Rentnerin mit Grundsicherung

Das Lied „Hollywood Hills“ von Sunrise Avenue ertönt leise im Radio, und Monika Langer beginnt sich in ihrem Wohnzimmer zum Takt zu bewegen. Ihr dunkler Sommerrock mit pastellrosa Blumen schwingt leicht um ihren schlanken Körper, ihre schulterlangen, blond gefärbten Haare fallen in ihr Gesicht und bilden einen starken Kon­trast zu ihrem lila T-Shirt. Ein Kleiderschrank hinter ihr und ein Bett mit einer Kommode daneben begrenzen ihre Tanzfläche. Rechts von ihr steht ein Tisch, an dem bis zu sechs Personen Platz haben. Seit 2014 lebt die Berliner Rentnerin im Bezirk Tempelhof in einer Ein-Zimmer-Wohnung. „Früher hat man nich so drof jeachtet, wenn man mit dem Geld auskam. Ick habe mir dann auch mal den ersten Spargel für zwanzig Euro geholt.“ Monika Langer bewegt sich, während sie redet, immer noch zur Musik. Ihr Berliner Dialekt ist dabei kaum zu überhören. Die 76-Jährige ist gelernte Friseurin, arbeitete zu­letzt jedoch in einer Kan­tine. Seit 2012 lebt sie im Ruhestand und bekommt eine zusätzliche Grundsicherung. „Nachdem mein Lebensgefährte gestorben ist, reichte meine Rente nicht mehr aus.“ Monika Langer hat keinen Anspruch auf eine Witwenrente, da sie nicht ver­heiratet war. Witwen­rente kann nur bezogen werden, wenn ein Ehepartner stirbt. Daraufhin hat die hinterbliebene Person einen Anspruch auf etwa die Hälfte der Rente. Das Lied im Radio klingt aus. Monika Langer setzt sich an den braunen Esstisch und trinkt ihr Glas Wasser, während im Spreeradio die Nachrichten beginnen.

„Welches Fleisch kann ich denn holen?“

„Ich habe mich damit abgefunden, mit so wenig Geld zurechtzukommen, und bin auch zurechtgekommen. Mal recht, mal schlecht.“ Vom Amt bekommt Monika Langer eine zusätzliche Grundsicherung bis zu einer Summe von 750 Euro. Nach allen Abzügen wie Miete, Krankenversicherung und anderem stehen ihr am Ende des Monats nur noch 359 Euro zur Verfügung. In Deutschland gab es im Jahr 2020 gut 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner. Be­zogen auf eine Einwohnerzahl von etwa 82 Millionen, erhielt demnach etwa ein Viertel der Bevölkerung eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.


Bild: Studio Zubunt

Die Nachrichten sind zu Ende, die Melodie von „Blinding Lights“ von „The Weekend“ ertönt im Raum, und Monika Langer beginnt mit ihren Füßen im Takt zu wippen. „Ich meine, durch die Inflation sind die Preise enorm gestiegen. Es heißt immer, wir sollen uns gesund ernähren und Fleisch aus der Region holen. ­Welches Fleisch kann ich denn holen? Gar keins.“ Die Preise für Lebensmittel stiegen in den vergangenen Monaten rasant an. Die Inflationsrate lag im April 2022 bei 7,8 Prozent und ist damit so hoch wie zuletzt 1981. Eine Falte bildet sich auf der Stirn von Monika Langer. Sie trinkt einen letzten Schluck aus ihrem Wasserglas und knallt das Glas auf den Tisch. „Wir befinden uns in einer selbstsüchtigen Zeit, aber dennoch soll auch mal an uns gedacht werden! Wie sollen wir denn damit auskommen?“ Sie steht auf, geht zu ihrem Fenster und beobachtet das Geschehen auf der Straße. „Ich meine, Deutschland gibt Milliarden an die anderen Länder, und das eigene Volk wird vernach­lässigt.“


Bild: Studio Zubunt

Im Juli 2022 soll die Rente im Westen um 5,35 Prozent steigen. „Davon habe ich ja eh nichts“, sagt Monika Langer. Denn wenn eine zusätzliche Grundsicherung vom Amt bezogen wird, sorgt eine steigende Rente nicht für mehr Geld. Denn die Grundsicherung wird nach der Rente und dem Vermögen berechnet. Wenn die Rente nicht reicht, kann zusätzliche Grund­sicherung beantragt werden. Daraufhin wird die Rente aufgestockt auf etwa 750 Euro. Wenn die Rente steigt, sinkt die Summe, die vom Amt zur Aufstockung dazugegeben wird. Die Rentnerin verlässt kurz das Zimmer mit ihrem Wasserglas und kommt mit Kuchen und einem gefüllten Glas wieder. Sie greift zur Gabel und isst ein Stück vom Kuchen. Ihre grau-grünen Augen werden glasig, und ihre Stimme wird ganz leise. „Ich will doch bloß einigermaßen davon leben können, und das kannst du ja nicht, zumindest nicht jetzt.“

Die letzten Sonnenstrahlen scheinen durchs Fenster, als Monika Langer ihre Gabel auf den leeren Teller legt und ihr Glas in die Hand nimmt. Im Radio beginnt das Lied „Rockstar“ von Malik Harris. Monika Langer trinkt den letzten Schluck ihres Wassers und stellt das Glas diesmal behutsam auf den Tisch ab. „Andere Länder haben so eine Unterstützung nicht, deshalb bin ich auch irgendwie froh, in Deutschland zu wohnen.“

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