haben, um Kollisionen zu vermeiden. Gefährlich wird es erst dann, wenn ein Pilot Sicherheitsregeln missachtet.

Lieber auf einen Start verzichten

Das Gleitschirmfliegen ist eine der sichersten Luftsportarten. Gleitschirme mit dem DHV-Gütesiegel sind auf Reißfestigkeit und Flugverhalten getestet, das Gurtzeug ist mit einem extra Rückenschutz für die Wirbelsäule ausgestattet, Helm und Rettungsfallschirm sind Pflicht. „Das Fliegen ist mit dem Motorradfahren vergleichbar. Wenn mal etwas passiert, dann ist ein Unfall nicht ungefährlich.“ Es kommt auf die Selbstdisziplin des Piloten an. Zu seinen Aufgaben gehört es, Wetterinformationen einzuholen und gegebenenfalls auf einen Start zu verzichten. Wenn es wettertechnisch zu unsicher wird, verbringt Christian Müller seinen Jahresurlaub in Slowenien, um nicht pausieren zu müssen.

Mit vollem Wasserbecher in der Luft

Denn er fliegt auch als Wettkampfpilot. Dieses Jahr nahm er an der 8. Mosel Open in Zeltingen-Rachtig teil und setzte sich gegen 228 Piloten aus 21 Nationen in der Kategorie Sportklasse durch. Außerdem nutzt Müller das Online-Portal DHV-XC. Hier können über GPS aufgezeichnete Flüge eingereicht und mit anderen Piloten geteilt werden. Es gibt Ziellandeübungen oder individuelle Aufgaben, wie zum Beispiel mit einem vollen Wasserbecher zu fliegen und möglichst wenig zu verschütten. Weltmeisterschaften werden regelmäßig ausgetragen. Den meisten Piloten geht es weniger um den Konkurrenzkampf. Das Gleitschirmfliegen ist ein geselliger Sport. Die Wartezeiten an den Startplätzen sind oft lang, man kommt mit anderen Piloten ins Gespräch. „Darunter sind teilweise richtige Junkies“, gibt Müller zu. „Adrenalin ist eben auch eine Droge.“

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