Fall Safia S. beunruhigt Eltern

Kinderleicht ist es der 15-Jährigen Safia S. gelungen, bis zur türkisch-syrischen Grenze zu reisen. Sie wollte sich in Syrien der Terrormiliz IS anschließen. Eltern fühlen sich oft hilflos, wenn sich Kinder und Jugendliche radikalisieren. Sind sei einmal auf dem Weg, sind sie schwer zu stoppen. Eltern müssen schon früher Hilfe suchen. 

Es ist ein Gefühl von Ohnmacht: Bei Eltern islamisch radikalisierter Jugendlicher wächst die Sorge vor einer heimlichen Ausreise der Kinder nach Syrien, seitdem Dutzende junge Leute aus Deutschland sich dort der IS-Terrormiliz angeschlossen haben. Einmal aufgebrochen, lassen sich die Jugendlichen nur noch schwer stoppen – so wie es der Mutter der jugendlichen Safia S. gelungen ist, die sich von diesem Donnerstag an wegen einer Messerattacke auf einen Polizisten im IS-Auftrag in Celle vor Gericht verantworten muss. Auf bloße Befürchtungen von Angehörigen hin können die Behörden eine mögliche Ausreise so leicht nicht blockieren.

15-Jährige reist ungehindert in Richtung Syrien 

Ticket kaufen, einchecken und weg: Für die damals 15-jährige Safia startet die Reise Richtung Islamischer Staat (IS) am 22. Januar 2016 in Hannover kinderleicht. Ohne dass die Eltern Bescheid wissen oder jemand sie aufhält, besteigt sie den Flieger nach Istanbul. Ein Schock für die Mutter, die aber bald die Reisepläne durchschaut – ein älterer Bruder Safias ist bereits auf dem Weg zum IS an der türkisch-syrischen Grenze inhaftiert worden. So reist sie ihrer Tochter nach Istanbul hinterher, findet sie und kehrt mit ihr zusammen zurück.

Wie die Bundespolizei erklärt, sei es am Ende Erfahrung und ein kritischer Blick, bei welchen minderjährigen, alleinreisenden Fluggästen intensiver nachgefragt wird. Einverständniserklärungen der Eltern könnten auch gefälscht und Ausweiskopien heimlich erstellt sein. Mitunter wird nach den Erwachsenen gefragt, die einen Jugendlichen zum Flughafen gebracht haben. Der Grenzbeamte könne im Zweifel den Abflug verhindern – wobei ihm auch Ärger und Regressansprüche drohen können.

Die Möglichkeiten der Polizei sind begrenzt

„Wir müssen davon wissen, sonst kann die Polizei nichts machen“, sagt eine Sprecherin des Landeskriminalamtes Niedersachsen zu einem möglichen Einschreiten gegen eine Ausreise Richtung Syrien. Die Behörden seien auf Hinweise aus dem Umfeld der meist jungen Radikalisierten angewiesen. Aber auch bei einem Verdacht oder einer Befürchtung müsse die Polizei rechtlich prüfen, ob es tatsächlich ein Bestreben gebe, ins Kriegsgebiet zu reisen, ob eine Straftat geplant sei. Dann könne die Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr handeln oder bei der Stadt eine Passentziehung anregen. Selbst diese laufe aber bei Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit ins Leere – auf die ausländischen Dokumente gebe es kaum Zugriff. „In sehr vielen Fällen wissen wir nichts“, meint die LKA-Sprecherin zu drohenden Ausreisen.

Und selbst wenn – im Fall der im vergangenen Jahr in Niedersachsen verurteilten beiden Wolfsburger Dschihad-Touristen halfen sorgenvolle Hinweise von Angehörigen eines der jungen Männer nicht. Zwar wandten sie sich an das LKA, verhindern konnte es die Ausreise nicht.

Eltern sollten nicht auf Konfrontationskurs gehen

Der Leiter der Beratungsstelle gegen islamistische Radikalisierung junger Leute in Niedersachsen, Christian Hantel, möchte Eltern einen Teil ihrer Sorgen nehmen. Eine Ausreise stehe in seltenen Fällen am Ende der Kette einer Radikalisierung – wichtig sei, dass die Eltern bei Sorgen schnell Hilfe suchten. „Je früher wir davon erfahren, desto schneller können wir über eine Elternberatung helfen.“ Herausgearbeitet werden könne, was den jungen Menschen anfällig für radikale Ideen mache – und wo es in den innerfamiliären Beziehungen knirsche. „Es geht nur miteinander, man muss die Beziehung stärken, nicht die Konfrontation suchen.“

„Bei Radikalisierung gibt es auch einen Weg zurück“ 

Das Elternhaus sei weiterhin ein wichtiger Bezugspunkt, auch wenn Jugendliche sich abkapselten, sagte Hantel. Wenn es tatsächlich zu einer Ausreise käme, meldeten die jungen Leute sich in der Regel nach ein paar Wochen bei den Eltern: „Ich bin hier, mir geht es gut.“ So weit komme es aber selten, manche Sorge sei unbegründet. „In den meisten Fällen können wir Entwarnung geben für die befürchtete Radikalisierung und drohende Ausreise.“ Außerdem trage die Prävention durchaus Früchte: „Bei der Radikalisierung gibt es auch einen Weg zurück.“

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