Hebammen aus tiefster Überzeugung: alternative Geburten in der Schweiz

Therese Wepfer legt vorsichtig die rechte Hand auf den stark gewölbten Bauch der schwangeren Frau und tastet ihn mit langsam kreisenden Bewegungen ab. Die schlanken Finger der Hebamme streichen behutsam über die gestraffte Haut. Mit sanfter Stimme richtet Wepfer beruhigende Worte an das ungeborene Kind und dessen Mutter, die ihrem Partner ein zaghaftes Lächeln schenkt. Die Frau befindet sich in der 36. Schwangerschaftswoche und freut sich auf die Geburt. Die Hebamme streicht sich eine Strähne ihres kurzen, braunen Haares aus dem Gesicht, ihr Blick ist konzentriert auf den Bauch gerichtet. Ihre Bewegungen werden intensiver und versuchen, Lage und Größe des Kindes zu ertasten. An Wepfers Arbeitsort, dem Geburtshaus Zürcher Oberland in Bäretswil bedeutet dies Handarbeit; Ultraschalluntersuchungen werden hier nicht durchgeführt, da diese der naturverbundenen Philosophie, bei der nicht die Medizin im Vordergrund steht, widersprechen würden.

An die eigene Gebärfähigkeit zu glauben

„Ich bin Hebamme aus tiefer Überzeugung“, sagt die 26-Jährige. „Eigene Kinder habe ich noch keine, der Wunsch danach ist jedoch ein wichtiges Thema für mich“, erklärt sie lächelnd. Ihre Ausbildungszeit verbrachte Wepfer im Spital Uznach, seit einem Jahr ist sie Teil des 27-köpfigen Hebammenteams am Geburtshaus. Dort werden ausschließlich natürliche Geburten durchgeführt. Nicht die ärztliche Unterstützung und Schulmedizin stehen an erster Stelle, sondern die liebevolle Eins-zu-eins-Betreuung durch die Hebamme, das Einbinden des Partners und der werdenden Geschwister. „Die Gebärende soll ihr Kind aktiv und mit einem Bewusstsein zur Welt bringen, sie soll Verantwortung übernehmen. Wir Hebammen nehmen ihr die Geburt nicht ab, sondern begleiten sie“, erklärt Therese Wepfer. Ihre Kollegin Gisela Burri nickt bestätigend und rückt ihr buntes Halstuch zurecht. „Ich möchte Schwangere dazu ermutigen, an die eigene Gebärfähigkeit zu glauben“, sagt die 62-jährige Hebamme und Mutter von vier Kindern. „Frauen meinen, eine Geburt kann nur mit ärztlicher Hilfe stattfinden, sie sind beeinflusst von einer gesellschaftlichen Norm.“

Seit 37 Jahren geht Burri als Hebamme ihrer Berufung nach. 1992 gründete sie zusammen mit sechs Kolleginnen an ihrem Wohnort Wald das Geburtshaus Zürcher Oberland. Nach einem Umzug nach Bäretswil vor acht Jahren bietet es Platz für acht Wöchnerinnen, verfügt über zwei Geburtszimmer und organisiert unter anderem Stillberatungs- oder Rückbildungskurse. Burri, die hier sogar die Geburt ihrer beiden Enkelkinder begleitete, leitet mit vier Arbeitskolleginnen das Geburtshaus und ist Präsidentin des Verwaltungsrats.

Sie pflückt Salbeiblätter und bereitet Tee zu

Homöopathie und pflanzliche Mittel spielen eine wichtige Rolle. Die Hebammen bedienen sich Schüssler Salze, Quarkwickel und verschiedener Heilkräuter, hingegen wird die Pda, die den Wehenschmerz eindämmt, im Geburtshaus nicht zur Verfügung gestellt. „Entspannende Meditationen und Bäder, eine Fußreflexzonenmaßage, Akupunktur oder Craniosacral-Therapie leisten in solchen Fällen oftmals bessere Dienste“, erklärt Wepfer und führt auf die Terrasse: In großen Kisten blühen gelbe Arnikablumen neben grünen Blättern des Frauenmantels. Die Hebamme pflückt Salbeiblätter und bereitet Tee zu. Mit einem Wattestäbchen träufelt sie das heilende Getränk auf die winzige Zunge eines vier Tage alten Babys, das während der Geburt mit dem Scheidenpilz der Mutter in Berührung geriet und nun ebenfalls mit dem lästigen Soor zu kämpfen hat. Das Kind auf ihrem Schoß verzieht beim bitteren Geschmack des Salbeis das Gesicht. Im Zimmer nebenan schläft die Nichte der Hebamme, das Kind einer ihrer drei Schwestern. „Es war ein wunderschönes Erlebnis, meine Schwester entbinden zu dürfen, und ich schätze sehr, die beiden während dem Wochenbett zu begleiten“, sagt die junge Frau und drückt dem Neugeborenen einen sanften Kuss auf die Stirn.

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