Die Zwinglipasshütte – mit der Solidarität geht es bergauf


Weit oben fern des Alltagstrubels steht die Zwinglipasshütte. Ein Gebäude aus Stein und Holz, alt und modern zugleich. Im Nordwesten ragen die steilen Kalkwände des Altmanns in die Höhe, die majestätisch das Panorama dominieren. Die Gegend um den Zwinglipass an der Grenze zwischen den Kantonen Appenzell Innerrhoden und St. Gallen ist von mehreren Schneefeldern gesäumt, die die von Wind und Wetter geschliffenen Steine und das braune Alpingras überdecken. Draußen ist es dunkel, drinnen brennt noch Licht. Das Hüttenteam verpflegt sich nach einem anstrengenden Tag in der Gästestube mit einer Suppe. Die Lampen und die hellen Holzwände machen den Raum heimelig. Die Zwinglipasshütte ist eine von rund 153 Berghütten des Schweizer Alpenclubs (SAC), dem größten Bergsportverband der Schweiz. Sie thront auf 2000 Meter über Meer am Rande eines kleinen Hochplateaus, die Aussicht ins Tal ist atemberaubend.
Manfred Weber, den hier oben alle nur „Mani“ nennen, hat braune Haare und ist einer von vielen Freiwilligen, die die Hütte betreiben. Sie verdienen dabei nichts: „Wir machen das aus purer Freude und nicht wegen dem Geld“, meint Mani. Bezahlen müssen die Gäste während ihres Aufenthalts lediglich Konsumgüter und die Halbpension fürs Übernachten. Das ist speziell: Häufig wird das Hüttenteam nämlich für seine Arbeit bezahlt. Nicht so hier: Vom Geld, das über die Theke geht, stecken sich die Freiwilligen keinen Cent ein. Mani, Jahrgang 1974, ist gelernter Elektroniker und seit mehr als 30 Jahren regelmäßig auf der Hütte. Er hat sowohl den Anbau der Terrasse in den 90ern als auch die Renovierung vor sechs Jahren miterlebt. Das Hüttenfieber hat ihn nicht mehr losgelassen: Beim Erzählen strahlt er bis über beide Ohren. Er kennt zu jedem Winkel eine kleine Anekdote.

Was mit dem Heli entsorgt wird

Der Bau der Hütte in den Jahren 1969/70 glich einem Abenteuer: Mit Pickel und Schaufel gruben sich die Arbeiter in das unwegsame Gelände. Mani zeigt auf ein nahes, steil abfallendes Steinfeld: „Etwa so hat dieser Ort ausgesehen, bevor die Hütte errichtet wurde.“ Alles Material für den Bau stammt aus der Region: die Steine, das Holz, der Putz. Die Arbeiter mussten das gesamte Material die 900 Höhenmeter von Wildhaus auf den Berg hochschleppen. Heute müsste man nicht mehr alles mühsam den Hang hochbuckeln: Der Helikopter hat diese Arbeit übernommen. Doch auf der Zwinglipasshütte kommt er sehr selten zum Einsatz: „Wir haben nur zwei bis drei Flüge pro Jahr, welche unersetzbar sind, zum Beispiel um die Exkremente zu entsorgen. Alles andere tragen wir und unsere Helfer selbst hoch.“ Damit meint Mani die acht Tonnen Material, die jede Saison benötigt werden. Deshalb gibt es die „Hötteträgete“ am letzten Juniwochenende. „Bei der Hötteträgete können alle kommen, welche uns unterstützen möchten. Die einen nehmen kilogrammweise Teigwaren oder einen Stapel Brennholz mit auf die Hütte, andere nur eine Flasche Wein, aber alle helfen mit und tragen etwas Wundervolles zur Hütte bei. Bei uns geht es nicht ums Geld, sondern um die Solidarität.“ Solidarität scheint für Mani höchste Priorität zu haben. „Am Schluss müssen die Menschen zusammenleben können.“ Auf der Hütte seien alle willkommen. Ab und zu kämen auch Höhlenforscher. Er öffnet eine Tür im Keller, hinter der sich viele Kletterseile verbergen. Denn unweit der Hütte befindet sich ein Höhleneingang zu einem weitverzweigten System von Gängen und Stollen, die den Alpstein durchziehen. In den vergangenen Jahren wurden intensive Forschungen an der Schneehöhle oder der Schachthöhle Z7 angestellt, die bis heute andauern. Auf der Hütte gibt es für die Forscher einen Lagerraum.

Strom vom hauseigenen Solarkraftwerk

Was im Keller ebenfalls auffällt, sind die Gestelle voller Holz, die bis zur Decke mit Scheiten gefüllt sind. Das Brennholz wird für das Anfeuern des Ofens benutzt, auf dessen Herd gekocht wird. Jeder weiß, was zu tun ist. Damit das Essen rechtzeitig auf dem Tisch steht, müssen alle Abläufe sitzen. Das sei zu Beginn schwierig, erzählt Mani, denn jedes Freiwilligenteam funktioniere anders. Besondere Priorität hat die Klimaeffizienz der Hütte. So stammt der Strom aus der Steckdose vom hauseigenen Solarkraftwerk. In den Batterien lassen sich gut 48 Volt speichern. Durch einen Wechselrichter wird diese Energie dann zu Wechselstrom umgewandelt, der fast einschränkungslos genutzt werden kann. „Gleichzeitig staubsaugen und waschen funktioniert allerdings nicht so gut, da sagt die Sicherung schnell mal ‚Auf Wiedersehen‘“, scherzt Mani. Das Regenwasser wird durch ein System aus Röhren und Filtern bis annähernd Trinkwasserqualität gereinigt.Stolz ist Mani auf die Holztreppe, die dem SAC Toggenburg, der für die Hütte zuständigen Sektion, geschenkt wurde: „Früher musste man eine sehr steile Treppenleiter benutzen, um die Stockwerke zu wechseln. Da fiel schon einmal der eine oder andere Gast hinunter. Mit der neuen Treppe haben wir dieses Problem nicht mehr – und zudem erst noch mehr Platz.“ Noch vor wenigen Stunden war die Gästestube prall voll. Die meisten Gäste schlafen nun bereits, denn Frühstück gibt es zeitig. Mani wird um sechs oder früher aufstehen, um aufzutischen. Auch wenn es manchmal stressig werden kann, sieht er es gelassen: „Ich erlebe hier oben jeden Tag viele neue Begegnungen, und es gibt auch ruhige Momente.“ Ist es schwierig, Freiwillige zu finden? Er schmunzelt. „Nein, das ist kein Problem. Wir haben eher zu viele.“

Sie können mehr von den nachrichten auf lesen quelle

Weer

Weather Icon
background