Pisa-Studie 2015: Deutschland muss Rückschlag hinnehmen

Zum sechsten Mal wurden bei der Pisa-Studie weltweit die schulischen Leistungen von Neuntklässlern untersucht. Deutsche Schüler mussten einen Rückschlag hinnehmen. Die Ergebnisse sind schlechter als drei und sechs Jahre zuvor, die Schüler blieben aber mit ihren Leistungen im oberen Drittel der Ranglisten.

Bei der Pisa-Studie 2015 der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) standen die Naturwissenschaften im Fokus.

So haben deutsche Schüler bei Pisa 2015 abgeschnitten

  • Naturwissenschaften: 509 Punkte (2012: 524)
  • Mathematik 506 Punkte (514)
  • Lesekompetenz/Textverständnis 509 Punkte (508)

Im Bereich Lesekompetenz schnitten die 15-Jährigen so gut ab wie nie zuvor. Für die Pisa-Studie 2015 wurde erstmals auch Problemlösen im Team als Indikator für soziale Kompetenz getestet. Diese Ergebnisse stellt die OECD aber erst 2017 vor.

Über dem OECD-Durchschnitt

Trotz eines ersten Leistungsknicks nach jahrelangem Aufwärtstrend steht Deutschland solide im Vorderfeld der Ränge 10 bis 20. Die Leistungen der im April/Mai 2015 hierzulande getesteten Mädchen und Jungen lagen auch weiterhin jeweils über dem Durchschnitt der OECD-Staaten. Jeder Neunte (elf Prozent) brachte bei „Pisa 2015“ Spitzenleistungen – drei Prozentpunkte über OECD-Niveau.

„Es gibt eine Stabilisierung auf hohem Niveau, auf die man durchaus stolz sein kann“, kommentierte die Prädidentin der Kultusministerkonferenz, Claudia Bogedan (SPD). Aber es müsse Ziel der deutschen Bildungspolitik sein, „weiter nach oben aufzuschließen“ – und das sei zuletzt nur bei der Lesekompetenz knapp geglückt, nicht aber in Mathematik und in den Naturwissenschaften.

Die Gewinner kommen aus Südostasien

Pisa-Testsieger mit klarem Abstand ist wieder Singapur: In den Naturwissenschaften liegt der südostasiatische Insel- und Stadtstaat mit 556 Punkten vor Japan (538) und Estland (534) als bestem europäischen Land.

In Mathematik rangiert Singapur mit 564 Punkten vor den chinesischen Großregionen Hongkong (548) und Macao (544), in Lesekompetenz mit 535 Punkten vor Kanada und Hongkong (jeweils 527) sowie dem langjährigen europäischen PISA-Champion Finnland (526).

Die Ergebnisse der Pisa-Studie 2015 im Überblick. (Quelle: dpa)Die Ergebnisse der Pisa-Studie 2015 im Überblick. (Quelle: dpa)

„Das Jammertal verlassen“

OECD-Experte Heino von Meyer fasste den Befund für das deutsche Bildungssystem nach der sechsten Pisa-Studie in Berlin so zusammen: „Deutschland hat das Jammertal des Pisa-Schocks von 2001 verlassen“ – es befinde sich aber nun lediglich auf einem „Hochplateau des oberen Mittelfeldes“ ohne spürbare Reformdynamik. Der „Pisa-Schock“ von 2001 mit miserablen Test-Ergebnissen hatte zahlreiche Bildungsreformen zur Folge.

Auch andere Länder stürzen ab

Insgesamt gingen nicht nur für Deutschlands 15-Jährige, sondern auch bei vielen anderen, im „Pisa-2015“-Ranking teils besser platzierten Teilnehmerländern und -regionen die Punktzahlen herunter. Dies betraf beispielsweise die Schweiz (minus 17 Punkte bei Lesekompetenz), Österreich (minus 11 in Naturwissenschaften) oder die Niederlande (minus 11 in Mathematik). Frankreich erreichte sogar in keinem einzigen Teilbereich 500 Punkte. Und die USA stürzten etwa in Mathematik von vorher schon mäßigen 481 Punkten auf 470 ab.

Der OECD-Durchschnitt sank in Naturwissenschaften im Vergleich zu 2012 von 501 auf 493 Pisa-Punkte, in Mathematik von 494 auf 490 und in Lesekompetenz von 496 auf 493.

Soziale Kluft hat sich etwas verringert

Für Deutschland stellt der aktuelle Pisa-Report der OECD fest, dass hierzulande der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildung weiterhin vorhanden ist. Allerdings habe sich die Kluft zwischen Schülern aus sozial gutgestellten, bildungsnahen Elternhäusern auf der einen Seite und ärmeren, bildungsferneren Haushalten auf der anderen Seite in den vergangenen zehn Jahren etwas verringert.

Viele „Risikoschüler“

Weiterhin gibt es viele „Risikoschüler“ mit sehr schwachen Pisa-Leistungen. So erreichten in Lesekompetenz 16 Prozent nicht einmal die zweite von fünf Leistungsstufen. In Deutschland sind weniger Mädchen sehr gut in Naturwissenschaften als in vergleichbaren Ländern – und selbst leistungsstarke Mädchen gehen zu selten davon aus, dass dieser Bereich für sie beruflich in Frage kommt.

So schneiden Schüler mit Migrationshintergrund ab

Zu dem für Deutschland seit langem brisanten Thema der Schüler mit Migrationshintergrund schreibt die OECD in ihrer neuen Studie: Diese Mädchen und Jungen liegen zwar 72 Pisa-Punkte (das ist der Lernerfolg von zwei Schuljahren) unter dem Niveau von Schülern, deren Eltern hier geboren wurden. Rechnet man aber den oft schwachen sozialen Status inklusive Bildungsferne der Elternhäuser als schulische Hypothek heraus, dann verringert sich der Kompetenzabstand von Migrantenkindern auf 28 Punkte.

500.000 Kinder weltweit getestet

Weltweit nahmen im Mai vergangenen Jahres eine gute halbe Million Mädchen und Jungen an „Pisa 2015“ teil. In Deutschland wurden mehr als 10.000 repräsentativ ausgewählte Mädchen und Jungen getestet.

„Pisa-Schock“ vor 15 Jahren

Das unerwartet schlechte Abschneiden bei der Pisa-Premiere vor 15 Jahren hatte in der Öffentlichkeit einen „Pisa-Schock“ und viele Schulreformdebatten ausgelöst. Für Deutschland war ein enger Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen festgestellt worden. Kürzlich attestierte Pisa-Chefkoordinator Andreas Schleicher Deutschland, aus dem Debakel vor 15 Jahren zwar gelernt zu haben. Er warnte aber auch vor einem Erlahmen des Reformeifers.

„Keine Aussage über Qualität“

Die KMK-Vorsitzende Bogedan riet für die neuen Ergebnisse zu Gelassenheit. Tests wie Pisa dienten zur Einordnung des Bildungsgeschehens und Orientierung für das politische Handeln, sagte die Bremer Bildungssenatorin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Eine Aussage über die Qualität von Bildungsprozessen erlauben sie nicht. Hier braucht es tiefere Einblicke.“

Pisa ist die Abkürzung für „Programme for International Student Assessment“. 2015 wurde erstmals der Bereich Problemlösen im Team getestet – diese Ergebnisse veröffentlicht die OECD im kommenden Jahr. Pisa-Ranglisten nach Bundesländern gibt es auch diesmal nicht – diese liefert seit einigen Jahren im KMK-Auftrag das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB).

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