Die Legende von der anspruchsvollen Generation Y


Fast müsste man sie bemitleiden, die Personalchefs von heute. Da kommen junge Leute zu ihnen, frisch von der Uni, sitzen im Bewerbungsgespräch und fordern, fordern, fordern. Regelmäßige Auszeiten etwa. Ein Home Office. Selbstbestimmte Arbeitszeiten. Volle Flexibilität. Und wenn sie nicht bekommen, was sie wollen, dann ziehen sie eben zum nächsten Chef. Da kann eine Firma schon mal ins Schwitzen kommen.

Superflexibel. Superselbstbewusst. So sind sie angeblich, die jungen Berufseinsteiger zwischen Studienabschluss und erstem Job. Als Generation Y bezeichnen Personalmanager und Unternehmensberater seit einiger Zeit die Vorhut einer neuen Arbeitswelt. Die Ypsiloner wissen, heißt es, was sie wert sind. Sie wollen nicht länger dem Betrieb ihr Leben unterordnen. „Der Wettbewerb um Talente wird härter, und meine Generation ist die erste, die davon profitiert“, schreibt etwa die Journalistin Kerstin Bund in ihrem Buch „Glück schlägt Geld“. Wirklich?

Schön wär’s, wenn die Jungen auf Augenhöhe mit den Personalchefs verhandeln würden. Wenn es wirklich eine Zeitenwende gäbe, eine historische Machtverschiebung von Kapital zu Arbeit.

Leider stimmt nichts an der Geschichte von der Generation Y. Schlimmer noch: Sie ist eine weitere Zumutung für junge Berufstätige, die nun nicht nur mit den Härten der Arbeitswelt, sondern auch mit dieser Legende zu kämpfen haben.

Die Generation Y ist in Wahrheit eine Generation Prekär

Der Berufseinstieg verläuft heute nicht einfacher, sondern schwieriger als früher. Befristete Arbeitsverträge „Umverteilung von Beschäftigungsrisiken hin zu jüngeren Beschäftigten“.

Der Widerspruch scheint den Ypsilon-Theoretikern immerhin nicht ganz entgangen zu sein – nur dass sie ihn kühn zu einem Beleg für ihre These der selbstbewussten Generation umdichten. Jugendforscher Klaus Hurrelmann etwa beschreibt die Ypsiloner als eine Generation der Krise, aufgewachsen in der Zeit zwischen dem Terroranschlag vom 11. September und dem Zusammenbruch des Finanzsystems, herangereift mit dem Gefühl, dass nichts mehr planbar, nichts mehr verlässlich, nichts vorhersehbar ist. „Mit der Ungewissheit groß zu werden, dass völlig offen ist, ob man nach Schule und Ausbildung wirklich einen passablen Job findet, wird zu einer Grunderfahrung“, schreibt er zusammen mit Co-Autor Erik Albrecht in einem Buch über die „heimlichen Revolutionäre“ der Arbeitswelt.

Doch gerade aus der Erfahrung der Instabilität als Dauerzustand würden die Jungen die Souveränität gewinnen, mit der sie ihren Arbeitgebern gegenübertreten – und eben Sabbaticals, Heimarbeit und sonstige Annehmlichkeiten für sich heraushandeln. Die Generation Y habe keinen Plan und sei stolz darauf, schreiben Hurrelmann und Albrecht.

Diese Argumentation ist abenteuerlich unlogisch. Warum sollte ausgerechnet aus einem Leben in Ungewissheit ein neues Selbstbewusstsein entstehen? Und sie ist empirisch nicht zu halten: Laut Robert-Koch-Institut beispielsweise sind prekär Beschäftigte häufiger krank, unzufriedener mit ihrem Leben und anfälliger für psychische Leiden als Normalarbeitnehmer; andere Studien weisen in eine ähnliche Richtung.

Der Soziologe Pierre Bourdieu hatte vor Jahren analysiert, wie die Prekarisierung jedes Aufbegehren erstickt. „Indem sie die Zukunft überhaupt im Ungewissen lässt, verwehrt sie den Betroffenen vor allem jenes Mindestmaß an Hoffnung und Glauben an die Zukunft, das für eine vor allem kollektive Auflehnung gegen eine noch so unerträgliche Gegenwart notwendig ist“, schrieb er.

Etwas weniger sperrig: Selbst für die Proletarier des Industriezeitalters waren die Voraussetzungen im Kampf um bessere Arbeit günstiger als für junge Berufstätige, die sich mit Minijobs, Werk- und Zeitverträgen durchschlagen müssen und nie wirklich wissen, wie und wo es weitergeht.

Die Legende von der Generation Y deutet raue Bedingungen in etwas um, was junge Arbeitnehmer sich angeblich selbst wünschen: Ein mieser Vertrag erscheint dann als einer, der in Wahrheit nur die eigenen Bedürfnisse nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung vorwegnimmt. Wer es trotzdem anders empfindet, gerät unter Rechtfertigungsdruck. Da nimmt man doch lieber augenzwinkernd hin, dass die Arbeitswelt eben nicht so ist wie damals bei den Eltern, aber irgendwie ganz kommod. Laut zu klagen würde nicht zum hippen, selbstbestimmten Generationenporträt passen, das Bücher und Zeitschriften jetzt so gerne zeichnen.

Anpassung statt Veränderung

Die Y-Legende empfiehlt die Anpassung an die Verhältnisse – die man stattdessen auch ändern könnte. Denn warum werden Werkverträge nicht einfach eingedämmt? Warum werden Mini-Jobs immer noch staatlich subventioniert? Und warum erlaubt das Zeitvertragsgesetz sogar Befristungen, für die es keinerlei Sachgrund gibt? Es könnte durchaus anders sein, nur dafür müsste man es erst einmal klar als Problem anerkennen.

Das ist das eigentlich Hinterhältige am Loblied auf die Generation Y: Auf den ersten Blick wirkt es wie eine Bestärkung für eine neue Riege junger, selbstbestimmter Arbeitnehmer, die um ihren Wert weiß und dafür eintritt, die Veränderung als ihre Chance begreift. In Wirklichkeit dient es nur den Interessen der Arbeitgeber an einem flexibel nutzbaren Arbeitskräftematerial, das nicht mehr zu jammern wagt.

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