Showdown um Asyl-Deal: Grünen-Jugend will Baerbock in die Schranken weisen

Die Zustimmung der Bundesregierung zur Reform der EU-Asylpolitik spaltet die Grünen. Beim kleinen Parteitag am Samstag will die Grüne Jugend ihre Bundesminister zur Kurskorrektur zwingen. Ein heftiger Streit ist unvermeidlich.

Der Streit der Grünen über Deutschlands Zustimmung zum EU-Asylkompromiss eskaliert kurz vor dem kleinen Parteitag am Samstag. Die Grüne Jugend will mit vier Änderungsanträgen zum Papier des Parteivorstands nicht nur eine Kurskorrektur erzwingen. Die Partei soll auf dem Länderrat im hessischen Bad Vilbel auch feststellen, dass Außenministerin Annalena Baerbock und Vizekanzler Robert Habeck die Zustimmung der Bundesregierung im Rat der Justiz- und Innenminister der Europäischen Union, dem sogenannten JI-Rat, hätten verhindern müssen.

„Wir halten die deutsche Zustimmung bei den im JI-Rat geeinten Verordnungen für falsch. Die Einigung im Innenministerrat wird eine weitere Verschlechterung der humanitären Lage an den Außengrenzen zur Folge haben“, heißt es in einem Änderungsantrag zu einem Positionspapier der Grünen in der Migrationspolitik.

Die Haltung der Grünen Jugend wird von zahlreichen Mitgliedern des linken Parteiflügels geteilt. Der Antrag macht deutlich, was Svenja Borgschulte, Sprecherin der Grünen-internen Bundesarbeitsgemeinschaft Migration und Flucht, gemeint haben könnte mit ihrer Äußerung: „Wir müssen Annalena anzählen.“ Das Vertrauen vieler Grüner in die einst über alle Flügel hinweg beliebte Baerbock scheint dahin.

Wenn die Grüne Jugend sich durchsetzt, kommt die nächste Koalitionskrise

Weiter fordert der Antrag die grünen Bundesminister auf, den Asylkompromiss zu blockieren, wenn nicht noch wesentliche Änderungen zwischen Parlament, Kommission und EU-Rat vereinbart werden – im sogenannten Trilog-Verfahren, dessen Ergebnis die Bundesregierung erneut zustimmen muss.

„Als Grüne machen wir unsere finale Zustimmung von substantiellen Verbesserungen wie der grundsätzlichen Ausnahme von Kindern und Familien aus dem Grenzverfahren, einer verpflichtenden Verteilung von Geflüchteten, sowie der Verhinderung von Haft und Lager an den Außengrenzen und einer vollumfänglichen inhaltlichen Prüfung eines jeden Asylantrags abhängig“, lautet der Textänderungsvorschlag der Parteijugend. Und weiter: „Wir fordern die Grünen Minister*innen in der deutschen Bundesregierung dazu auf, ihre Zustimmung zum Trilogergebnis von diesen Verbesserungen abhängig zu machen.“

Sollten die Änderungen durchgehen, wäre die nächste Koalitionskrise programmiert. Die SPD – mit der für den EU-Deal zuständigen Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundeskanzler Olaf Scholz an der Spitze – hält die Einigung nach jahrelanger Blockade in der EU für einen substantiellen Fortschritt. Zumal die Ziele der Grünen Jugend angesichts der restriktiven Haltung vieler EU-Länderregierungen kaum durchsetzbar erscheinen. Dennoch könnte sich die Grünen-Spitze schwerlich über ein solches Votum des Länderrats hinwegsetzen.

Showdown kaum zu verhindern

Der Konflikt läuft quer durch die Partei. Habeck, der Co-Parteivorsitzende Omid Nouripour, Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann unterstützen Baerbocks Linie vom „schmerzhaften“, aber notwendigen Kompromiss. Co-Parteichefin Ricarda Lang, die Co-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge und Parteiprominente wie Jürgen Trittin, Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt lehnen den Deal ab.

Einigkeit herrscht dagegen, dass der Streit die Partei vor eine schwere Zerreißprobe stellt. In Hintergrundgesprächen sehen sowohl Vertreter des linken Lagers wie des Realo-Flügels die Partei vor einer schweren Identitätskrise. Schon im Streit um das Abbaggern des Ortes Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier hätte beim Bundesparteitag in Bonn ein Gegenantrag der Grünen Jugend beinahe Erfolg gehabt. Nach zahlreichen Kompromissen innerhalb der Ampel-Regierung ist das Verhältnis zwischen Partei und wichtigen Organisationen, die den Grünen eigentlich nahestehen, so schlecht wie nie zuvor. Der Konflikt um die Migrationspolitik trifft nun den zweiten großen Identitätskern der Partei. Gerade in städtischen, eher linken Kreisverbänden ist der Kampf für eine humanitäre Flüchtlingspolitik für viele Basis-Grüne ein maßgebliches Thema.

Angesichts der Antragslage ist ein offener Schlagabtausch beim Parteitag am Samstag kaum noch zu verhindern. Wie die bei dem Thema selbst gespaltene Parteiführung die Lager versöhnen könnte, ist vollkommen unklar. Dass der Länderrat wie geplant nach sechs Stunden am späten Nachmittag endet, erwartet niemand mehr. Das war es dann aber auch mit den Gewissheiten vor dem großen Showdown in Bad Vilbel.

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