Ein Professor für Klassische Philologie über die Freude an antiken Sprachen

Ein Professor für Klassische Philologie über die Freude an antiken Sprachen

Bücher schmiegen sich dicht an dicht. Neben säuberlichen Notizen liegen ein Buch mit dem Titel „The Hellenistic philosophers“ und ein dicker schwarzer Ordner, auf dem „Epikureismus – Buch“ prangt. „Er enthält das Manuskript für mein neues Buch über Epikur“, sagt Christoff Neumeister. Der emeritierte Professor für Klassische Philologie mit der runden Brille auf der Nase und den vielen Lachfältchen um die Augen strahlt. 1944 kam er in Chemnitz aufs humanistische Gymnasium und lernte als Fremdsprachen Latein und Altgriechisch, später kam Russisch hinzu. „Wir waren die vorletzte Klasse, in der die beiden alten Sprachen noch gelehrt wurden“, berichtet der voller Lebensenergie sprühende 84-Jährige.

Ein Jahr in Yale

1952 machte er sein Abitur und studierte in West-Berlin und Heidelberg Mathematik. Nach fünf Semestern merkte er, dass er sein Leben lieber doch nicht Zahlen und Formeln widmen wollte und besuchte andere Vorlesungen. Besonders gut kann er sich an die Vorlesung eines Graezisten erinnern. „Man merkte, dass er sich mit seinem Fach innerlich vollständig identifizieren konnte und aus ihm heraus lebte, das hat mich überzeugt.“ Von da an studierte er Altphilologie in Heidelberg und verbrachte ein Jahr an der Yale University. Nach seiner Habilitation mit einer Schrift über „Die psychologische Geschichtsschreibung des Tacitus“ war er Dozent an der Uni Heidelberg, bis ihn 1972 der Ruf auf die Professur für Klassische Philologie mit Schwerpunkt Latinistik an der Universität Frankfurt erreichte. Dort blieb er bis zu seiner Emeritierung. „Das Schöne an meinem Beruf ist, dass ich auch jetzt noch Kurse geben und den Kontakt zu Studenten halten kann und nicht nur in Pantoffeln vor dem Fernseher sitze und ,Sturm der Liebe‘ glotze.“ Neumeister zeigt die fünf Bücher, die er veröffentlicht hat. „Jetzt wird hoffentlich auch noch das Werk über die Philosophie Epikurs folgen. Es macht immer unheimlich viel Spaß, diesen alten Dingen auf den Grund zu gehen. Epikur hat immerhin 300 Jahre vor Christus gelebt.“

Das zwingt zur Intensität

Dass die antiken Sprachen heute als tote Sprachen bezeichnet werden, sei insofern richtig, als dass diese Sprachen nicht mehr gesprochen werden. Man müsse akzeptieren, dass diese Kulturen vergangen seien. Aber sie seien nicht tot in dem Sinne, dass es sich nicht mehr lohne, sich mit ihnen zu beschäftigen. Das Lesen und Übersetzen altsprachlicher Literatur zwinge zu einer intensiven Beschäftigung mit dem Text. Man müsse an jeder Stelle sorgfältig abwägen, in welcher ihrer vielen möglichen Bedeutungen eine Vokabel gerade verwendet werde. Der Altphilologe deutet auf mächtige Wörterbücher. Die Beschäftigung mit den antiken Sprachen erfordere das Erlernen und Anwenden vieler grammatikalischer Regeln, die man nicht imitativ, sondern bewusst lerne. So werde der reflektierte Umgang mit der eigenen sowie mit anderen Fremdsprachen gefördert und die sprachlichen Fähigkeiten ganz allgemein geschult. Einer seiner Schwerpunkte ist die Gedichtinterpretation, in die er deutsche Gedichte des 20. Jahrhunderts einbezieht.

Von einem Lachanfall geschüttelt

Er entschuldigt, dass er ausschweife. „Aber es gibt bei jeder Sache so viele spannende Aspekte.“ Dieses Fasziniertsein brauche ein Lehrer der Altphilologie, um die eigene Begeisterung auf seine Schüler zu übertragen. In Erinnerung geblieben ist seinen ehemaligen Studenten eine Vorlesung über den römischen Dichter Martial, bei der der Professor von der Komik des Schriftstellers so überwältigt wurde, dass er einen Lachanfall bekam und die Vorlesung nicht fortsetzen konnte. „Das ist das Schöne bei der Altphilologie. Es ist ein kleines Universitätsfach. So kann ein persönlicher Kontakt zwischen Studenten und Dozenten entstehen.“ Zu seiner Studienzeit gingen Lehrende und Studenten nach den Seminaren in ein Lokal der Heidelberger Altstadt und diskutierten bei Pfälzer Wein weiter. Die Eltern eines Mitstudenten besaßen einen Weinberg, wohin der Seminarkreis im Herbst wanderte. „Danach verstand man die Weingedichte von Horaz gleich viel besser.“

Was den Helden um den Verstand bringt

Die Zahlen von Studenten der Klassischen Philologie nehmen zu. Wie Christoph Leidl, akademischer Oberrat am Heidelberger Seminar für Klassische Philologie, berichtet, entschieden sich heute viele Studenten für Latinistik, um in Bereiche zu gehen, in denen sprachliche Formulierungsfähigkeiten gefragt seien, zum Beispiel Publizistik oder Kulturmanagement.

Aber natürlich ist es auch spannend zu erfahren, wie die schöne Helena die Helden um den Verstand bringt und Theseus den Minotaurus bezwingt. „Als wir damals im Schulunterricht Homer lasen, haben mich die Geschichten regelrecht gefesselt und entzückt. Odysseus war mein geheimer Held.“ Der alte Professor erzählt von Spaziergängen, die er mit seiner dreijährigen Schwester auf dem Rücken unternahm. „Ich habe ihr vorgetragen, wie Odysseus gegen die Seeungeheuer kämpft. Scheinbar beeindruckte sie das auch. Ihren Teddy jedenfalls nannte sie Oddi.“

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