Depressionen bei Kindern: Jeden zweiten Tag tötet sich ein Teenager

Das Kind hat keine Lust mehr zu spielen. Es wirkt ständig traurig. Das Mittagessen bleibt fast unberührt stehen. Hinzu kommen Schlafprobleme und unbegründete Ängste: Diese Anzeichen deuten auf eine Depression hin. Wichtig ist eine schnelle Diagnose, um eine Therapie einzuleiten. Denn laut Statistik stirbt jeden zweiten Tag in Deutschland ein Jugendlicher durch Selbstmord.

Der Verein Deutsches Bündnis gegen Depressionen geht davon aus, dass in Deutschland etwa ein Prozent der Vorschulkinder, knapp zwei Prozent der Grundschulkinder und drei bis zehn Prozent der Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren an einer Depression leiden.

Während man vor 20 Jahren Depressionen bei Kindern noch ausschloss, werden heute bereits bei Klein- und Vorschulkindern depressive Anzeichen beobachtet. Die Häufigkeit einer Depression nimmt aber vor allem ab dem zwölften Lebensjahr zu. Von den Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren haben 18 Prozent mindestens einmal eine Depression durchgemacht, wie eine Jugendstudie der Universität Bremen in Kooperation mit dem Psychologischen Institut der Universität Münster ermittelte.

Typische Symptome für eine Depression je nach Alter

Eine Depression beim Kind zu erkennen, ist für Eltern nicht leicht. Selbst Ärzte und Psychologen haben oft Probleme die Krankheit bei Kindern auf Anhieb richtig zu deuten. Grundsätzlich gilt, je jünger die Kinder sind, desto schwieriger fällt die Diagnose. Kleine Kinder sind kaum in der Lage, über ihre Gefühle zu sprechen. Bei älteren Kindern und Teenagern besteht hingegen eher das Problem, dass sie sich das oft nicht trauen oder es ihnen während der Pubertät ohnehin schwer fällt, sich gegenüber den Eltern und anderen Erwachsenen zu öffnen.

Umso wichtiger ist es, dass Eltern ihre Kinder genau beobachten und je nach Alter bei folgenden Symptomen und Verhaltensweisen hellhörig werden.

Symptome einer Depression bei Kindern und Jugendlichen

Babys: Schon bei Babys können sich depressive Symptome zeigen. Dies ist dann meistens die Folge vom Verlust von Bezugspersonen oder von Misshandlungen. Anfänglich schreien und weinen diese Babys sehr viel, dann werden sie zunehmend teilnahmslos. Die Depressionen wirken sich auch auf die Entwicklung der Kleinen aus: Sie bleiben häufig mager, wachsen eher langsam und greifen, brabbeln und krabbeln später als andere Kinder in ihrem Alter.

Kleinkinder bis drei Jahre: Auch bei Kleinkindern hängt der Ausbruch der Krankheit oft damit zusammen, dass die Kinder eine wichtige Bezugsperson verloren haben, zum Beispiel durch einen Todesfall oder auch durch Scheidung. Die Kinder liegen dann ebenfalls in ihrer Entwicklung zurück: Sie lernen später laufen und sprechen und sind im Umgang mit ihren Händen weniger geschickt als Altersgenossen.

Zudem leiden depressive Kleinkinder häufig unter Schlafproblemen und Albträumen. Manche essen auch sehr wenig, verhalten sich ausgesprochen teilnahmslos und jammern sehr viel. Andere lutschen wiederum exzessiv am Daumen oder schaukeln ständig vor und zurück. Extremfälle schlagen sich sogar den Kopf an die Wand oder reißen sich Haare aus.

Kinder im Vorschulalter: Bei Kindern im Vorschulalter wirkt sich die Depression in zwei Extremen im Verhalten aus. Manche sind stark in sich gekehrt und sehr ängstlich. Sie haben keine Lust mit anderen Kindern zu spielen, was sich wiederum in ihrer Entwicklung niederschlägt. So lernen sie beispielsweise erst spät mit dem Laufrad zu fahren oder an Gerüsten zu klettern.

Bei anderen Kindern verhält es sich fast gegensätzlich: Sie sind launisch und aggressiv und neigen dazu, mit anderen Kindern zu streiten oder sie beim Spielen zu stören. Hinzu kommen oft Ess- und Schlafstörungen sowie Kopf- und Bauchschmerzen.

Schulkinder: In diesem Alter zeigen sich Depressionen nun schon deutlicher. Die Schüler sind traurig, ängstlich und übermäßig kritisch sich selbst gegenüber. Aktivitäten, die ihnen noch vor kurzem Freude bereitet hatten, machen ihnen plötzlich keinen Spaß mehr.

Da die Kinder in ihren eigenen Gedanken gefangen sind, werden sie zunehmend unkonzentriert, worunter schließlich auch die schulischen Leistungen leiden. Auch im Schulkindalter sind Schlaf- und Essstörungen Auswirkungen der Depression. Außerdem werden in dieser Phase auch Suizidgedanken konkreter.

Jugendliche: Depressive Teenager schwanken in ihrer Stimmung zwischen „himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt“. Sie zweifeln an der Welt, sind unzufrieden und sehr nachdenklich. Ihre Probleme versuchen viele mit Alkohol und Drogen zu bekämpfen. Bei anderen, besonders Mädchen, gipfeln die Essstörungen nicht selten in Magersucht oder regelmäßigen Fressattacken wie auch im sogenannten Ritzen.

Dabei sind die Jugendlichen für ihre Eltern und andere Erwachsene kaum zu greifen: Nachfragen werden als lästig empfunden. Selbstmord wird für manche zum einzigen vorstellbaren Ausweg – wie Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Hellmuth Braun-Scharm „Spiegel Online“ berichtet, haben 50 Prozent der Kinder zwischen zehn und 14 Jahren einmal in ihrem Leben Suizidgedanken. Und tatsächlich sind Suizide nach Verkehrsunfällen die zweithäufigste Todesursache bei den 15- bis 20-Jährigen. Jeden zweiten Tag stirbt in Deutschland ein Jugendlicher durch Selbstmord.

Unbedingt mit professioneller Hilfe die Ursache ermitteln

Wenn Eltern solche Symptome bei ihren Kindern wahrnehmen und eine Depression vermuten, sollte unbedingt ein Arzt aufgesucht werden. Behauptet der wiederum, dass sich Depressionen mit der Zeit „auswachsen“, sollten Eltern skeptisch reagieren. Es besteht das Risiko, dass das Kind später immer wieder depressiv wird – auch als Erwachsener. Rückfälle sind sehr häufig.

Deshalb ist es wichtig mit Hilfe des Arztes oder eines Kinderpsychiaters die Gründe für die Krankheit herauszufinden.

Typische Ursachen für Depressionen bei Kindern

  • Scheidung der Eltern und das anschließende Fehlen eines Elternteils in der Erziehung
  • der Tod eines Familienmitglieds oder einer anderen Bezugsperson des Kindes
  • sehr häufiger Streit zwischen den Eltern
  • körperliche oder seelische Krankheit eines Elternteils
  • Misshandlung oder starke Vernachlässigung
  • traumatisches Erlebnis, zum Beispiel ein schwerer Unfall oder Flucht und Heimatverlust durch Krieg
  • Hochbegabung

Ein Problem besteht allerdings darin, dass Deutschland stark unterversorgt ist mit Kinder- und Jugendpsychiatern. Die Wartezeiten für Termine sind sehr lang. Oft ist der einzige Weg zur professionellen Hilfe die Notaufnahme einer Klinik.

Medikamente allein sind nicht ausreichend

Der Großteil der depressiven Kinder wird ambulant behandelt. In schwereren Fällen und wenn sich die Kinder von häuslichen oder schulischen Problemen erholen sollen, kann aber auch ein Klinikaufenthalt sinnvoll sein, beispielsweise um bei Essstörungen ein gesundes Essverhalten zu trainieren.

Bei stationären Therapien kümmert sich ein Team von Experten aus Ärzten, Psychologen, Sozialarbeitern und Pädagogen um die Kinder. Die verschiedenen Arten der Psychotherapie sollen den Kindern und Jugendlichen helfen, sich selbst besser zu verstehen und besser mit Stress und den eigenen Problemen und Zweifeln umzugehen.

Bei besonders schwer ausgeprägter Depression können Medikamente den Therapieerfolg verbessern. Sie können den Zustand des Patienten stabilisieren, sollten aber auf keinen Fall die einzige Form der Behandlung sein, sondern nur als Teil einer umfassenden Therapie eingesetzt werden.

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