Junge Schiedsrichterin pfeift auch Eltern zurück


Geh heim, stricken!“ Diese Beleidigung muss sich die 21-jährige Janika Balzer während eines Fußballspiels anhören. „Ich war in dem Moment so perplex und dann im Spiel auch nicht in der Verfassung, um zu sagen, dass dieser Mann bitte das Sportgelände verlässt“, blickt die junge Frau entrüstet zurück. Das Verweisen vom Sportgelände steht zwar in ihrer Macht, sie hat davon allerdings noch nie Gebrauch gemacht. Janika muss sich den Respekt der Spieler erarbeiten. Wenn die Schiedsrichterin das Spielfeld betritt, hört sie bereits das erste „Ui, das ist eine Frau“. Dass Spieler, gerade in den unteren Ligen, sie und ihr Äußeres so abchecken, lässt sich nicht vermeiden. Trotzdem steht sie in der Frauen- und Männerliga bei bis zu 70 Spielen in der Saison auf dem Platz. Die Rettungssanitäterin ist seit sechs Jahren Schiedsrichterin. „Ich habe mich damals zur Schiedsrichterausbildung angemeldet, um meinen Opa stolz zu machen“, erklärt sie lächelnd. Er ist so ziemlich der wichtigste Mensch in ihrem Leben und war selbst lange Schiedsrichter. Ihr Opa hat sie zu jedem Spiel gefahren, war ihr Coach und Rückhalt. Wenn kränkende Sprüche kamen, ist er zu den Leuten gegangen und hat sie zur Rede gestellt. Ohne ihn hätte es nur halb so viel Spaß gemacht, und sie wäre viel öfter nach einem Spiel traurig nach Hause gefahren. Fußball ist für sie weit mehr als nur ein Hobby, und sie hat dadurch auch viele neue Freunde gefunden.

Zornige Gesten und böse Kritik

Es ist früh am Morgen. Nebel zieht noch über den Fußballplatz. Diesen Samstag ist Janika wie bei jedem Wetter auf dem Platz und pfeift das Spiel einer A-Jugend. Sie trägt ein schwarzes Langarmshirt, darüber ein neonorangefarbenes T-Shirt sowie eine kurze schwarze Sporthose. Die langen braunen Haare hat sie zu einem Dutt gebunden. Sie steht am Mittelpunkt und pfeift das Spiel an. Der Geruch von Bratwürstchen zieht über das Spielfeld und den Zuschauerraum. Der Jubel, das Aufspringen bei einem Tor, die lautstarken Motivationsrufe, aber auch das verärgerte Geschrei, das zornige Wegwerfen der Handschuhe, die Kritik der Zuschauer an den gegnerischen Spielern ertönen während des gesamten Spiels. Die Stimmung ist aufgeheizt. „Die Zuschauer haben bis zu einer gewissen Grenze einen Freifahrtschein“, erklärt die junge Frau. Es sind auch eher die Zuschauer, die frauenfeindliche Sprüche rufen, wie „Warum meinen Frauen immer eine Extrabehandlung bekommen zu müssen? Richte deine Scheißaugen endlich aufs Spielfeld!“ Über den Zuschauer, der das gesagt hat, hat sie nach dem Spiel einen Bericht geschrieben. Solche Aussagen haben sich summiert, und ab einem gewissen Punkt kann man dieses Verhalten auch nicht mehr tolerieren.

Es ist verständlich, dass viele junge Mädchen bei solch einem Gebaren den Spaß verlieren. Das führt dazu, dass es noch weniger Schiedsrichterinnen gibt, als es vielleicht geben würde, wenn die frauenfeindlichen Kommentare und die böse Kritik aufhören würden, erklärt Janika ernst. Vor allem in den unteren Ligen haben zum Beispiel viele Eltern jegliche Vorbildfunktion verloren, sagt sie. Allerdings muss man diese Phase durchlaufen, um später in den höheren Ligen zu pfeifen. „Man kämpft für Gruppenligaspiele und nicht dafür, sich in der Jugend von den Eltern der Spieler beleidigen zu lassen.“ Wenn man das erreicht habe, mache das Schirisein erst richtig Spaß.

Sie assistierte beim DFB-Pokalspiel Katrin Rafalski

Die 21-Jährige hatte 2022 die Chance, bei einem DFB-Pokalspiel Katrin Rafalski, einem ihrer größten Vorbilder, zu assistieren. Rafalski assistierte in mehreren Frauen-WM-Spielen, sie pfeift als Assistentin auch in der 2. Fußball-Bundesliga als erst vierte Frau. Dies sind Momente, für die sie unflätige Kommentare in Kauf nimmt. Es ist als Frau, aber auch als Mann nicht leicht, so weit zu kommen. Jährlich müssen Schiedsrichter eine Prüfung über Situationsfragen ablegen. Janika freut es, dass sie für etwas, was ihr Spaß macht, auch noch bezahlt wird. Bei der 2. Frauenbundesliga erhält sie als Assistentin pro Spiel um die 125 Euro plus Fahrgeld. Sie verbringt einen großen Teil ihrer Freizeit, die ihr während der Ausbildung zur Notfallsanitäterin noch zur Verfügung steht, auf dem Platz und im Schiedsrichterraum. In dem kleinen Raum bereitet sie sich auf die Spiele vor, die Luft ist stickig. Es gibt einen Tisch mit zwei Stühlen, ein Waschbecken mit einem Spiegel, hinter einer Abtrennung sieht man eine kleine Dusche. Über der Tür hängt ein Schild mit der Aufschrift „Schiedsrichter“.

Vor dem Spiel kontrolliert Janika die Netze der Tore nach Löchern und das Spielfeld. Um sie herum wärmen sich die Spieler auf, sie passen sich den Ball zu, dehnen sich und joggen über den Platz. Nach dem turbulenten Spiel sitzt sie allein in der Kabine und füllt den Spielbericht aus. Dieser beinhaltet die geschossenen Tore, die vergebenen Karten und das Auswechseln der Spieler. Nachträglich kann keine im Spiel getroffene Entscheidung geändert werden, deshalb ist eine Diskussion mit den Trainern, Spielern oder Zuschauern nach dem Spiel auch Zeitverschwendung. Ein Lob allerdings, vor allem vom Verlierer-Team, ist besonders schön. Die Anerkennung tut gut, da jeder weiß, dass Schirisein ein schwerer Job ist. Dennoch wird die Schuld für ein verlorenes Spiel oft bei der Schiedsrichterin gesucht. „Trotz allem habe ich es nie bereut, dass ich begonnen habe, Schiedsrichterin zu werden.“

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