Sicherheit in Weilimdorf„Kinder bei ersten Schritten im Netz begleiten“
Stuttgart-Weilimdorf – Früher oder später werden Kinder und Jugendliche mit der virtuellen Welt im Internet konfrontiert. Dort finden sich aber nicht nur interessante Infos, lustige Unterhaltung oder praktische Wege, um mit Freunden zu kommunizieren, sondern auch Tücken und Gefahren. Stefan Middendorf vom Landeskriminalamt, der kommende Woche einen Vortrag in Weilimdorf zum Thema „Jugendliche Medienwelten und Gefahren im Internet“ halten wird, rät Eltern, ihren Kindern ein kritisches Herangehen beizubringen. Herr Middendorf, dürfen sich Ihre Töchter bei einem sozialen Netzwerk anmelden? Der große Hype um Facebook kam zu einer Zeit auf, als die Jüngere 13 oder 14 war, die Ältere 16. In dem Alter war das in Ordnung. Laut allgemeinen Geschäftsbedingungen ist der Beitritt bei Facebook ab 13 Jahren erlaubt. Grundsätzlich gebe ich Eltern den Ratschlag: je später, desto besser. Denn es ist schwierig, wenn man sich ausschließlich über ein soziales Netzwerk sozialisiert und sich einen virtuellen Freundeskreis schafft, den man zum Großteil noch nie zu Gesicht bekommen hat. Wenn man Jüngeren den Beitritt bei Facebook erlaubt, muss man sich im Klaren sein, dass man dem Kind erlaubt, zu lügen. Denn es muss ja ein falsches Geburtsdatum angeben.
Wo liegen bei sozialen Netzwerken die Gefahren für Kinder und Jugendliche? Dass sie sich zu sehr transparent machen. Das Problem ist, dass Jugendliche sehr emotional und weniger rational handeln. Sie veröffentlichen häufig viele Daten von sich und auch von ihrem Umfeld, zum Beispiel Wohnanschrift, Geburtsdatum, Fotos oder die Info, dass sie drei Wochen in Urlaub sind. Soziale Netzwerke sind nicht per se schlecht, man muss nur lernen, richtig damit umzugehen und nicht blind alles zu glauben und anzuklicken.
Sollten Eltern kontrollieren, was ihre Kinder online treiben? Nein, Eltern sollten eher moderieren. Ich sage ihnen immer: Ihr müsst eure Kinder bei den ersten Schritten im Netz begleiten. Und das nicht nur einmal zehn Minuten, sondern über eine große Strecke hinweg. Kinder müssen ans Internet herangeführt werden und erklärt bekommen, was sie lieber lassen sollten. Wichtig ist, dass sie ein kritisches Herangehen lernen. Man kann sich mit ihnen hinsetzen und sagen, zeig mir doch mal, welche Fotos du hochladen möchtest. Denkst du, das ist gut, wenn man dich in Badehose sieht? Wenn man aber merkt, dass partout gegengesteuert wird, muss die Moderation auch in Kontrolle überspringen. Vor allem aber muss vereinbart werden, wie man sich verhält, wenn was verrutscht. Das Kind muss wissen: Wenn dir was komisch vorkommt, mach den Computer aus und sag uns Bescheid. In einem vertrauensvollen Familienumfeld können sich Kinder offenbaren.
Über internetfähige Handys entzieht sich den Eltern zunehmend der Einfluss darauf, wann sich ihr Kind was online anschaut. Eltern müssen die Entscheidung treffen, wann sie ihrem Kind ein Smartphone an die Hand geben. Dann müssen sie sich über die Konsequenzen im Klaren sein. Wenn ich feststelle, dass mein Kind sich sicher im Internet bewegt und auch Dinge hinterfragt, kann ich auch ein Smartphone zulassen. Wenn sich alle Klassenkameraden darüber verabreden und mein Kind zum Außenseiter wird, muss ich darauf reagieren. Nur ein Zurück ist dann häufig schwer.
Lauern für Mädchen und Buben unterschiedliche Gefahren im Netz? Mädchen sind viel kommunikativer, sie sind eher bei Chats und sozialen Netzwerken aktiv. Da gibt es die Gefahr des sogenannten Groomings. Das bedeutet, dass sich jemand als falsche Person ausgibt und zum Beispiel versucht, das Mädchen zu überreden, die Webcam einzuschalten und sich auszuziehen. Jungs sind anfälliger fürs Zocken. Da besteht die Gefahr, dass sie sich zurückziehen, völlig übermüdet in der Schule ankommen und nur noch in der Welt des Onlinespieles leben. Jugendliche müssen da auch den richtigen Umgang mit Zeitmanagement lernen.
Ein Problem ist auch das sogenannte Cybermobbing. Wie sollten Eltern reagieren, wenn ihr Kind im Internet beleidigt, belästigt oder bedroht wird? Wenn sich ein Kind dahin gehend offenbart, dann ist der Leidensdruck so groß, dass es wirklich sofort Hilfe braucht. Die Schule und auch die Polizei müssen informiert werden, damit das Opfer geschützt und die Tat beendet werden kann. Im Regelfall ermitteln wir im Umfeld der Opfer, und nicht selten mit Erfolg. Es ist wichtig, das Signal an die Täter zu senden: Wir lassen uns das nicht gefallen. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Wer Opfer einer Straftat wird, der soll sich wehren. Dem Täter muss klar sein, dass gegen ihn ermittelt wird.
Sicherlich sind sich viele Menschen unsicher, ab wann sie die Polizei mit einem solchen Fall behelligen können. Es reicht, wenn psychische Gewalt angewandt wird. Wir sind dafür zuständig, und wir nehmen das sehr, sehr ernst.
Was kann die Polizei tun? Wir können eine Meldung an den Provider machen, damit ein gefälschtes Profil gesperrt wird. Gegebenenfalls werden wir die Ermittlung an die Staatsanwaltschaft geben, eine Mitteilung an das Jugendamt machen oder die Eltern des Täters informieren.
Wie arbeiten Sie im Bereich der Prävention? Wir versuchen unter anderem auch zu vermitteln, dass es cool ist, wenn jemand sagt: Das lasse ich mir nicht gefallen. Und es ist megacool und clever, wenn ich mir Hilfe hole. Keinesfalls sollte man versuchen, auf eigene Faust was zu regeln und virtuell zurückschlagen. Denn dann werden Opfer selbst zum Täter.
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Geht es um die von der Ampel geplante Cannabislegalisierung, wird vor allem über eines gesprochen: Jugendschutz. Gesundheitsverbände und Oppositionspolitiker warnen, dass deutlich mehr junge Menschen zu der Droge greifen, sobald sie erstmal freigegeben ist. Und das könne wiederum schwere Folgen haben. Die Hirnentwicklung wird geschädigt, die Intelligenz nimmt ab, die Aufmerksamkeit lässt nach. Was an den Warnungen dran ist, darüber spricht Suchtexperte Heino Stöver mit ntv.de.
ntv.de: Herr Stöver, von Befürwortern einer Legalisierung wird behauptet, dass Cannabis vom Schwarzmarkt häufig zu stark und deshalb zu gefährlich sei. Können Sie uns das kurz erläutern?
Heino Stöver: THC ist der primäre Wirkstoff in Cannabis, er löst den Rausch aus. CBD ist wiederum der Gegenspieler, es schwächt die Wirkung von THC ab. Auf dem Schwarzmarkt können wir davon ausgehen, dass der THC-Gehalt deutlich höher als der von CBD ausfällt. Das ist ein Problem. Die psychische Verträglichkeit wird über die Balance der beiden Wirkstoffe geregelt. Fällt der Anteil der psychoaktiven Substanz deutlich höher aus, kann es schnell ungemütlich werden.
Was unterscheidet CBD von THC?
CBD steht für Cannabidiol. Das ist einer von mehr als 100 Wirkstoffen, die sich in der Cannabispflanze wiederfinden. Anders als THC, das bekannteste Cannabinoid, hat CBD keine berauschende Wirkung und fällt damit nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Es wirkt trotzdem, nur anders. Die Forschung sagt, dass es zum Beispiel beim Konzentrieren hilft und man damit besser schlafen kann. Auch Entzündungen können vermieden werden, Muskeln scheinen sich nach dem Sport besser zu entspannen.
Jedoch wissen häufig weder Dealer noch Konsument, was in der Ware steckt. Es wird gekauft, was knallt. Das hat etwas von einem Schnapsregal, in dem alle Flaschen gleich aussehen und weder Etikett noch Angaben zum Alkoholgehalt haben. In einem regulierten Markt wäre das nicht der Fall. Mittels eines rechtlichen Rahmens könnten Erzeuger verpflichtet werden, die beiden wesentlichen Wirkstoffe in Balance zu halten.
Was genau passiert im Gehirn, wenn man Cannabis konsumiert?
Hier muss ich etwas ausholen: Wir besitzen alle in unserem Körper und Gehirn Bindungsstellen für Cannabinoide, die wiederum unser Nervensystem im Gleichgewicht halten. Da unser Nervensystem sehr viele Informationen verarbeitet und weiterleitet, kann natürlich schnell was aus dem Ruder geraten. Ist das der Fall, werden körpereigene Cannabinoide freigesetzt. Das Nervensystem wird dadurch wieder in die Bahn gebracht – über biochemische Prozesse. Etwa, indem bestimmte Botenstoffe geblockt und andere freigesetzt werden.
Nun gibt es auch ruhige Phasen, in denen Cannabinoide überhaupt nicht nötig sind, das System ist inaktiv. Fügen wir unserem Körper THC zu, etwa indem wir einen Joint rauchen, jagen wir selbst Cannabinoide durch unseren Körper, die an die entsprechenden Rezeptoren andocken. Wieder werden bestimmte Stoffe geblockt und andere freigesetzt, nur ist es diesmal nicht wirklich nötig. So verändert sich unsere Wahrnehmung, unser Schmerzempfinden, es kommt zum Rausch.
Wenn unser Körper Cannabinoide kennt, warum ist der Cannabiskonsum dann nicht unbedenklich?
THC aktiviert völlig unbegründet unsere körpereigenen Cannabinoid-Rezeptoren. Das kann physiologische Prozesse in Körper und Gehirn ins Ungleichgewicht bringen, was sich auf das Gedächtnis, aber auch den Blutdruck auswirken kann. Außerdem gewöhnt sich der Körper an das ständige Vorhandensein von Cannabinoiden. Die körpereigene Produktion fährt entsprechend runter. Vor allem für junge Menschen kann das problematisch sein.
Gehirn und Nervensystem befinden sich bei Heranwachsenden noch in der Entwicklung. Im jugendlichen Gehirn wird viel umgebaut, Neurochemie, Kommunikation der Areale, sogar die Nervenfasern, alles ist eine große Baustelle. In vielen Botenstoffsystemen gibt es in der Pubertät zudem eine erhöhte Anzahl an Bindungsstellen. Studien zeigen, dass das Endocannabinoid-System in jungen Jahren zudem deutlich aktiver ist. Entsprechend kann es deutlich stärkere Effekte haben, wenn es mittels Cannabis aktiviert wird.
Welche Risiken bringt das mit sich?
Der Rausch kann intensiver sein, Nebenwirkungen wie eine Konzentrationsschwäche, Müdigkeit, Apathie wiederum stärker. Auch kann sich der Konsum auf die Hirnentwicklung auswirken, das gilt aber für alle Rauschmittel. Es gibt Studien, die zeigen, dass sich die Hirnsubstanz von Heranwachsenden bei regelmäßigem Cannabiskonsum verändert. Demnach soll die graue Hirnsubstanz zunehmen. Ungeklärt ist aber, was genau das bedeutet. Das gilt jedoch nur bei dauerhaftem Konsum. Natürlich gibt es auch Fälle, bei denen bereits der gelegentliche Griff zum Joint, überspitzt ausgedrückt, gefährlich werden kann. Dazu zählen Menschen mit einer Neigung zu psychischen Erkrankungen.
Kann sich das Gehirn von jungen Menschen nach dem jahrelangen Konsum regenerieren?
Wenn ich viele Jahre konsumiere, können bestimmte neuronale Prozesse gebremst werden, was sich auf die kognitiven Leistungen auswirkt. Solche Folgen können auch dauerhaft sein. Doch wie gesagt, es kommt auf die Menge an, aber auch die Verfassung der Konsumenten. Natürlich muss ich bei Cannabis hervorheben, dass die Folgen im Vergleich zu anderen Rauschmitteln deutlich milder ausfallen. Bei Alkohol sind die Folgeschäden drastischer. Generell können wir festhalten: Je später die Menschen anfangen, desto besser. Einerseits mit Blick auf die Hirnentwicklung, andererseits mit dem Erlernen von Kontrollfähigkeiten.
Wie hoch ist eigentlich die Suchtgefahr bei Cannabis?
Bei Cannabis ist die Abhängigkeit psychologisch geprägt, ähnlich wie bei Zigaretten. Das Rauschverhalten ist dabei an verschiedene Wohlfühlmomente gekoppelt, etwa die Zigarette nach dem Sex, nach dem Essen, beim Spaziergang zur Arbeit. Auch bei Cannabis sind der Konsum und der damit verbundene Rausch häufig situationsbezogen. Ebenso stellt sich bei der Sucht immer die Frage, wie weit die Menschen gehen würden, um ihr Bedürfnis zu befriedigen. Das kann von horrenden Ausgaben bis hin zum Gang in die Illegalität gehen.
Wie können sich Betroffene von dieser Sucht lösen?
Zum einen wären da selbstauferlegte Regeln, etwa keinen Konsum vor der Arbeit, nicht vor 18 Uhr, nicht nach dem Sex. Situationsbedingter Konsum müsste reflektiert angegangen werden. Natürlich ist das kein Patentrezept, aber ein Schritt. Zum anderen wäre die Legalisierung hilfreich. Außerdem könnte man das Thema Cannabiskonsum deutlich anders thematisieren, es offener diskutieren. Kanäle, die gerade unter jungen Menschen beliebt sind, etwa Instagram oder Tiktok, könnte man auch dafür nutzen, offen aufzuklären. Hier müssten aber Politik und Suchtberater passende Strategien entwickeln. Wie sie das Thema aktuell angehen, eher pädagogisch und belehrend, funktioniert das natürlich nicht.
Ein Argument gegen Cannabis ist der Jugendschutz. Vor allem geht es darum, dass mehr junge Menschen zu der Droge greifen, sobald sie freigegeben ist. Doch besteht dafür wirklich die Gefahr?
Das kommt darauf an. Je nach Zeitraum kommen Erhebungen dazu zu unterschiedlichen Ergebnissen. Der Wissenschaftliche Dienst hat sich etwa angeschaut, wie sich das Cannabis-Konsumverhalten kurz nach einer Legalisierung unter anderem in den USA, Portugal und Kanada verändert hat. Demnach ist die Zahl der Konsumenten wohl rückläufig, wenn auch nur leicht. Eine andere Erhebung zeigt jedoch, dass mit zunehmender Dauer der Legalisierung die Zahlen zunehmen. Man muss das differenziert betrachten. Interessant ist, dass die Old-School-Drogen, also Alkohol und Tabak, unter jungen Menschen deutlich weniger beliebt sind als noch vor 20, 30 Jahren. Bei Cannabis stagnieren wiederum die Zahlen. Dennoch könnte es sich auch hier ähnlich entwickeln.
Mit Heino Stöver sprach Tim Kröplin
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Einzelne Strahlen Sonnenlicht kämpfen sich durch die leichte Wolkendecke, während stille Winde den Aufschlag von Stahl auf Stahl über den leeren Sportplatz tragen. Mit Präzision und gewandtem Können schwingen Schwerter durch die Luft, zerschneiden sie und treffen auf ihren stählernen Gegner. Ein Moment der Ruhe, dann beginnt eine erneute Choreographie, ähnlich einem Tanzstück, mit fließenden, beinahe sanften Bewegungen, die hypnotisierend auf Zuschauer wirken. Zur abendlichen Stunde trainieren sechs Sportler unter der Leitung von Sebastian Höglinger eine Kunst, die viele als seltsam und absurd abstempeln würden: das Historische Fechten.
Darunter versteht man die Nachstellung von westlichen Waffenkampfkünsten, mit einem hohen Anspruch an historische Korrektheit der Darstellung, wie eine offizielle Informationsseite rund um diese Art des Fechtens erklärt. Doch diese Kampfkunst ist weit mehr als nur eine Kopie der mittelalterlichen Schwertkunst. „Es ist ein Versuch, eine Fechtkunst zu rekonstruieren, die in unserem Fall im 14. bis 15. Jahrhundert hier praktiziert wurde“, sagt Sebastian Höglinger, hauptberuflicher Ingenieur im Produktmanagement. Er engagiert sich neben seiner Tätigkeit als Trainer für das Historische Fechten im Sportbund DJK Rosenheim ehrenamtlich auch als Abteilungsleiter. Er erklärt seinen Schülern eine weitere Technik. „Es ist nicht wie das moderne Sportfechten. Es bezieht sich auf mittelalterliche Quellen, mittelalterliche Fechtbücher, und anhand der Techniken, die dort beschrieben sind, versucht man diese zu rekonstruieren.“ Seit seinem vierzehnten Lebensjahr übt er den Sport aus und verweist auf ein Buch mit dem Titel „Dierk Hagedorn: Peter von Danzig“, das er stets zum Training mitführt. Im deutschsprachigen Raum gibt es ungefähr 100 Fechtbücher und Texte, durch die sich die Sportler Techniken aneignen können. Die Bücher gehen meist auf einen Lehrer zurück, dessen Schüler die Techniken aufgeschrieben haben.
Nicht mit Verfilmungen vergleichbar
Die Klinge eines Schwerts zerschneidet präzise die Luft, um seinen Gegner niederzustrecken. Doch dieser schafft es mit einer gezielten Bewegung, die Klinge zu parieren und dem verwunderten Gegenüber die eigene Klinge gegen die durch Handschuhe geschützte Handfläche zu schlagen. Alle Trainierenden tragen eine Ausrüstung: Fechthelm und Handschuhe sowie spezielle Schoner für Gelenke, um die Sicherheit bei einer Sportkunst mit Klingen zu gewährleisten. Üblicherweise tragen Historische Fechter schwarze Bekleidung, die der weißen der modernen Fechtkunst ähnelt. Aber auch ohne ein solches Equipment ist das Verletzungsrisiko gering und sogar niedriger als beim Fußballspielen im Verein. Lediglich beim Freifechten, also bei der Möglichkeit der Schüler, frei die geübten Techniken anzuwenden, können kleinere Blessuren wie blaue Flecken entstehen. Auch die Arbeit mit einem echten Stahlschwert, das in der Länge von 95 bis 130 Zentimeter sowie in einem Gewicht von 7 bis 8 Kilogramm variieren kann, stellt hierbei kein Gefahrenrisiko dar, da die Seiten abgestumpft sind und Schutzkleidung getragen wird. Die einzige Gefahr, die von einer solchen Klinge ausgeht, ist der mögliche Muskelkater vom Heben des Schwertes, unter dem die Einsteiger meistens leiden.
Das trainierende Pärchen wiederholt den gezeigten Schlag noch einmal, bevor sich die Gruppen lösen und Sebastian Höglinger die Schüler zur Besprechung zu sich ruft. Sie nehmen die Fechtmasken ab und reden über das Gelernte. Tipps werden ausgetauscht und Ratschläge unter den Mitgliedern gegeben. Zu der kleinen Gruppe zählen eine Frau und fünf Männer. Der Verein hat zwei Trainer und zwanzig Mitglieder, acht Frauen und zwölf Männer. Sie treffen sich wöchentlich. Was viele dazu verleitet, eine solch spezielle Kampfkunst zu praktizieren, ist die Leidenschaft für die Geschichte, historische Videospiele, Bücher oder Filme. Schnell wird klar, dass das Historische Fechten nicht mit den Verfilmungen vergleichbar ist: „Die Bewegungen sind zu ausladend“, meint der 28-jährige Trainer. „Beim Fechten versucht man unbemerkt den Gegner anzugreifen. Filme und Videospiele wollen meist das Gegenteil, und zwar gesehen werden.“ Das einzige Videospiel, das auf eine solche Ausschmückung verzichtet, ist „Kingdom Come: Deliverance“ und somit ähnlich der Technik, die die Schüler wirklich erlernen, erklärt er.
Vorurteilhaft geprägter Blick
Es gibt auch die Möglichkeit, sich mit anderen in einem Kampf zu messen. So findet zum Beispiel in München jährlich ein großes Event statt, bei dem sich Fechter aus dem ganzen Land zusammenfinden und an Turnieren und Workshops teilnehmen. Auch Ranglistenturniere sind wichtige Events, bei denen Hunderte Fechter Punkte sammeln, um in der Rangliste für das jeweilige Land aufzusteigen. „Der einzige Nachteil bei solchen Veranstaltungen ist der weite Fahrtweg, was jedoch auch bedeutet, dass man beim historischen Fechten sehr schnell sehr viele Leute aus ganz Deutschland kennenlernt.“
Seine Schüler machen sich bereit für die erste Runde Freifechten in der späten Abendstunde, während sich die anderen im Freien trainierenden Vereine voneinander verabschieden, um nach Hause zu gehen. Vereinzelt werden hier von den jungen Sportlern oder wartenden Eltern verwirrte Blicke auf das kämpfende Paar geworfen. „Wenn man erzählt, was man macht, meinen viele Leute, dass man auf mittelalterliche Märkte fährt und irgendwelche Showkämpfe austrägt. Die Sportart wird oft nur belächelt“, erklärt ein Sportler auf Nachfrage. „Dass die Sportart ernst genommen wird als das, was sie ist, und zwar mit modernem Equipment und ohne mittelalterliches Gewand, merken Leute meistens erst, wenn sie es sehen“, erläutert er den vorurteilhaft geprägten Blick auf diesen anstrengenden Sport und wendet sich zu seiner Gruppe, um selbst am Freifechten teilzunehmen.
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In Nordengland erstechen zwei Teenager einen 15-Jährigen vor seiner Schule und werden jetzt zu lebenslanger Haft verurteilt. Solche Bluttaten unter Jugendlichen sind in Großbritannien keine schockierenden Einzelfälle, sondern Alltag. Die Justiz setzt auf Härte.
Renell war sich des tödlichen Risikos bewusst, doch es sollte ihm nicht helfen. „Da draußen sterben Leute“, sagte der Teenager aus London in einem Schulvideo über Messergewalt. „Unschuldige werden getötet.“ Wenige Monate später war Renell tot. Vor seiner Schule wurde der 16-Jährige angegriffen und mit einer Machete getötet. Tatverdächtig ist ebenfalls ein 16-Jähriger. So schockierend der Fall ist: In Großbritannien ist eine solche Bluttat wie die am Vorabend der Krönung von König Charles III. längst trauriger Alltag. Teenager töten Teenager. Ähnliche Meldungen gibt es gefühlt jede Woche.
Am heutigen Donnerstag verurteilte ein Gericht in Leeds zwei Jugendliche, die einem 15-Jährigen vor seiner Schule im nordenglischen Huddersfield aufgelauert und ihn getötet hatten, wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Beide müssen für die Tat im September 2022 länger ins Gefängnis als sie alt sind: ein 15-Jähriger, der gestanden hatte, für mindestens 16 Jahre, sein 17 Jahre alter Komplize, der von einer Jury schuldig gesprochen wurde, für mindestens 18 Jahre.
Als der Junge sich auf den Heimweg machte, stürmten sie auf ihn zu und erstachen ihn. Motiv für die Bluttat war vermutlich Rache, wie die Richterin sagte. Der ältere Täter soll das Opfer als „Feind“ gesehen haben. Strafmildernd wirkte sich aus, dass der Jüngere selbst Opfer eines Verbrechens wurde, als er 12 Jahre alt war. Ihr Sohn sei seitdem völlig verwandelt und höchst aggressiv, hatte seine Mutter im Prozess ausgesagt. Die Richterin sagte, sie gehe davon aus, dass die Täter ihr Opfer eigentlich nicht töten, sondern schwer verletzen wollten. Beim Älteren fiel die Strafe höher aus, weil er sich im Prozess nicht schuldig bekannt hatte.
Strafmündigkeit beginnt mit zehn Jahren
Auf Mord steht in Großbritannien grundsätzlich lebenslange Haft. Das Gericht legt lediglich fest, wie viele Jahre die Täter mindestens hinter Gitter müssen. Eine Höchststrafe für Minderjährige gibt es nicht. Deutsche Experten erläutern, in Deutschland wäre in vergleichbaren Fällen das Urteil wegen Totschlags ergangen. Die britische Rechtsprechung ist in den Augen vieler Beobachter zudem eher eine Rachejustiz, als dass eine Rehabilitierung gerade jugendlicher Straftäter im Vordergrund stünde.
Hinzu kommt: In England, Wales und Nordirland beginnt die Strafmündigkeit bereits bei 10 Jahren – so niedrig wie fast nirgendwo sonst auf der Welt. Selbst Kinder können in Großbritannien also zu lebenslanger Haft verurteilt werden. In Deutschland sind es, wie von den Vereinten Nationen empfohlen, 14 Jahre. Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF attestierte dem britischen Justizsystem bereits 2020, es komme seiner Pflicht, die Menschenrechte von Kindern zu schützen und zu wahren, nicht nach.
Jugendgewalt ist „Epidemie“
Experten fordern bereits seit Längerem, die Strafmündigkeit hochzusetzen – und das gesamte System zu reformieren. „Es gibt keine Hinweise darauf, dass der Kontakt mit dem Strafjustizsystem ein wirksames Mittel zur Reduzierung der Kriminalität ist“, urteilte eine Studie der Local Government Association, des Verbandes der englischen und walisischen Kommunen, im Frühling 2022. Vielmehr sei das System kriminogen – es stifte zu Kriminalität an. Das Risiko einer erneuten Straftat steige. Das liegt auch daran, dass britische Gefängnisse überfüllt sind. Im Juni 2022 saßen fast 90.000 Menschen in Haft, in Deutschland mit einer größeren Bevölkerung war es etwa die Hälfte.
Der harte Kurs gegen Straftäter scheint gerade bei Jugendlichen wenig zu wirken. Zwar ging Messergewalt nach Angaben des britischen Statistikamts zuletzt um 9 Prozent zurück. Aber auch Premierminister Rishi Sunak hat eingeräumt, dass die Regierung handeln müsse. Die Ursachen für Jugendgewalt, die oft mit Bandenkriegen und Drogenkriminalität einhergeht, sind lange bekannt: Armut, Ungleichheit, hohe Arbeitslosigkeit und zu wenig Jugenddienste. Auch die Pandemie hat die Gewalt angeheizt – so schaukelten sich Streitigkeiten im Internet hoch, und als die Kontrahenten sich erstmals wieder auf der Straße begegneten, zogen sie die Messer.
Die Abgeordnete Stella Creasy von der Oppositionspartei Labour sprach mit Blick auf die jüngsten Bluttaten von einer „Epidemie“. Nötig sei mehr als Vorsorge, mehr als präventive Polizeikontrollen von Jugendlichen. Vielmehr müsse sichergestellt werden, dass alle jungen Menschen die notwendige Unterstützung erhielten, die sie benötigen. „Wenn wir das nicht tun, könnten wir am Ende eine verlorene Generation junger Menschen haben, die glauben, ein Messer sei die einzige Möglichkeit, am Leben zu bleiben“, sagte Creasy.
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