Jugendliche Flüchtlinge im SchwarzwaldPension der verlorenen Jugend
Calw – Bianca Bakis Besuch ist das schönste Ereignis der Woche. Gleich wird sie im Heim ankommen, das erkennt man an fünf pinkfarbenen Mülltüten im Gang, gefüllt mit dreckigen Handtüchern, und an einer ungewöhnlichen Geschäftigkeit. Die Jugendlichen räumen auf, beziehen Betten, putzen Klos. Andere versprühen Deo im Bad, gelen sich die Haare. Milad (alle Namen der Jugendlichen geändert) zieht sein kariertes Hemd an und lässt zwei Knöpfe offen. „Ist wegen Sonntag“, sagt er „und wegen Frau Baki.“
Nach dem Essen bleibt Milad mit den anderen im Aufenthaltsraum, wo die Hirschgeweihe hängen. Hier warten sie darauf, dass die Hauswirtschafterin endlich kommt und die Alltagsmonotonie unterbricht.
Die Tage in ihrer neuen Heimat sind oft lang und leer. In dem 800-Einwohner-Dorf bei Calw gibt es nichts als Tannen, leere Straßen, eine Tankstelle, den Laden für Land- und Forsttechnik, eine alte Kegelbahn, Bäche, noch mehr Tannen – und seit einem halben Jahr das Flüchtlingsheim. Den Namen des Ortes will der Träger, die Erlacher Höhe Calw, nicht in der Zeitung lesen. Zum Schutz der minderjährigen Bewohner. 24 männliche Jugendliche aus Afghanistan, Syrien, Somalia und dem Iran leben in der ehemaligen Pension Talblick. Der jüngste Bewohner ist 15, der älteste 18 Jahre alt. Von ihren Balkonen aus können die Flüchtlinge Hirsche am Waldrand sehen. Im Gemeinschaftsraum hängen die Wandteppiche und Porzellanteller wie früher. Der letzte Bus aus Calw fährt abends vor sechs Uhr zurück. Wenn die Jugendlichen dann noch Handynetz brauchen, müssen sie der Straße zweieinhalb Kilometer folgen und im Wald stehen bleiben.
Von der Bayernkaserne in den Schwarzwald
Die ersten Bewohner kamen Ende November von der Bayernkaserne, dem Münchner Erstaufnahmelager, in den Schwarzwald. Zuvor – auf der Flucht und in der Heimat – machte sie alle viel Schlimmes durch. Jetzt gehen sie in Vorbereitungsklassen, lernen Deutsch. Ihre Chancen auf eine Lehrstelle sind groß, an die Sozialpädagogen können sie sich mit allen Sorgen wenden. Aber sie sind getrennt von Freunden und Verwandten. Auch deshalb würden viele so gern wieder wegziehen. Über das Dorf sagen sie Dinge wie: „Katastrophe“, „Guantánamo“ und „für Picknick gut, für Leben nicht“.
Das Talblick, so nennen sie die Unterkunft, ist kein Ort für Jugendliche. Das wissen auch die Betreuer. Einsamkeit und Langeweile wollen sie mit Struktur bekämpfen – mit Pflichtterminen. So auch am Samstag, einen Tag bevor Bianca Baki zu Besuch kommt. Gemeinsam fahren sie auf die Jobmesse in einer Turnhalle eine halbe Stunde vom Heim entfernt. Viele der jungen Flüchtlinge haben bereits Zukunftspläne: eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker, Zahnarzt werden oder Sänger.
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Immer öfter trenden bei Tiktok gefährliche „Challenges“. Nach der „Blackout Challenge“, durch die schon einige Kinder ums Leben gekommen sind, kursieren nun Videos in Italien, in denen sich Jugendliche selbst verletzen. Die dortige Wettbewerbsbehörde schreitet ein.
Die italienische Wettbewerbsbehörde hat eine Untersuchung gegen die Videoplattform Tiktok wegen einer als gefährlich eingestuften „Challenge“ aufgenommen. Es gehe dabei um die aktuell populäre Mutprobe, die als „Französische Narbe“ bekannt ist, wie die italienische Behörde mitteilte. Junge Tiktok-Nutzer kneifen oder zwicken sich bei diesem Trend so lange ins Gesicht, bis sich blaue Flecken und Narben bilden.
Die Behörde nahm eine Zunahme von Videos wahr, in denen sich Jugendliche selbst verletzen – vornehmlich handelte es sich dabei um ebenjene „Französische Narbe“, hieß es weiter. Tiktok fehle es demnach an „angemessenen Systemen zur Überwachung von Inhalten, die von Dritten veröffentlicht werden“. Außerdem würden die Richtlinien der Plattform, die die Löschung gefährlicher Inhalte vorsehen, in denen etwa zur Selbstverletzung aufgerufen wird, nicht angewandt.
Tiktok hat viele minderjährige Nutzer – die Plattform habe deswegen eine große Verantwortung zum Schutz dieser Gruppe. Die vor allem bei Kindern und Jugendlichen beliebte Videoplattform, die dem chinesischen Unternehmen Bytedance gehört, werde „in vollem Umfang mit den zuständigen Behörden zusammenarbeiten, um alle Fragen zu unseren Richtlinien und Verfahren zu beantworten“, sagte ein Tiktok-Sprecher.
Mehrere Kinder bei „Blackout Challenge“ gestorben
Bei Tiktok verbreiten sich oft Videos von Mutproben, die gefährlich werden können: Bei der „Blackout Challenge“ etwa ging es darum, die Luft anzuhalten, bis man das Bewusstsein verliert. Erst letztes Jahr kamen dabei mehrere Kinder ums Leben.
Ein achtjähriges Mädchen aus Texas sowie eine Neunjährige aus Wisconsin waren bei dem Würgespiel gestorben. Ebenso der 14-jährige Leon Brown. Er hatte sich selbst vor der Kamera die Luft abgeschnürt, damit er das Bewusstsein verliert. Seine Mutter entschied sich, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, um andere Eltern vor dem lebensgefährlichen Trend zu warnen.
Die EU-Kommission hatte Tiktok zuletzt unter anderem in diesem Zusammenhang mit schweren Konsequenzen bei der Verletzung europäischer Regeln gedroht.
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Radfahren ist meine Passion. Ich denke, das macht dieses Hobby bei mir aus“, stellt Kerstin Brachtendorf stolz fest. Obwohl sie finanziell vom Radfahren lebt, würde sie den Sport nie als ihre Arbeit bezeichnen. Die paralympische Radsportlerin kommt ursprünglich nicht vom Leistungssport. Trotz großer Sportbegeisterung hatte die Heimatverbundene nicht die Möglichkeit, in Ettringen in der Eifel ihr Sporttalent auszuleben. In ihrer Freizeit tanzte sie ursprünglich in der Showtanzgruppe ihres Heimatdorfes. „Erst als ich dann beruflich bei einer Werbeagentur in München gelandet bin, wurde Sport wieder ein Thema für mich“, erzählt die 50-Jährige. Aufgrund der nahen Berge schloss sich Brachtendorf nach Feierabend ihren Kollegen beim Radfahren an und erkannte so ihre Leidenschaft und startete bei den ersten Mountainbike-Marathons.
Das war in ihren Augen nicht fair
2006 lernte sie Michael Teuber, einen ehemaligen Paralympics-Sieger, kennen, der ihr die Teilnahme am Behindertensport empfahl. Zu dieser Zeit war die 1,65 Meter große Frau noch skeptisch: „Klar habe ich seit meiner Geburt einen Klumpfuß, aber als behindert hätte ich mich nie definiert. Daher erschien es in meinen Augen nicht fair, gegen Schwerbehinderte anzutreten.“ Als sie das System von Paralympics verstand und begriff, dass sie in ihrer Klasse nur gegen Sportler gleich schwerer Behinderungen antreten würde, wurde die Motivation größer. „Ich merkte schnell, dass das Niveau sehr hoch war, und erkannte die Ernsthaftigkeit des Sports für Menschen mit Behinderung, was im Endeffekt ausschlaggebend dafür war, dass ich fortfuhr. Aber niemals hätte ich damals gedacht, dass mich eine solche Zukunft mit solch großen Erfolgen erwarten würde.“ 2011 nahm die Wettkämpferin an ihrer ersten Bahn-Weltmeisterschaft in Italien teil und belegte den 5. Platz, seitdem ist sie im Kader der deutschen Nationalmannschaft.
Weltmeisterin in Kanada und Bronze in Tokio
Einen Wendepunkt erlebte Brachtendorf 2012, als sie bei den Paralympics in London eine Medaille verfehlte und durch den Leistungsdruck in ein großes mentales Loch fiel. Dank guter Freunde konnte sie dieses überwinden und änderte ihre Einstellung: „Ich habe mir nicht mehr so viel Druck gemacht und bin dann im Jahr darauf bei der WM in Kanada Weltmeisterin geworden.“ Einen weiteren Höhepunkt in ihrer Karriere erlebte sie 2017 im Einzelzeitfahren, bei dem sie zuvor nie erfolgreich war. Beim Weltcup in Italien überfuhr sie die Ziellinie, ihre Kollegen und Trainer stürmten auf sie zu und gratulierten ihr, sie selbst wusste zunächst nicht, was los war. „Ab diesem Zeitpunkt war das Einzelzeitfahren meine Lieblingsdisziplin, weil man mit sich und seiner Leistung ganz allein ist, ohne taktieren zu müssen. Die Rolle spielt allein der Kampf gegen die Uhr.“ In Tokio gewann sie 2021 die Bronzemedaille endlich auch bei Paralympischen Spielen. Der Weg dorthin war nicht leicht. Nachdem sich erneut starker mentaler Druck aufgebaut hatte und sie wieder Angst bekam, eine Medaille zu verfehlen, musste sie 20 Tage vor dem Abflug ihr Training abbrechen und wurde ins Krankenhaus eingewiesen. Sie musste operiert werden, was ein Sportverbot von mindestens zwei Wochen zur Folge hatte. Ein Elf-Stunden-Flug und Olympische Spiele waren unvorstellbar. „Irgendwann kam jedoch ganz plötzlich der Zeitpunkt, an dem es mir besser ging und ich mich entschied, die Chance zu nutzen.“ Für die Weltmeisterin stand nun nur noch das Dabeisein im Vordergrund. Mit dieser Einstellung startete Brachtendorf und erreichte ihren größten Erfolg. „Im Nachhinein gesehen war es sehr unvernünftig, mich in den Flieger zu setzen. Dennoch bin ich sehr stolz auf meine Leistung.“
Einen der schlimmsten Tiefpunkte in Rio de Janeiro
Trotz der vielen Erfolge war es für die Ettringerin anfangs schwierig, sich in eine Mannschaft zu integrieren. „Vor einem Wettkampf steigt bei jedem die Anspannung, und die Nerven liegen blank. Es kostet mich viel Energie, immer Ruhe zu bewahren, nicht alles persönlich zu nehmen und den Fokus auf mich und meine Leistung zu legen.“ Einen ihrer schlimmsten Tiefpunkte erlebte sie 2016 in Rio de Janeiro, als sie den fünften Platz im Straßenrennen erkämpfte. Sie startete am letzten Tag, nachdem ihre Teamkollegen alle schon eine Medaille in Händen gehalten hatten und feierten. Sie wurde kaum mehr beachtet. „Das ist eigentlich meiner Meinung nach das Traurige, dass es beim Leistungssport nur darum geht, wer am Ende die Medaille in der Hand hält“, bedauert sie. In jeder Sportart ist Fairness ein Thema. Doch besonders bei den Paralympics kommt es häufig vor, dass die Athleten versuchen, ihre Behinderung mit der eines anderen Sportlers zu vergleichen. Die Frau mit den schulterlangen, blonden Haaren sagt dazu: „Man kann keine Behinderung eins zu eins mit einer anderen vergleichen. Damit muss man sich abfinden, sonst darf man den Sport nicht machen.“ Eine klare Meinung hat sie auch zum Thema Doping: „Ich selbst verstehe nicht wirklich, warum man so was macht, die Fairness sollte im Vordergrund stehen.“
Leider gehören zum Radfahren auch Unfälle, sie hatte zum Glück keine schwerwiegenden. Ihr größtes negatives Erlebnis war ein Autounfall. Während sie in Italien auf einem Fahrradweg trainierte, hörte sie einen Knall und sah einen Auffahrunfall. Das Auto, auf das aufgefahren wurde, kam wie ein Katapult auf Kerstin Brachtendorf zugeschossen. „Im Kopf war pure Hilflosigkeit. Trotzdem kam ich mit meinem Rad zum Stehen und habe das haarscharf an mir vorbeischießende Auto mit den schreienden Menschen gesehen.“ Die Schreie der Mutter im Auto, die Angst um ihren Säugling hatte, verfolgen Brachtendorf bis heute. Die Wettkämpferin ist sich sicher, dass der Radsport zu den gefährlichsten Sportarten zählt. Selbst wenn sie bloß auf der Straße ihr Training absolviert, wird sie von vielen Autofahrern nicht respektiert und mit Absicht nah überholt. Trotz dieser Gefahren schwärmt sie: „Der Sport bewirkt bei mir einfach das Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit.“
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Die Covid-19-Pandemie führt auch dazu, dass mehr Menschen mehr Zeit an Monitoren verbringen. Besonders unter Heranwachsenden verdoppelt sich in dieser Zeit die Zahl der Mediensüchtigen, wie eine aktuelle Umfrage zeigt. In Zukunft muss dringend gegengesteuert werden, fordern Experten.
Etwa 680.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland sind einer Studie zufolge süchtig nach Computerspielen und sozialen Medien. Diese Zahl habe sich während der Corona-Pandemie mehr als verdoppelt, heißt es in einer gemeinsamen Untersuchung der Krankenkasse DAK und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.
Der Anteil der Minderjährigen, die Suchtverhalten bei Social Media aufweisen, stieg demnach seit dem Jahr 2019 von 3,2 auf 6,7 Prozent. Bei der Nutzung von Computerspielen kletterte die Quote von damals 2,7 Prozent auf 6,3 Prozent im vergangenen Jahr.
Für die Studie wurde eine repräsentative Gruppe von 10- bis 21-Jährigen aus rund 1200 Familien zu ihrem Umgang mit digitalen Medien befragt. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa führte dafür den Angaben zufolge im Zeitraum von drei Jahren deutschlandweit in insgesamt fünf Wellen Befragungen durch.
Warnung vor den Folgen
Die Ergebnisse sind nach Einschätzung von DAK-Vorstandschef Andreas Storm alarmierend: „Wenn jetzt nicht schnell gehandelt wird, rutschen immer mehr Kinder und Jugendliche in die Mediensucht, und der negative Trend kann nicht mehr gestoppt werden.“
Vor allem männliche Jugendliche zeigten sich der Untersuchung zufolge anfällig: Während die Geschlechterverteilung bei der Abhängigkeit von sozialen Medien noch relativ ausgeglichen ist, sind von einer sogenannten Gaming-Sucht zu zwei Dritteln Jungen betroffen. Von den Kindern und Jugendlichen, deren Nutzung von digitalen Spielen als problematisch gilt, sind 68,4 Prozent männlich.
Im Vergleich zum Lockdown im Frühjahr 2020 haben sich den Angaben zufolge Nutzungszeiten von Computerspielen zwar wieder reduziert, aber sie liegen noch immer deutlich über dem Vor-Corona-Niveau. Im September 2019 wurden an einem Werktag durchschnittlich 78 Minuten bei Computerspielen verbracht, bei der bislang letzten Befragung im Juni 2022 waren es 113 Minuten. Auch bei Social Media ist die Nutzungsdauer rund 35 Prozent höher als im Herbst 2019.
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