So wecken Sie bei Jugendlichen die Lust auf Obst und Gemüse

Der Anteil übergewichtiger 15-Jähriger ist zwischen 2001 und 2014 von 12 auf 15,5 Prozent gestiegen. Der Anteil Übergewichtiger ist sogar von 11 auf 16 Prozent gestiegen. Das geht aus einer OECD-Studie hervor. Wie bringt man Kinder dazu, sich gesünder zu ernähren?

Jugendliche haben oft ähnlich sonderbare Essensgelüste wie Schwangere. Das liegt zum einen an Hormonen, zum anderen daran, dass im Wachstum der Bedarf an bestimmten Stoffen besonders hoch ist. Da steht gesunde Ernährung nicht auf Platz eins.

Glaubt man dem Ernährungsexperten Sven David Müller, dann geht es mit unserer Essenskultur bergab. „In vielen Familien stehen gesunde Lebensmittel gar nicht zur Verfügung“, klagt er im Gespräch mit t-online.de. „Wenn ich mir da manchmal die Einkaufswagen ansehe, dann wundere ich mich, dass nicht noch mehr Kinder und Jugendliche übergewichtig sind.“

Jugendliche probieren gerne etwas aus

Dabei könne schon ein appetitlich gefüllter Obstkorb dazu verführen, immer mal wieder hinzulangen. Aber nur 37 Prozent der 15-jährigen Mädchen essen täglich Obst, bei den gleichaltrigen Jungs sind es sogar nur 29 Prozent.

Jonas wurde von klein auf dazu erzogen, täglich ein bisschen Obst zu essen. Wirklich gemocht hat er das nie: „Irgendwie war das immer das Gleiche. Apfel, Birne, Banane“, erinnert sich der Siebzehnjährige. Erst durch seine Freundin und ihre Familie ist er auf den Geschmack gekommen. „Da gibt es dauernd Obst oder Gemüse, das ich noch nie gesehen, zumindest aber nie probiert habe, das ist spannend. Jetzt kauf‘ ich mir sogar selber lieber mal eine Mango als eine Tüte Chips.“

Durch Youtube zu mehr Interesse an Obst

Auch die dreizehnjährige Eva ist über andere zum Obst gekommen. „Ich schau mir immer so Lifehacks auf Youtube an und da zeigen die manchmal so Sachen mit Früchten“, sagt sie. „Wie man zum Beispiel mit einem Strohhalm das Grüne aus den Erdbeeren bekommt, ohne sich die Finger schmutzig zu machen. Wie man eine Melone dazu bringt, einen Smoothie auszukotzen und sowas.“

Dann frage sie ihre Mama, ob sie das vom Einkaufen mitbringt und mit ihr ausprobiert. „Seitdem gibt es bei uns immer öfter Sachen, die wir früher nicht gegessen haben. Kokosnuss zum Beispiel, weil die allen schmeckt, sogar meinem kleinen Bruder.“ Früchte wie diese haben vielleicht nicht die beste Ökobilanz, erfüllen in solchen Fällen aber einen wichtigen Zweck: Denn gesunde Neugier und Entdeckerdrang sind eine Grundeigenschaft von Jugendlichen. Und da kann man sie packen.

Viele 14- bis 18-Jährige kochen gern

Riechen, schmecken, ausprobieren – das sind die Methoden, mit denen man kleine Kinder neugierig macht und die auch bei größeren durchaus noch ziehen. Denn eigentlich wollen sie kochen. Wie der Ernährungsreport 2017 zeigt, stehen nur 39 Prozent aller Deutschen täglich selbst am Herd und interessanterweise sind es die 14- bis 18-Jährigen, die das am liebsten tun. Solange es schnell und einfach geht. Eine Entwicklung, die Ernährungswissenschaftler mit Interesse betrachten und die durchaus Potenzial bietet.

Der Bundesminister für Ernährung, Christian Schmidt, möchte diese Begeisterung nutzen und die Schulangebote erweitern. Experten fordern schon lange, dass das Thema mehr Platz in den Schulen bekommen soll, zum Beispiel in Form von Kochkursen. Doch die andere Seite ist skeptisch. Sie ist der Meinung, das Thema Ernährung gehöre eigentlich in die Elternhäuser.

Fast Food ist nicht gleich Fast Food

Vor vielen Jahren hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung einmal herausgefunden, dass Jugendliche einen Großteil ihres Taschengeldes für Fast Food ausgeben. „Und auch heute noch sind mittags die Fast-Food-Tempel und Imbissbuden voll mit Jugendlichen“, so Müller.

Dabei ist Fast Food nicht gleich Fast Food. „Da gibt es gewaltige Unterschiede. Man kann da auch durchaus mal ein Familienevent daraus machen, sich durch die Dönerbuden der Stadt zu probieren und den Döner mit dem besten Fleisch, dem frischesten Salat herauszusuchen.“ Oder einen leckeren Burger, eine abwechslungsreich belegte Vollkornpizza mal gemeinsam selbst zubereiten.

Denn Eltern bleiben das Vorbild. „Dafür ist es auch im Jugendalter noch nicht zu spät“, ist der Buchautor überzeugt. „Wenn ich selbst immer nur als Couch Potato abhänge und Chips in mich hineinfuttere, wenn ich abends schnell die Fertigpizza in den Ofen schiebe oder Fast Food hole, dann färbt das eben ab.“

Jugendliche erreicht man auf emotionaler Ebene

Ganz fernhalten kann man Jugendliche vom Fast Food wahrscheinlich trotzdem nicht, also muss man andere Wege gehen. Kleinkinder essen normalerweise, was auf den Tisch kommt. Aber schon Schulkinder beginnen damit, sich auf ihre ganz eigene Art zu ernähren, wenn sie die Möglichkeit haben. Schokokuss im Brötchen, Würstchensuppe aus dem Glas und natürlich Nudeln mit Ketchup sind schnell „zubereitet“, wenn die Eltern nicht zuhause sind. Doch in der Regel lässt sich diese Altersgruppe noch mit guten Argumenten und leckeren Broten überzeugen.

Bei Jugendlichen ist das nicht mehr so einfach. Hier muss man einen anderen Ansatz wählen: Man muss emotionale statt rationale Wege einschlagen. Ein Psychologenteam der University of Chicago rät dazu, Jugendlichen Informationen vorzulegen, die direkt auf sie zugeschnitten sind. Sie also mit Werten wie zum Beispiel sozialer Gerechtigkeit und Autonomie überzeugen, die sie besonders ansprechen.

Aber man muss aufpassen, dass man es nicht übertreibt. Denn Jugendliche neigen zu Extremen, was entwicklungspsychologisch leicht zu erklären ist. Und das gilt für alle Bereiche, also auch fürs Essen. Schnell kann ganz natürliches Verhalten in krankhaftes kippen. „Neben Magersucht und Bulimie taucht immer öfter auch der Begriff Orthorexie auf. Also das penible Achten auf die Zusammensetzung der Nahrung. Auch das kann zum psychischen Problem werden.“

Ein Stück Pizza ab und zu ist in Ordnung

Eine große Rolle spielt in diesem Alter auch der Gruppenzwang. „Kein Jugendlicher wird zu seinen Freunden sagen ‚Ich komme nicht mit, meine Mama hat gesagt, ich soll mein Vollkornbrot essen‘. Und gegen Fast Food ab und zu ist ja auch nichts einzuwenden, nur das Verhältnis zum Beispiel zu Sport und Bewegung muss stimmen.“ Wenn man sich sonst gesund ernähre, genug Obst und Gemüse esse, dann sei ein Stück Pizza vom Stand ab und zu auch in Ordnung.

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