Er zockt, sie ritzt

Mobile Jugendarbeit SillenbuchEr zockt, sie ritzt

M Foto: Jens Schierenbeck

Sillenbuch – Es sind Wetten, die sie kaum gewinnen können, die sie vorher eher den letzten Cent kosten. Immer wieder zieht es die jungen Kerle in die Sportwettbüros in der Innenstadt, sie schauen dort Fußball, setzen auf einen Verein und hoffen aufs große Geld. Oder sie hocken in einer Spielhalle vor einem Daddelautomaten und verzocken Euro um Euro. Erst aus Langeweile. „Aber irgendwann geht es darum, mit der Zockerei die Schulden zu tilgen“, sagt Simon Fregin. Die Spielschulden.

Simon Fregin, Sozialarbeiter bei der Mobilen Jugendarbeit in Sillenbuch, weiß, wovon er spricht. Im vergangenen Jahr sind bei ihm und seinen Kollegen viele Fälle von derartigem Spieltrieb bei Jungs bekannt geworden – mehr als sonst. So hat er es auch neulich in der Sitzung des Bezirksbeirats erzählt.

Das Wichtigste ist, dass die Eltern nichts vom kostspieligen Hobby der Söhne erfahren. „Das darf aus deren Sicht nie, nie passieren“, sagt Andrea Wollmann, die Kollegin von Simon Fregin. Deshalb hat sich auch kein Freiwilliger gefunden, der über sein Problem mit der Zeitung sprechen will. Zu groß ist die Gefahr, dass alles rauskommt.

Wollmann erklärt sich das mit der Pubertät. Es ist die Lebensphase, wo sowieso Chaos regiert. Und wenn die Mädchen dann noch familiäre Probleme haben, kann es sein, dass sie das körperliche Leid brauchen, um sich zu spüren. Um eine Modeerscheinung geht es nicht, sagt Andrea Wollmann. „Die tun sich wirklich weh, das macht man nicht einfach so“, sagt sie.

In Gesprächen hat sie erfahren, dass sich die Mädchen beim Ritzen taub fühlen, dass sie den Schmerz nicht als Schmerz wahrnehmen. Er ist ein willkommenes Ventil. „Mädchen richten die Aggression eher gegen sich selbst als gegen andere“, sagt Sonja Lengerer, ebenfalls Sozialarbeiterin bei der Mobilen Jugendarbeit. Vielleicht lechzen sie nach Aufmerksamkeit.

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