Bundesliga-Check: Gladbach: Die Opas werden’s schon richten

Wenn sich Mittzwanziger wie Rentner fühlen und Armin Veh weint – dann hat Max Eberl eingekauft. Die Borussia aus Mönchengladbach bleibt dem Jugend-forsch-Stil treu, vermisst aber einen Knipser. Was ist mit Europa? Kann, muss aber nicht.

Frage an Radio Eriwan: Ist Borussia Mönchengladbach ein Spitzenteam? Antwort: im Prinzip ja, aber nur im Durchschnitt. Als Max Eberl jüngst über die doch eher unglückliche Saison der Borussia redete, führte er eine interessante Statistik ins Feld: Nur der FC Bayern, Borussia Dortmund und Mönchengladbach waren sechs Jahre in Folge einstellig. Das ist die Variante halb volles Altbierglas – Mönchengladbach als eines der drei Topteams der vergangenen Jahre. Das kann man so gelten lassen, schließlich hat ein gewisser Marco Reus erst vor rund sechs Jahren die Borussia in der Relegation vor dem Abstieg bewahrt, seitdem stehen je zwei Teilnahmen an der Champions League und an der Europa League zu Buche.

Nur sind mit den Erfolgen seit der Rettung auch die Erwartungen gewachsen und der Fohlen-Stammtisch sitzt auch mal bei einem halb leeren Glas zusammen: Die Jahre im Europapokal haben die Borussia nicht zur Spitzenadresse gemacht, noch immer gehen die besten Spieler weg, der Kader genügt den höchsten Ansprüchen nicht, auch nicht denen der eigenen Fans, die Konkurrenz holt gnadenlos auf oder gar die Borussia ein. In dieser Saison könnte sich der Weg weisen: Sortiert sich Gladbach im Mittelfeld der Liga ein oder rammt Dieter Hecking die gläserne Decke in die Beletage einfach mit seinem markanten Sturschädel ein?

Was gibt's Neues?

Armin Veh muss jetzt ganz stark sein: Der Jugendwahn wird noch schlimmer. Den Grundstein dafür legen Manager wie Max Eberl, der offenbar eine Abteilung Fähnlein Fieselschweif gründen will. Der erfahrenste und teuerste Neuzugang Matthias Ginter ist gerade einmal 23 Jahre alt, Standardspezialist Vincenzo Grifo ein Jahr älter. Denis Zakaria (20, von den Young Boys Bern), Reece Oxford (18) und Julio Villalba (18) sind immerhin schon volljährig, Mickael Cuisance feiert erst vier Tage vor dem ersten Saisonspiel seinen 18. Geburtstag. Die Chancen, dass der Franzose gleich zum Einsatz auf der Doppelsechs kommt, stehen gar nicht so schlecht. In den Testspielen brachte er Nebenmann Christoph Kramer ins Grübeln: „Es ist Wahnsinn, wie krass die jungen Spieler heutzutage ausgebildet sind. Wenn ich sehe, wie weit er mit 17 schon ist – so weit war ich erst mit 22.“ Bei den ganzen jungen Leuten, so Kramer weiter, fühle er sich „wie ein Opa“. Wie soll es da erst Armin Veh gehen? Wenn das so weitergeht, sind die 15-Jährigen bald so weit wie 25-Jährige und dann machen diese Wunderbubis, kaum volljährig, ihren 1,0-Abschluss an der Akademie, drängen Domenico Tedesco und Co. als Spielertrainer aus den Jobs und werfen feixend die Laptops aus dem Fenster. Julian Nagelsmann wettert dann in Fernsehstudios gegen die neue Generation „Google Glass“-Trainer und Veh? Bleibt nur noch die Rolle als neuer Peter Neururer, der dann … ach, lassen wir das. Es ist einfach ein Trauerspiel mit dem modernen Fußball.

Auf wen kommt es an?

Wichtigster Mann bei der Borussia: Häuptling Silberschuh Lars Stindl.

Als Debütant fuhr er zum Confed Cup, als Häuptling Silberschuh kam er zurück: Lars Stindl hat im Sommer einen bemerkenswerten Aufstieg hingelegt. Noch im April, nach dem Siegtor beim 3:2 im Derby in Köln, sah sich Dieter Hecking zu einer kollegialen „Empfehlung“ an Joachim Löw gezwungen. Nach drei Toren in Russland und der Auszeichnung als zweitbester Torschütze des Turniers gilt der 28-Jährige plötzlich als ernsthafter Anwärter auf einen Platz im WM-Kader. Empfehlen kann er sich bei der Borussia: Er nimmt die Schlüsselposition in der Offensive ein, nicht nur, weil er zu den Opas im Team gehört, sondern vor allem, weil er in der Vorsaison mit 11 Toren in 30 Spielen der erfolgreichste Schütze war. Das macht das Team aber auch abhängig von ihrem Kapitän – ein echter, Verzeihung, Fohlenböller steht nicht im Kader.

Ein Grund, warum der Borussia in der Vorsaison nur 45 Treffer gelangen. Eberl suchte zwar im Sommer nach einem Stürmer, aber nicht um jeden Preis: „Das Wichtigste ist, dass Stindl, Hazard und Raffael gesund bleiben, in den Rhythmus kommen. Noch ein gestandener Stürmer kann auch ein Risiko im Mannschaftsgefüge sein.“ Statt einem 15-Tore-Garanten gab es bunte Blumen für den Trainer, der auch artig danke sagte: „Max hat mir da einen schönen Strauß zusammengestellt, es ist ein interessanter Mix mit Qualität und Talent. Er beinhaltet vieles von dem, was ich mir erhofft habe“, sagt Hecking zu den Neuzugängen, die vor allem die Abgänge ersetzen sollen: Der körperlich starke Zakaria ist Favorit auf die Rolle von Mahmoud Dahoud (für 15 Millionen zum BVB), Ginter rückt anstelle von Andreas Christensen (war von Chelsea ausgeliehen) in die Innenverteidigung.

Was fehlt?

Das Spielfeld im Borussia-Park kann der Platzwart nicht mehr vergrößern, mehr als die 105 mal 68 Meter lässt das Stadioninfrastruktur-Reglement der Uefa einfach nicht zu. Zumal Dieter Hecking nicht nur ein paar Quadratmeter mehr Platz benötigt, sondern eine Ausnahmegenehmigung, um mit zwölf Spielern anzutreten. Um die Planstellen auf der Doppelsechs streiten gleich fünf Spieler, dabei scheidet Pechvogel Tobias Strobl mit einem Kreuzbandriss aus. Nicht nur im Mittelfeld wird der Kader Härtefälle schaffen: „Wir haben vielleicht mehrere Bankdrücker in der neuen Saison, die einiges an Geld gekostet haben“, sagt Hecking. „Die Konkurrenzsituation ist auf allen Positionen groß. Es wird meine Aufgabe sein, das alles gut zu moderieren.“ Dabei steht dem 51-Jährigen ein Wettbewerb weniger zur Verfügung als zuletzt, um die Spieler bei Laune zu halten. Von seinem 4-4-2 weicht er ungefähr so gern ab wie von seiner Stammfrisur, aber er könnte dazu gezwungen sein, auch weil mit Dahoud der überragende Ballverteiler der Rückrunde gegangen ist – und damit auch Torgefahr, die etwa Zakaria und Kramer (zumindest für die Gegner, Sie erinnern sich …) abgeht.

Wie lautet das Saisonziel?

Erschütternde Szenen in einem Kölner TV-Studio: Max Eberl, Sportdirektor beim Borussia VfL, trank bei „100 Prozent Bundesliga“ von „RTL Nitro“ allen Ernstes ein Kölsch. Ein Akt der Anbiederung, fast so schlimm wie die „Schal-Affäre“ der Effzeh-Hymnenschreiber „De Höhner“, die 2009 in grün-weiße Fanartikel gehüllt bei der Karnevalssitzung in Mönchengladbach auftraten. Eberls Charme-Offensive wird aber spätestens am 1. Spieltag enden, wenn mit dem Rhein-Derby die Saison beginnt, die in Europa enden soll. Als Pflicht will er das nicht formulieren, er bediente sich der schönen Umschreibung „um Europa herumspielen“, was Interpretationsspielraum lässt von Platz eins bis zwölf.

Die Prognose von n-tv.de

„Jung, dynamisch, frech“ wollen sie auftreten, sagte Hecking im „Kicker“. Sein Vorgesetzter Eberl hingegen forderte „auch öfter mal ein 1:0 oder 0:0“. Klar ist: In der Defensive müssen sich die Fohlen nach dem Abgang von Christensen und Dahoud noch finden, warum also nicht das Heil in der Offensive suchen? In der Rückrunde kam die Borussia unter Hecking schon auf 30:24 Tore und 28 Punkte, hochgerechnet wären das 56 Punkte bei 60:48 Treffern, was realistisch klingt: Die Champions-League-Ränge scheinen auf absehbare Zeit für andere Teams reserviert, zwischen fünf und acht sollten die Fohlen aber einlaufen.



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