Es ist der Ausgangspunkt der Krise der deutschen Fußball-Nationalmannschaft: die 1:2-Niederlage bei der WM 2022 in Katar nach Führung. Mit Toren der Bundesliga-Spieler Ritsu Doan (SC Freiburg) und Takuma Asano (VfL Bochum/früher VfB Stuttgart) hatte der Außenseiter den Favoriten binnen einer achtminütigen Extremoffensive überrannt, blamiert und damit dessen Vorrunden-Aus eingeleitet.
Wenn sich die zwei Mannschaften am Samstag ( Uhr/RTL) erneut begegnen, sind die Rollen nicht mehr so klar verteilt. Die DFB-Elf sucht weiter nach ihrer einstigen Stärke. Die „Samurai Blue“ aus Japan, die in Katar auch Spanien in der Gruppenphase besiegten und im Achtelfinale unglücklich nach Elfmeterschießen gegen Kroatien ausschieden, treten dagegen zunehmend mit Stolz und Selbstvertrauen auf.
Es gibt sogar immer mehr Expertenstimmen, die in Japan ein Vorbild erkennen. „Ich glaube, Deutschland kann heutzutage einiges von Japan lernen“, sagt etwa Michael Skibbe, der 2002 als rechte Hand des damaligen Teamchefs Rudi Völler mit der deutschen Mannschaft ins WM-Finale einzog und heute den japanischen Erstligisten Sanfrecce Hiroshima trainiert. „Japan spielt aus einer starken Defensive sehr explosiv nach vorne. Deutschland war jahrzehntelang in der Defensive stark, hat hier aber zuletzt nachgelassen.“ Wobei es Deutschland nicht nur an starken Verteidigern mangele.
Die Suche nach einem Sportvorstand beim VfB wird konkreter. Einiges spricht dabei für den Sportdirektor Fabian Wohlgemuth. Doch es gibt auch andere Kandidaten.
Das japanische Ausbildungssystem, das sich im Vergleich zu Deutschland stärker an Schulen und Universitäten ausrichtet als an Vereinen, wirft auch eine große Zahl von kreativen Offensivkräften aus. „Wenn man sich Ritsu Doan ansieht oder Daichi Kamada, das sind taktisch kluge, sehr schnelle, robuste, aggressive Spieler mit richtig gutem Zug zum Tor“, sagt Skibbe. Weitere Spieler von ähnlichem Schlag sind der erst 22-jährige Takefusa Kubo von Real Sociedad und Kaoru Mitoma von Brighton & Hove Albion.
Kozo Tashima, der Präsident von Japans Fußballverband, ließ sich in den 1980er Jahren an der Deutschen Sporthochschule in Köln ausbilden. „Viele Deutsche haben uns in die richtige Richtung gelenkt“, erklärte er vor Kurzem in einem Vortrag. „Der DFB, die Bundesliga und die deutschen Vereine sind Vorbild für den japanischen Fußball. Sie sind das, was wir anstreben.“ Dabei schwang wohl auch die Japan-typische Bescheidenheit mit.
Auf die Frage, ob der japanische Sieg gegen Deutschland bei der WM 2022 eine Überraschung war, antwortet Michael Skibbe: „Eigentlich nicht.“ Und die Spieler wollen mehr. Der Linksaußen Kaoru Mitoma kündete diese Tage an: „Wenn wir Deutschland auch ein zweites Mal besiegen, werden wir der Welt eine neue Sichtweise verpassen.“
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