Jugendstil oder Jugendwahn in der Formel 1?

17-Jähriger bei Toro-RossoJugendstil oder Jugendwahn in der Formel 1?

Zwei Formel-1-Stars und ein Sternchen: Ex-Weltmeister Sebastian Vettel, der aktuelle Champion Lewis Hamilton und Talent Max Verstappen (v. l.) Foto: dpa

Melbourne – Verkehrskindergarten. Niki Lauda verpackt seine Meinung nicht in Floskeln. Dieses Wort benutzt die Formel-1-Legende gern, wenn sie gefragt wird, was ein Niki Lauda davon hält, dass die Debütanten immer jünger werden. Max Verstappen, der nun in die erste Formel-1-Saison als Stammpilot geht, wird erst im Oktober 18 Jahre alt – doch er darf schon einen Toro Rosso pilotieren, in dem Technik für mehrere Millionen Euro steckt.

Als Mini-Max zum ersten Mal einen Grand-Prix-Boliden bewegte, endete die Showfahrt in Rotterdam in einer Barriere. Der Saisonauftakt in Melbourne an diesem Sonntag (6 Uhr/RTL) wird das fünfte Formel-1-Rennen des Niederländers; vergangene Saison ersetzte er Jean-Eric Vergne für die letzten vier Großen Preise. „Wir haben ihn Schritt für Schritt vorbereitet“, sagt Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost.

Der Jugendstil erobert die Formel 1, oder handelt es sich um Jugendwahn? Wann ist einer zu jung für ein Auto, das Tempo 350 schafft und in vier Sekunden von null auf 200 beschleunigt? Als Kimi Räikkönen 2001 sein Debüt in der Königsklasse gab, war er schon 21 – aber manche Motorsport-Urgesteine fürchteten um den Ruf der Serie und die Sicherheit aller Beteiligten. 2007 wurde der Finne Weltmeister.

Sebastian Vettel war in diesem Jahr knapp 20, als er als BMW-Testpilot erstmals an einem Grand Prix teilnehmen durfte, Fernando Alonso war 19 bei seiner Premiere 2001. Beide zählen heute zu den verehrten und geachteten Stars, die Namen der vielen gescheiterten Rennküken sind vergessen. Jaime Alguersuari, Esteban Tueros, Scott Speed, Ricardo Rodriguez . . .

„Ich will alle Rekorde brechen“, sagt Max Verstappen, „die meisten Siege, die meisten Titel. Ich bin nicht beunruhigt, in welchem Alter ich dies tue.“ Für einen 17-Jährigen nimmt der Sohn des Ex-Rennfahrers Jos („the boss“) Verstappen den Mund recht voll, doch er genießt das Vorrecht der Jugend, weder Respekt noch Angst zu zeigen.

Franz Tost traut ihm diesen Weg durchaus zu, die nötigen Ansätze sind vorhanden. Der Österreicher kann erklären, warum der Nachwuchs immer früher in die Cockpits drängt. „Ihr Fertigkeitsniveau ist sehr hoch“, sagt der Toro-Rosso-Teamchef, „sie beherrschen die nötigen Techniken, kennen sich in Telemetrie aus, sie sind es gewöhnt, viele Knöpfe zu drücken.“ Generation Playstation. Die Förderprogramme der Rennställe setzen immer früher ein, Talente werden durch die gezielte und umfassende Ausbildung folglich schneller (Grand-Prix-)reif.

Wirklich? Jacques Villeneuve bezweifelt dies. Der Kanadier, Weltmeister 1997 und ein Kerl, der es als Ehre empfindet, ausreichend Feinde zu haben, meint: „Man sollte ein Mann sein, bevor man es in die Formel 1 schafft – sie ist die Spitze, sie ist nicht der Ort, an dem man lernen sollte und Fehler machen darf.“ Der Kanadier sorgt sich um das, was junge Menschen nicht im Überfluss besitzen: Erfahrung.

Villeneuve, und damit steht er nicht alleine, befürchtet, dass junge Piloten eher falsch reagieren könnten, wenn sie in eine kritische Situation geraten. Das will auch Franz Tost nicht in Abrede stellen. „Es geht nicht nur um den Speed“, räumt er ein, „sondern auch um Reife und die Fähigkeit, mit gewissen Situationen umgehen zu können.“ Doch manche Fertigkeiten und Fähigkeiten kann selbst der beste Ausbilder nicht lehren – man muss im Cockpit ausprobieren, in welche Richtung die Nadel ausschlägt: Hero oder Zero, Held oder Null.

„Ich muss beweisen, dass mein Alter auf der Strecke keine Rolle spielt“, sagt Max Verstappen. Lauda wünscht dem Niederländer Glück. „Wenn er sich durchsetzt, heißt das, die Computer-Kids sind für die Formel 1 geeignet“, sagt die PS-Legende. Dann wäre ein Wort für ihn tabu: Verkehrskindergarten.

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