Ein Ökobauer zwischen Idylle und Überlebenskampf

Ein Ökobauer zwischen Idylle und Überlebenskampf

Frida steht auf einer saftig grünen Wiese. Zufrieden kaut sie das Gras. Nichts scheint sie aus der Ruhe zu bringen. Weder die vielen Spaziergänger, die trotz des bewölkten Wetters unterwegs sind, noch die Fliege, die um ihr Ohr summt. Frida lebt auf dem Talacherhof, einem Bauernhof mit ökologischem Leistungsnachweis (ÖLN) in Illnau im Zürcher Oberland. ÖLN bedeutet, dass der Bauer nach den Vorschriften des Labels produziert, was einen Mindeststandard für die umweltgerechte Landwirtschaft in der Schweiz garantiert. Der Talacherhof bietet seinen Kälbchen, Rindern und Kühen einen großen Auslauf und unterhält zudem einen Hofladen zur regionalen Verpflegung, eine Hofbeiz sowie einen Spielplatz für die jungen Besucherinnen und Besucher. Das Sortiment im Hofladen reicht von unterschiedlichen Beerensorten über Kartoffeln und Kürbisse bis hin zu Milch. Die hauptsächlich selbst angebauten und hergestellten Produkte sind stets frisch. Besonders bekannt ist der Bauernhof für seine köstlichen, selbst gemachten Glaces in verschiedensten Geschmacksrichtungen. Täglich erscheinen zahlreiche Leute, auch von auswärts, und kaufen die frischen Produkte aus dem Hofladen.

Unter Druck von verschiedenen Seiten

Alles gut, könnte man meinen. Doch der Talacherhof hat schon bessere Zeiten erlebt. „Der Wind hat sich in den letzten Jahren gedreht“, sagt Thomas Vollenweider, Betriebsleiter des Hofs und operativer Kopf des Familienbetriebs. Früher seien die Bauern die Helden gewesen, die ihre Familien mit Nahrung versorgten. Heute würden sie als „Sündenböcke“, „Umweltverschmutzer“ und „geldgierig“ gelten. Auf dem Weg von der Werkstatt zur Kuhweide sind in der Scheune Tausende Kartoffeln zu sehen. Der Geruch des Heus, das nebenan von den im Stall gebliebenen Kühen verzehrt wird, steigt in die Nase. Thomas Vollenweider steht unter Druck von verschiedenen Seiten. Die Vorgaben für die Agrarwirtschaft sind vielschichtig und widersprechen sich zum Teil. Einerseits müssen Landwirte ökonomisch produzieren, andererseits so umweltfreundlich wie möglich agieren. Zudem müssen sie in der Lage sein, der ausländischen Konkurrenz mit ihren zum Teil billigen Importwaren Paroli bieten zu können. Alle diese Anforderungen zu erfüllen und am Ende des Tages noch grüne Zahlen schreiben zu können wäre ohne Direktzahlungen des Bundes unmöglich. Die Ausgaben des Bundes für die Landwirtschaft lagen in den vergangenen Jahren bei rund 3,6 Milliarden im Jahr. Dies ist ein exorbitant hoher Betrag, und nicht zuletzt deswegen steht die Landwirtschaft in der Bevölkerung zunehmend in der Kritik. „Diese Direktzahlungen bedeuten für mich aber keinesfalls, dass ich mir einen 13. Monatslohn oder Ferien in Italien leisten könnte. Die Direktzahlungen ermöglichen es mir, dass ich mir einen Traktor vielleicht zwei Jahre früher kaufen kann und es für mich finanzierbar ist, eine alte Maschine in die Reparatur zu bringen“, sagt Vollenweider.

Die meisten entscheiden sich für billiges Fleisch

Als der Milchpreis im Jahr 2016 zusammenbrach und ein Bauer an einem Liter Milch so gut wie nichts mehr verdiente, versuchte die Familie Vollenweider, die Milch etwas wertvoller zu verkaufen. Sie begann aus ihrer Milch Eis herzustellen. Heute ist das Eis bereits in der Altstadt von Zürich zu finden und überall ein großer Renner. „Ich bekomme oft Komplimente für mein Eis, und jedes einzelne freut mich aufs Neue“, sagt Vollenweider. Bei der Kuhweide nähern sich zwei Mädchen dem Weidezaun, während sie an einem Eis schlecken. Sie haben offenbar Fridas Interesse geweckt, denn die hübsche Kuh läuft zielstrebig auf die Mädchen zu, ohne zu merken, dass etliche Rinder und Kälbchen ebenfalls herangeeilt kommen. Manche sind so unsicher auf den Beinen, dass sie umzufallen drohen. Als Frida noch näher auf die Mädchen zugeht, rennen diese leicht panisch davon. Mädchen wie die beiden seien die Zielgruppe von morgen, sagt Vollenweider schmunzelnd. „Die jungen Menschen heute haben einen sehr ausgeprägten Sinn für die Umwelt. Alles muss ökologisch produziert werden, Dünger und sonstige Schadstoffe sind tabu, Tiere sollten draußen auf der grünen Wiese herumtollen dürfen, und Massentierhaltung ist ein No-Go.“ Das Problem sei, dass sich diese ökologische Grundhaltung zwar leicht in den Köpfen niederschlage, sich der große Teil der Bevölkerung aber für die billigere Fleischvariante entscheide, wenn er im Supermarkt vor dem Regal stehe und es um das Geld gehe. Dieses Verhalten findet Vollenweider widersprüchlich und für die Bauern besonders herausfordernd.

Der Schweizer wünscht sich deutlich mehr Aufklärung der Bevölkerung durch die Politik und auch durch die Landwirte selbst. Es sei enorm wichtig, dass den Konsumentinnen und Konsumenten immer wieder vor Augen gehalten werde, dass allein ihr Konsumverhalten über das Angebot entscheide. Wer ökologisch denke, sollte nach ökologischen Gesichtspunkten einkaufen und dafür auch bereit sein, etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Ökologie sei nicht gratis. Frida und die braunen Kälbchen und Rinder ziehen ab Richtung Stall. Nicht ahnend, dass sie vermutlich großes Glück haben, ihr Leben auf dem Talacherhof verbringen zu dürfen.

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