Schreckliche Masken, aber Wohlstand fürs Dorf: der Kukerkult

Schreckliche Masken, aber Wohlstand fürs Dorf: der Kukerkult

Ein kleines Haus am Fuße des Rila-Gebirges. Die kühle Luft beißt in die Wangen, bis sie feuerrot sind. Ziegenleder und Holzstangen bedecken die Wände, Riesenglocken läuten auf dem Dach des alten Bretterhäuschens, der Kukerwerkstatt. Tannengeruch umzingelt jeden Besucher, immer näher, immer dichter. Es ist spät, und es dämmert, das Licht draußen versteckt sich schon. Nur die weißen Zähne auf den Tischen reflektieren die letzten Sonnenstrahlen. Velin Kiuncharski macht das Licht an in dem Haus in dem Waldstädtchen Saparewa Banja im südwestlichen Bulgarien mit viertausend Einwohnern. Velin Kiuncharski ist 23 Jahre alt, blauäugig, blond, ein Riese, aber in einem weißen Hemd, mit Smartphone und einem kleinen achtjährigen Kind. „Es wäre schade, wenn mein Gast hier erkrankte, es ist ziemlich kalt in diesem Gebiet“, sagt er und lacht. Die kleinen Wunden an seinen Fingern, sein blauer Fingernagel und die harte Haut fallen beim Händeschütteln auf. Die schwere Arbeit ist dem Kukermaskenmacher nicht fremd. Mit Zähnen und Ledern zu basteln ist keine leichte Aufgabe.

Wie verzaubert von den Riesen

Seit der Zeit der Thraker lebt eine uralte Tradition in den bulgarischen Territorien – die Kuker. Jedes Jahr kommen Männer allen Alters aus verstreuten Dörfern des ganzen Landes zusammen, um Kukermasken zu schaffen. Sie basteln bis zu vier Meter hohe Stücke als Kopfschmuck aus Materialien wie Leder, Tierzähnen, riesigen Holzstücken. Die Masken sollen Schreck einflößen. Die damit verkleideten Kuker müssen um den Jahreswechsel die bösen Geister vom Dorf vertreiben, so will es die Sitte. Velins großer Körper stützt sich auf einen hölzernen Hocker, ein lautes Seufzen folgt. „Muskeln brauche ich ständig . . . na, ist auch keine einfache Aufgabe, tagelang Holz auf dem Kopf zu tragen.“ Im Schnee oder auf dem Eis muss er tanzen, mit zehn Kilo Last muss er hoch in die Luft springen. Seit 22 Jahren macht Velin das. „Blitzschnell bin ich nach der Schule zu dem Kukeratelier gerannt, vielleicht dann zwei-, dreimal auf den Hintern gefallen, weil es glatt war“, lacht Velin. Wie verzaubert war er von diesen Riesen. In den ersten Jahren durfte er nur mit Scheren und Klebstoff arbeiten, ab und an sich auch um das Leder kümmern, wenn der Leiter der Gruppe es ihm erlaubte. „1995 bin ich ein Kuker geworden, für ewig. Aufhören werde ich nie.“ Heute ist Velin der Leiter der Kukergruppe in seinem Städchen und für den Brauch verantwortlich.

Omas und Opas schenken Cents

Nicht nur Zeit kostet Velin Kiuncharskis Hobby, sein Beruf ist Stuckateur. Für die Masken müssen die Kuker alles aus eigener Tasche bezahlen. Vor allem die dazu an einem Gürtel getragenen Glocken sind teuer. Die Einnahmen zum Beispiel bei Volksfesten reichen im besten Fall für die Materialien. Die Tradition ist für die Menschen, für das Volk, sie ist etwas Bulgarisches, Uraltes, Heiliges. Männer tanzen auf der Straße, singen Lieder, während aus ihren Mündern wegen des kalten Wetters Dampf strömt, um den Nachbarn Gesundheit zu schenken. Daran glauben die Kuker fest: Sie bringen der ganzen Gemeinde Wohlstand. „Liebe“, sagt Velin, „ist bedeutsamer als das Geld, und Hoffnung auf ein glückliches Leben ist am wichtigsten. Ich kenne die Omas und die Opas, sie werden rausgehen und uns Eier oder Stotinki, bulgarische Cents, reichen. Alle werden lachen, eine alte Frau wird mit uns singen.“

Das hätte er nicht ertragen

Ein einziges Jahr hat Velin die Kukertänze wegen eines Streits über die Deutung des Brauches mit den anderen Mitgliedern der Gruppe verpasst. Da ist er um drei Uhr mit dem Auto ins Gebirge gefahren. „Die Lieder zu hören, den Klang der Glocken und nicht dort zu sein, das hätte ich nicht ertragen. Besser ging es mir in dem schneebedeckten Gebirge.“ Zurzeit lernt Velin einen neunjährigen Jungen an, was sich dahinter verbirgt, ein Kuker zu sein. Ein neuer Leiter hat seine Ausbildung begonnen.

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