„Ganz schwer auszuhalten“: Schiedsrichter Felix Zwayer denkt übers Aufhören nach


Berlin

Der Fall des kritisierten Schiedsrichters Felix Zwayer belastet den DFB und gleicht einem gordischen Knoten, bei dem niemand weiß, wie er zu durchschlagen ist. Der Berliner schwankt zwischen aufhören und weitermachen.

Spitzenschiedsrichter Felix Zwayer denkt über ein Karriereende nach – einen Weg aus seinem Dilemma zeigt ihm im deutschen Fußball derzeit auch niemand auf. Der 40 Jahre alte Berliner, der von seiner Rolle im Wett- und Manipulationsskandal um Robert Hoyzer eingeholt worden ist, hat sich tief getroffen von Anfeindungen erstmals öffentlich geäußert. Ob er nochmal in einem großen Stadion pfeifen wird, erscheint danach fraglich.

„Ich habe vor mir einen Raum, der hat zwei Türen. Der eine Weg führt mich zurück auf den Fußballplatz, und der andere Weg führt mich in ein ganz tolles, erfülltes Privatleben ohne diese Öffentlichkeit, ohne diesen Druck, ohne diesen Stress“, sagte Zwayer in einem Interview bei Sky. „Ich erarbeite mir gerade den Weg. Ich werde völlig frei von zeitlichem Druck, von inhaltlichem Druck, von finanziellem Druck entscheiden können. Darüber bin ich sehr froh.“

In dem Beitrag der Serie „Meine Geschichte“ erzählt Zwayer in leisen Worten von Beleidigungen in den sozialen Netzwerken und von einer Morddrohung, über die ihn die Polizei benachrichtigt hat. „Ich bin belastet. Mental und psychisch“, sagte der Immobilienkaufmann und Vater zweier kleiner Töchter, der derzeit Urlaub von der Schiedsrichter-Tätigkeit genommen hat. Die Situation sei „schwer auszuhalten, ganz schwer auszuhalten“.

Zwayer spricht ausführlich über die Geschichte, die ihn seit vielen Jahren begleitet und zuletzt für eine Eskalation sorgte. Der Referee, der einst mit seinen Aussagen den Skandal um Hoyzer mit aufklärte, soll von dem später zu einer Haftstrafe verurteilten Protagonisten 300 Euro angenommen haben. Manipulation wurde ihm nicht nachgewiesen. Das DFB-Sportgericht sperrte ihn für ein halbes Jahr, machte das Urteil aber merkwürdigerweise – kurz vor der WM 2006 im eigenen Land – nicht öffentlich.

Zwayer bestreitet bis heute, Geld von Hoyzer genommen zu haben, wehrte sich aber damals auch nicht gegen das Urteil, weil er wieder pfeifen durfte. Und weil es ihm bis heute „aussichtslos erscheint, diesen Vorwurf wirklich ausräumen zu können“.

In der Fußballszene war das alles sehr wohl bekannt und auch ab und zu thematisiert worden, auch international: Zwayer ist schließlich UEFA-Referee, FIFA-Referee und war bei der WM 2018 in Russland Video-Assistent. „Wer einmal Geld angenommen und Hoyzers Manipulation ein halbes Jahr verschwiegen hat, sollte keinen Profifußball pfeifen“, kritisierte sein Unparteiischen-Kollege Manuel Gräfe, bei dem Zwayer zu Karrierebeginn als Assistent an der Linie stand, vergangenen Juli in einem Interview des „Zeitmagazin“.

Erneut eskaliert war das Ganze nach dem Bundesliga-Spitzenspiel zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern München (2:3) Anfang Dezember vergangenen Jahres. BVB-Mittelfeldspieler Jude Bellingham attackierte Zwayer verbal: „Man gibt einem Schiedsrichter, der schon mal ein Spiel verschoben hat, das größte Spiel. Was soll man da erwarten?“

Der 18 Jahre alte Profi, der Zwayer damit indirekt Bestechlichkeit vorwarf, wurde deshalb mit einer Geldstrafe von 40 000 Euro belegt. „Ich möchte gerne insbesondere mit Jude Bellingham mich austauschen zu diesem Thema“, sagte Zwayer nun und erneuerte damit sein Gesprächsangebot. Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke kündigte am Samstag bei Sky an, Zwayer anzurufen. „Jetzt, wo das offensichtlich bei ihm auch ein bisschen tiefere Wirkung gezeigt hat, denke ich, dass wir mal direkt zum Hörer greifen. Es muss alles passen. Aber ich habe kein Problem, den ersten Schritt zu gehen.“

Die Causa Zwayer ist aber längst viel mehr als ein Streit zwischen Borussia Dortmund und dem Referee – sondern auch eine Belastung für den Verband. DFB-Schiedsrichter-Boss Lutz Michael Fröhlich hofft, dass der Spielleiter vom SC Charlottenburg ein Comeback gibt. „Wir wünschen uns und würden uns freuen, wenn Felix Zwayer uns und dem Fußball als Schiedsrichter erhalten bleibt“, wird der 64-Jährige auf der Website des DFB zitiert. Fröhlich stellte aber auch klar: „Wir unterstützen ihn nach besten Kräften, unabhängig davon, ob er sich für die Fortsetzung seiner Karriere als Schiedsrichter oder dagegen entscheidet.“

Zwayer pausiert, „weil ich mich aktuell der Verantwortung, ein Bundesligaspiel zu leiten, nicht stellen kann“. Fröhlich hatte zuletzt auch geäußert, man müsste „diese Geschichte rund um die Robert-Hoyzer-Affäre irgendwann mal aufklären“. Doch das wird juristisch nicht möglich sein. „Der Fall ist rechtskräftig abgeschlossen und es gibt keinen Grund, das Verfahren wieder aufzurollen“, sagte der heutige DFB-Sportgerichts-Vorsitzende Hans E. Lorenz der Deutschen Presse-Agentur.

Mit öffentlichen Äußerungen über die Zukunft Zwayers halten sich die meisten Beteiligten zurück. Die einen äußern Mitleid mit ihm, der seit vielen Jahren diesen „Rucksack“ mit sich herumschleppen muss und sehen in Gräfes Kritik einen Rachefeldzug, weil Zwayer auf der Karriereleiter irgendwann an ihm vorbei geklettert ist.

Die anderen sagen, dass der Fußball so schnelllebig ist, dass Zwayer wieder zurück in ein Bundesliga-Stadion kann, wenn etwas Gras über die Sache gewachsen ist. Einig sind sich alle, dass Zwayers internationaler Status massiv gelitten habe: FIFA-Schiedsrichter-Boss Pierluigi Collina, der ehemalige Topreferee aus Italien, ist über alles informiert – und hat keine Lust, Vorfälle wie mit Bellingham bei großen Fußballspielen zu erleben.

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