Gehälter Deckel drauf und alles wird gut? LeBron James, Aaron Rodgers und Sidney Crosby (von links) zählen zu den Stars der drei US-Profiligen NBA, NFL und NHL mit Gehaltsgrenzen.
In der Football-Profiliga NFL läuft in den USA gerade die Saison an. Wie im Basketball (NBA) und Eishockey (NHL) gibt es eine sogenannte Salary Cap. Die Rufe nach einer Gehaltsobergrenze werden nach den jüngsten Auswüchsen auch im Fußball wieder lauter.
Stuttgart – Die Tage seit dem Neymar-Wechsel nach Paris waren Tage des Donners im Fußball – die Transferhämmer hallen noch immer nach. 222 Millionen Euro für einen einzigen Spieler, wo soll das noch hinführen? Wie lassen sich die explodierenden Summen für Ablösen und Gehälter eindämmen, wie lässt sich der Irrsinn stoppen?
Das Wort Salary Cap ist seitdem wieder in aller Munde. Gehaltsobergrenze. Wie in den US-Profiligen. Mehr Chancengleichheit, mehr Gerechtigkeit, weniger Seriensieger. Ein Mittel gegen das Wettrüsten. In einer Forsa-Umfrage in Deutschland sprachen sich 73 Prozent der Befragten für eine Salary Cap im Fußball aus.
Fußballfunktionäre liebäugeln mit einer Obergrenze
Der Wirtschaftswissenschaftler Bernd Frick (58) und der Rechtswissenschaftler Peter W. Heermann (56) beschäftigen sich seit vielen Jahren im Rahmen ihrer Studien intensiv mit dem Thema. Und sie sind „irritiert“, wie sie unabhängig voneinander unisono sagen, dass führende Fußballfunktionäre wie Karl-Heinz Rummenigge, Chef des deutschen Dauermeisters FC Bayern München sowie bis vor wenigen Tagen Vorsitzender der Europäischen Clubvereinigung ECA, und Aleksander Ceferin, Boss des europäischen Verbandes Uefa, in Interviews nun mit der Einführung einer Salary Cap liebäugeln.
„Mein Eindruck ist: Das Thema kommt immer auf, wenn der geneigte Fußballfan ruhig gestellt werden muss, nach dem Motto: Seht, wir tun was gegen die eskalierenden Gehälter“, sagt Bernd Frick, der an der Universität Paderborn und der Privatuniversität Schloss Seeburg in der Nähe von Salzburg doziert. Und Peter W. Heermann, der an der Universität Bayreuth lehrt, befindet: „Die Salary Cap ist nur ein kleiner Baustein im System des US-Ligasports, sie können nicht einfach ein Rädchen aus dem komplexen Umverteilungsgetriebe in den USA nehmen und hier einführen, das funktioniert nicht.“
Die oberste Maxime im US-Sport lautet „Competitive Balance“ – Chancengleichheit. Ein Monopol, so die Annahme, zerstört den Wettbewerb und schadet damit der ganzen Liga. Die sportliche Unvorhersehbarkeit, die der legendäre Bundestrainer Sepp Herberger einst zur Stärke seines Lieblingssports erklärte („Die Leute gehen zum Fußball, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht“), wird betont. Die Meistertitel in diesem Jahrtausend beispielsweise verteilen sich in den US-Profiligen auf viel mehr Teams als in der Fußball-Bundesliga.
US-Ligen setzten auf gemeinschaftliche Gewinn-Maximierung
Um die sportliche Ausgewogenheit herzustellen, werden in Amerika weitgehend gleiche wirtschaftliche Voraussetzungen geschaffen. Ein erheblicher Teil der Ligaeinnahmen wird in einen Topf gepackt und paritätisch aufgeteilt. Es klingt nach Sozialismus, ist aber auch eine Form des Kapitalismus; dahinter steckt eine gemeinschaftliche Gewinn-Maximierung der Liga.
In der NFL (Football), NBA (Basketball) und NHL (Eishockey) begrenzt eine Salary Cap – ein Gehaltsdeckel – die Ausgaben für Spielersaläre. Damit soll verhindert werden, dass finanzstarke Teams aus den großen Märkten wie New York ihre Standortvorteile dazu nutzen können, die besten Spieler zusammenzuholen (wobei es besonders in der NBA Schlupflöcher gibt).
Neben der Salary Cap, und das ist ist ein entscheidender Punkt in der Debatte, gibt es jedoch noch weitere Instrumente zur Schaffung der Chancengleichheit. Zuvorderst den sogenannten Draft: In der Saisonpause werden jedes Jahr die Talente vom College verteilt, wobei die schlechteste Mannschaft der vorigen Saison das erste Zugriffsrecht hat (und die beste das letzte). Die Nachwuchskräfte sind nicht frei verfügbar. Es gibt keine Ablösesummen, keinen Bieterwettbewerb. Wechsel laufen über Tauschgeschäfte: Spieler werden für andere Spieler oder Draftrechte verdealt.
Das Modell passt nicht für Europa
Das US-Modell lässt sich nicht einfach so auf Europa übertragen. In den USA bilden bis zu 32 Teams als Einzelunternehmen (Franchises) einen freiwilligen Zusammenschluss. Dieser schließt einen Tarifvertrag mit der Spielergewerkschaft, in dem der finanzielle Rahmen geregelt wird. Im europäischen Fußball gibt es mehr als 50 erste Ligen mit bis zu 20 Teams, was die Kontrollkosten bei der Einführung einer Salary Cap immens machen würde. Zumal diese unter den jetzigen Rahmenbedingungen nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) kartellrechtswidrig wäre.
„Die DFL will sich an dieser Diskussion nicht beteiligen“, sagt ein DFL-Sprecher auf Anfrage zum Thema Salary Cap. Sie hat diese auch nicht nötig. „Ohne Blumen verteilen zu wollen: Die Bundesligisten machen es vor, wie man Gehaltsexplosion entgegentreten kann, sie haben eine gute Gehaltsdisziplin“, sagt Bernd Frick. In Spanien hingegen gebe es Vereine, die mehr für Spielergehälter ausgeben als sie überhaupt einnehmen. „Da wird kollektive Insolvenzverschleppung betrieben. Mindestens 35 Prozent der 40 Clubs aus der ersten und zweiten Liga wären nach deutschem Recht insolvent.“
„Die Uefa ist ein zahnloser Tiger“
Zur Überwachung der Vereinsfinanzen gibt es seit 2013 das „Financial Fairplay“ der Uefa. Gemäß diesem Reglement müssen die Einnahmen und die Ausgaben in einem Zeitraum von drei Jahren mindestens ausgeglichen sein, nicht mehr als 30 Millionen Euro dürfen durch private Geldgeber oder Investoren ausgeglichen werden. Es scheint als Regulierungsmechanismus jedoch nicht zu greifen. Der Neymar-Transfer vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain nutzte ein Schlupfloch: Der Brasilianer soll über einen Sponsorenvertrag 300 Millionen Euro bekommen haben, mit denen er die Ablöse gezahlt hat und nicht der Club. Ein Bauerntrick. „Die Uefa ist ein zahnloser Tiger“, sagt Frick. „Sie wird jetzt ein paar Wochen die Presse bedienen, was sie nicht alles versucht, um dann festzustellen, Paris Saint-Germain zur Champions League zulassen zu müssen.“
Immerhin hat der Uefa-Chef Aleksander Ceferin die Schwächen des Financial Fairplay erkannt und will nachbessern. „Auf die Lücke, die Neymar mit seinen Beratern genutzt hat, habe ich schon vor Jahren in einem Aufsatz hingewiesen“, sagt Peter W. Heermann. „Und was mich auch irritiert: Eine Salary Cap hätte die hohe Ablöse doch auch nicht verhindert. Das ist kein Allheilmittel.“
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