Weniger Zeit mit dem Smartphone: Zu viel Internet macht Teenager unglücklich


Seit der Einführung des Smartphones lässt sich eine Trendwende im Wohlbefinden junger Menschen feststellen. Eine US-amerikanische Studie stellt den Zusammenhang fest, aber besteht auch eine Kausalität?

Instagram-Likes checken, die täglichen Snapchat-Kontakte am Laufen halten, mit Freunden texten und dann noch online Hausaufgaben machen. Viele Teenager nutzen mittlerweile mehrere Stunden am Tag ihr Smartphone oder Laptop. Eine neue US-Studie liefert weitere Hinweise für etwas, das selbst viele der jungen Dauernutzer schon ahnen: Immer mehr Zeit online zu verbringen heißt nicht zwingend, sich immer besser zu fühlen. Im Gegenteil.

Am glücklichsten sind die Teens, die nur knapp eine Stunde täglich online sind – das zumindest ergab die Studie der San Diego State University, die im Fachmagazin „Emotion“ veröffentlicht ist. Für die, die länger als eine Stunde pro Tag am Bildschirm kleben, sinken die Zufriedenheitswerte – ebenso bei denen, die gar keine Digitalmedien nutzen (dürfen).
Einen kausalen Zusammenhang stellt die Studie allerdings nicht her, sondern zeigt nur eine Korrelation – es bleibt also unklar, ob die Zufriedenheit wirklich an die Medien-Nutzung gekoppelt ist oder an andere, damit verbundene Faktoren.

Insgesamt zeigte sich: Jugendliche, die einen größeren Teil ihrer Freizeit mit Sport, Lesen oder Verabredungen verbringen als mit Online-Aktivitäten wie Computerspielen, sozialen Medien oder Video-Chats mit Freunden, fühlen sich deutlich glücklicher als solche, bei denen das Verhältnis umgekehrt ist. Das Team um die Psychologin Jean Twenge durchforstete dazu Daten einer jährlichen, repräsentativen US-Langzeituntersuchung (Monitoring the Future), für die seit 1991 mehr als eine Million Acht-, Zehnt- und Zwölftklässler befragt wurden. Dabei stiegen Selbstachtung, Lebenszufriedenheit und das Gefühl, glücklich zu sein, seit den 1990er Jahren bei den Teenagern insgesamt stetig an. Ab 2012 jedoch – dem Jahr, in dem die Hälfte aller US-Teens ein Smartphone besaß – kehrte sich der Trend abrupt um.

Die Angst, etwas zu verpassen

Ähnliche Zahlen hatte Twenge im Sommer 2017 schon in ihrem Digitalmedien-kritischen Buch zur sogenannten „iGeneration“ vorgelegt – und dafür von Fachkollegen wegen des alarmistischen Tons nicht nur Lob bekommen. Doch Twenge ist überzeugt: „Der bei weitem größte Unterschied im Leben von Teenagern 2012 und 2016 war der Anstieg der Zeit, die sie mit sozialen Medien verbrachten – und der daraus folgende Rückgang bei Sozialkontakten von Angesicht zu Angesicht und bei der Schlafdauer.“

Kommunikationsforscherin Hefner geht davon aus, dass die Angst, etwas zu verpassen, zu exzessiver Smartphone-Nutzung führt.

Die Forscherin Amanda Lehnart (Better Life Lab) mahnt in der „Washington Post“ an, dass es schwierig sei, die Bildschirmzeit von anderen möglichen Stressfaktoren im Leben der Jugendlichen zu unterscheiden – etwa politisch bedingten oder ökonomischen Lebensumständen. „Technologie wird heute schnell zum Sündenbock gemacht – sie ist neu, sie macht Angst, sie verändert das Leben von uns und unseren Kindern.“

Kommunikationsforscherin Dorothée Hefner von der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover hält die Studie für plausibel und nachvollziehbar – „auch wenn die zwar breite, aber wenig tiefe Datenbasis kaum Erklärungen dafür liefert, warum ein Mehr an Online-Aktivitäten mit einem Weniger an Lebensfreude zusammenhängt.“ Hefner, die selbst jüngst ein Buch zum Phänomen „Permanent Online, Permanent Connected“ mit herausgegeben hat, glaubt, dass die Angst davor, etwas zu verpassen, für viele Jugendliche ein wichtiges Motiv bei der exzessiven Smartphone-Nutzung ist. Dann sei auch eine Abwärtsspirale möglich – etwa, wenn man passiv mitlese und sehe, wovon man alles ausgeschlossen sei. Auch Neid spiele beim Lesen von Posts oft eine Rolle.

Technik-Sperre selbst bei Bill Gates

Bei instabilen Jugendlichen könne der ständige Vergleich mit anderen möglicherweise eine Depression anfeuern. „Ich würde mich jedoch nicht so weit aus dem Fenster lehnen, zu behaupten, dass das Smartphone die Suizidrate noch oben treibt“, sagt Hefner. Und es dürfe nicht vergessen werden, wie viel Chancen der sozialen Unterstützung, der Information und Bildung die Online-Welt für junge Menschen biete. Ähnlich wie andere deutsche Studien zieht auch Hefner den Schluss: „Beschränkung macht mit Sicherheit Sinn.“

Fraglich sei, ob beim Smartphone eine strikt zeitliche Begrenzung funktioniere. „Was aber geht: kein Smartphone beim gemeinsamen Essen und bei Gemeinschaftsaktivitäten, kein Smartphone abends und nachts im Bett. Und tagsüber smartphonefreie Fenster.“ All dies in Absprache und Aushandlung mit dem Nachwuchs. Das ist deutlich weniger strikt als manche Regeln, die US-Technik-Titanen ihren Sprösslingen auferlegen: Sie schicken sie im Silicon Valley nicht nur auf Technologie-freie Schulen, sondern erlauben ihnen Smartphones auch erst ab 14 Jahren – wie etwa Bill Gates dies tut.



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