Preise von „Jugend schreibt“ 2022: Recherche ist das A und O

Ich habe vor allem dank der Interviews gelernt, offen mit fremden Menschen zu kommunizieren, mit denen ich ansonsten gar nichts zu tun gehabt hätte. Zunehmend ist mir das leichter gefallen“, sagt Daniel Rief, einer von rund 2000 Schülern, die am „Jugend schreibt“-Projekt der F.A.Z. teilgenommen haben. Zusammen mit Linus Zerzer hat er für seine Artikel gestern bei einer Onlineveranstaltung den Preis der Fazit-Stiftung erhalten. Offen und unbefangen mit anderen zu kommunizieren – und sei es phasenweise auch nur in Skype-Interviews –, das ist für die von Schulschließungen und Homeschooling gebeutelten Schülerinnen und Schüler in Zeiten der Pandemie ein schöner Nebeneffekt des Projekts. Die Mitarbeit hat zusätzlich Schwung in den Schulalltag gebracht, wie die Projektlehrer berichten.

52.000 Schülerinnen und Schüler

Ursula Kals

Redakteurin in der Wirtschaft, zuständig für „Jugend schreibt“.

An der Lese- und Schreibwerkstatt haben bisher rund 52.000 Schülerinnen und Schüler teilgenommen. Vor 35 Jahren sind die ersten Beiträge erschienen – die F.A.Z. war die erste überregionale Zeitung, die sich das in ihrem Mantelteil getraut hat. Inzwischen sind 1283 Zeitungsseiten entstanden. Nachzulesen sind die Beiträge auf FAZ.NET im Ressort Gesellschaft. Lesenswert sind die Artikel alle. Das betonte der Vorsitzende des Kuratoriums der Fazit-Stiftung, Karl Dietrich Seikel, in seiner Begrüßung: „Ich gestehe Ihnen, dass ich als Mitveranstalter die Artikel unserer Seiten ‚Jugend schreibt‘ sehr gerne und oft mit großem Vergnügen lese. Das gilt nicht nur für die Beiträge der heutigen Gewinner, sondern generell für viele Geschichten, aus denen ich lerne, wie die jungen Autoren heute die Welt sehen.“

Die Konkurrenz war auch dieses Jahr wieder groß. Zwei jungen Autoren ist es gelungen, jeweils mindestens drei oder mehr Artikel zu schreiben, die es auf den Aufmacherplatz in der gedruckten Ausgabe geschafft haben. Beide Preisträger haben gründlich recherchiert und sich in fremde Fachgebiete eingearbeitet. Ihr Schreibstil ist sachlich, hier und da betont nüchtern. Blumige Formulierungen sind so gar nicht ihr Ding. Ihnen geht es um Fakten und genaue Schilderungen. Beobachtungen und Zitate gestalten ihre Beiträge lebendig. Es mag Zufall sein, aber beide lesen gerne, und sie machen Musik und treiben alle möglichen Sportarten.

Daniel Rief


Daniel Rief
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Bild: Privat

Der zuständige F.A.Z.-Herausgeber Gerald Braunberger würdigte in seiner Laudatio die beiden Preisträger. Daniel Rief besucht das Goethe-Gymnasium in Ludwigsburg. Er erhält einen Ausbildungsbeitrag von 2500 Euro. Daniels Musikalität spiegelt sich in seinen Texten, er hat über die Hugo-Wolf-Akademie berichtet und einen türkischen Tenor porträtiert. Zwei seiner Themen sind besonders relevant: ein Bericht über die Zentrale Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in seiner Heimatstadt und die Initiative „Meet a Jew“ über den Besuch einer jüdischen Studentin an Daniels Schule. Als sein geplantes Berufsorientierungspraktikum in einer Notfallpraxis coronabedingt ausfiel, verschaffte sich Daniel im Sommer Arbeitserfahrung, indem er bei einem Straßenbau-Unternehmen anheuerte. Was er nach dem Abitur studieren will, weiß er noch nicht. Vielleicht aber etwas in Richtung Journalismus.

Ebenfalls einen der mit 2500 Euro dotierten Fazit-Preise hat Linus Zerzer erhalten. Er besucht das Johann-Philipp-von-Schönborn-Gymnasium im unterfränkischen Münnerstadt. Linus hat einen Hubschrauberpiloten bei der Bundeswehr befragt, erschienen ist der Beitrag unter dem Titel „Feuer, Flut, Tod“. Das Gespräch mit dem Oberstleutnant war herausfordernd, das lag auch am Fachjargon, und Linus berichtet: „Also gab es eine längere Recherchearbeit nach dem Interview, um die vielen Begrifflichkeiten im Themenzusammenhang des Fliegens und der Bundeswehr zu klären. Darunter fielen sowohl die verschiedenen Dienstgrade und Ränge des Bundes als auch die Bezeichnungen der Einsätze und die Flugtechniken, wie zum Beispiel Autorotation.“ Etwas leichtfüßiger waren eine Begegnung mit einem Marktforscher und Linus’ Abstecher zum Golfplatz seines Heimatortes und das Gespräch mit dem Klubmanager: „Dessen Handy klingelte während des Interviews, das wir in seiner Dienstzeit durchführten. Es entlarvte ihn eindeutig als ‚Star Wars‘-Fan. Dies machte mir deutlich, dass man durch ungeplante Zwischenfälle an interessante Details kommen kann.“ Linus leitet die Jugendgruppe der Ministranten und verbringt viel Zeit bei der Wasserwacht des Bayerischen Roten Kreuzes. Das hat ihn in seinem Plan bestärkt, nach dem Abitur Medizin zu studieren. Bodenhaftung beweist auch er, er hat einen Nebenjob in der Gebäudeinstandhaltung. „So gewinne ich einige handwerkliche Grundkenntnisse für die Zukunft hinzu.“

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