Die Regierung hat genug. Nach dem Ausbruch des „Offenen Krieges“ zwischen den Fußball-Weltmeisterinnen und dem spanischen Verband RFEF hat Madrid den endlosen Streit mit seinen immer neuen Eskalationsstufen zur Staatssache erklärt. Die dabei ausgesprochene Androhung von Strafen zeigte offenbar Wirkung – am Dienstagvormittag erschienen erste Spielerinnen beim Treffpunkt des Nationalteams.
„Wenn sie nicht kommen, müsste die Regierung das Gesetz anwenden. Wir wollen sie nicht sanktionieren, aber das Gesetz ist nunmal das Gesetz“, hatte zuvor Victor Francos gesagt, der dem Chaos als Präsident der obersten Sportbehörde CSD ein Ende setzen will: „Die Regierung hat die Pflicht, einzugreifen. Wir werden alles tun, um das Problem zu lösen.“
Der Begriff „Problem“ reicht mittlerweile aber längst nicht mehr aus, um die Lage zu beschreiben. Schließlich sieht das spanische Sportgesetz seit 2022 Geldstrafen zwischen 3000 und Euro sowie Sperren bis zu fünf Jahren für Nominierte vor, die nicht antreten. Während die Zeitung AS auf ihrer Titelseite deshalb einen „Offenen Krieg“ erkannt hat, ist die Konkurrenz von Sport nur noch genervt von der Auseinandersetzung, die den Spanierinnen die Olympia-Teilnahme kosten könnte: „Genug jetzt!“
Der Kuss-Skandal im spanischen Fußball zieht groteske Kreise. Erst verkündet die neue Nationaltrainerin Tomé das Ende des Länderspiel-Streiks der Spielerinnen – dann vermelden diese das Gegenteil.
Diese Aufforderung scheint nach den jüngsten Entwicklungen allerdings nicht mehr als ein frommer Wunsch zu sein. Nachdem die neue Nationaltrainer Montse Tome 15 WM-Heldinnen von Sydney in den Kader für die kommenden Nations-League-Spiele berufen und von einer zuvor erfolgten Einigung mit den eigentlich streikenden Spielerinnen berichtet hatte, wollten diese davon nichts wissen.
Die Spielerinnen um die zweimalige Weltfußballerin Alexia Putellas erklärten, dass sie sich weiter im Ausstand befinden und drohten ihrerseits dem Verband mit rechtlichen Schritten.
WM-Siegtorschützin Olga Carmona im Mannschaftshotel in Madrid
Die weitere Entwicklung blieb zunächst offen. Umlagert von Dutzenden Kamerateams erschien zunächst Tome am Dienstag im Teamhotel in Madrid. Danach trafen sechs Spielerinnen ein, von denen sich fünf eigentlich im Streik befinden. Darunter auch Olga Carmona, die Schützin des Siegtores im WM-Finale gegen England (1:0). Weitere Spielerinnen wurden laut spanischen Medien im Laufe des Tages im zweiten Teamquartier in Valencia erwartet.
Öl ins Feuer goss zuvor die Protagonistin des Streits. „Die Spielerinnen sind sich sicher, dass dies eine weitere Strategie der Spaltung und Manipulation ist, um uns einzuschüchtern, mit rechtlichen Konsequenzen und finanziellen Strafen zu drohen“, schrieb Jenni Hermoso bei X.
Hermoso selbst fehlt in dem Aufgebot, laut Verband zu ihrem eigenen Schutz. Die 33-Jährige war nach dem WM-Finale bei der Siegerehrung von dem mittlerweile zurückgetretenen spanischen Verbandspräsidenten Luis Rubiales ohne ihre Zustimmung auf den Mund geküsst worden.
Rücktritt von Rubiales geht Spielerinnen nicht weit genug
„Wovor soll ich geschützt werden? Und vor wem?“, schrieb Hermoso. Die Nominierung der Spielerinnen, die ausdrücklich darum gebeten hatten, nicht berufen zu werden, sei nun „ein weiterer Beweis dafür, dass sich nichts geändert“ habe. Damit machte Hermoso noch einmal klar, dass der Rücktritt von Rubiales und die Entlassung von Weltmeister-Trainer Jorge Vilda den Spielerinnen nicht weit genug gehen.
Auch vor Gericht streitet der frühere spanische Fußball-Verbandschef Luis Rubiales die Vorwürfe ab. Der Richter verhängt am Freitag erste Maßnahmen: Rubiales darf sich der Spielerin Jennifer Hermoso nur bis auf höchstens 200 Meter nähern.
Sicher ist: Spanien trifft in der Nations League am Freitag auf Schweden und am Dienstag auf die Schweiz. In der Nations League geht es um die zwei europäischen Startplätze für die Olympischen Sommerspiele 2024, auch Weltmeister Spanien muss sich qualifizieren – wenn er denn antritt.
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