Traum seit Kindheitstagen: Marco Sozzi fühlt sich zum Schäfer berufen

Marco Sozzi hat seine Leidenschaft schon als Kind entdeckt. Bereits als Achtjähriger fragte er den Schäfer in seiner Heimat aus. Er passte also bestens in ein Ausbildungsprojekt für diesen heute eher unüblichen Beruf. Die Konkurrenz war trotzdem überraschend groß.

20 Jahre ist Marco Sozzi alt, trägt das Haar kurz und blondiert, am rechten Ohr einen kleinen Silberring und um den Hals eine silberne Kette – ein typischer Vertreter seiner Generation. Zumindest ist er es, bis er beginnt, über seine Zukunftspläne zu sprechen. Er träumt nämlich nicht von einem Job in der Finanz- oder IT-Branche, auch nicht davon im Fernsehen aufzutreten oder selber eine App zu entwickeln, die ihm ein Haufen Geld einbringen könnte. Marco träumt von einer Schafherde. Am Anfang würde er sich auch mit 70 bis 80 Tieren zufriedengeben. „Immerhin könnte ich damit schon wirtschaften, Käse herstellen und Fleisch verkaufen. Mit den zehn, die ich jetzt habe, kann ich nichts anfangen“, sagt er ntv.de.

Marco kommt aus der Lombardei, arbeitet nun aber in Rocca San Casciano, einer Ortschaft, die zu den Provinzen Forli und Cesena gehört, und an den Nationalpark Foreste Casentinesi, Monte Falterona und Campigna grenzt. Bekannt ist dieser Nationalpark, der sich zwischen der Emilia Romagna und der Toskana erstreckt, weil hier das Benediktinerkloster Camaldoli und das Franziskanerkloster La Verna angesiedelt sind. In den mittelalterlichen Gemäuern und Zellen verbringt der eine oder andere genervte Stadtmensch auch eine Woche der erholsamen Ruhe und Abgeschiedenheit. Außerdem befindet sich hier eines der unberührtesten und zum UNESCO-Kulturerbe gehörenden Waldgebiete Europas.

Marco hilft gerade im Agrarbetrieb „Mezza Ca“ aus. Hier werden neben Rindern auch Schafe gezüchtet. In diesem Betrieb hat Marco vor einem Monat auch den ersten Teil seines Praktikums absolviert. Er ist einer von acht, fünf Männer und drei Frauen, die an dem ersten Ausbildungsprojekt LIFE Shep for Bio teilgenommen haben. Das Ausbildungsprojekt, das noch in der Pilotphase ist und jedes Jahr über vier Jahre sechs bis acht Schäfer ausbilden soll, gehört zu dem EU-Umweltförderprogramm LIFE, das unter anderem dem Artenschutz und der Erhaltung ihrer Lebensräume dient.

Ansturm auf den Schäferberuf

„Ganz ehrlich? Als wir die erste Ausschreibung zur Teilnahme an diesem ersten Kurs ins Netz stellten, hatten wir Angst, nicht einmal sechs Bewerber zusammenzubekommen“, erzählt Davide Alberti ntv.de. „Die Sorge erwies sich aber bald als unbegründet. Wir bekamen 160 Bewerbungen von Leuten, vorwiegend zwischen 35 und 40 Jahre alt.“

Unter ihnen gab es auch jene, die schon landwirtschaftliche Erfahrung hatten, ihre Fachkenntnisse aber vertiefen wollten; es gab aber auch welche, die beschlossen hatten, einen neuen Lebensweg einzuschlagen. „Darunter kam der eine oder andere aus dem Ausland, wollte aber zurück nach Italien“, erzählt Alberti weiter.

Aber warum eine Schäfer- und Hirtenausbildung? Heißt es nicht, dass solche Berufe sowieso (fast) niemand mehr ausüben will? Von der Sorte Marco, den es nicht stört, um 4 Uhr aufzustehen, die Schafe zu melken oder davor noch welche einzufangen, wenn sich das eine oder andere einen nächtlichen Spaziergang auf der Weide gegönnt hat, gibt es nicht mehr viele.

Schafe gegen den Wald

„Stimmt“, sagt Alberti, „daher auch unsere Sorge, nicht genügend Kandidaten zu finden. Andererseits, ohne diese Berufe, wäre auch der Lebensraum vieler Arten in Gefahr, die auf den Weiden ihr Habitat haben.“ Es geht in diesem Fall nicht um große Flächen, der ganze Nationalpark erstreckt sich über 36.000 Hektar und ist zum Großteil bewaldet. Trotzdem ist es wichtig, „sie zu erhalten, weil sie das Zuhause von Vögeln und anderen Tierarten geworden sind, und ansonsten aussterben würden“. Und damit sich der Wald die Weiden nicht wieder einverleibt, braucht es Schafe und Rinder und demzufolge Schäfer und Hirten.

„Zu den Auswahlkriterien für die Teilnahme an dem Kurs gehörten unter anderem, dass die Kandidaten schon auf ein Zukunftsprojekt hinarbeiteten und wenn möglich aus der Gegend des Nationalparks kamen. Da sich so viele beworben hatten, war die Wahl trotzdem sehr schwer“, fährt Alberti fort.

Die Ausbildung bestand und wird auch in den nächsten drei Jahren aus zwölf Theorie-Modulen und einem Praktikum bestehen. Jedes Modul dauert ein Wochenende. Der Stoff besteht aus Basislektionen in Biologie, Unterricht über die Nutzung der Weiden, die gesundheitlichen Vorkehrungen für die Tiere und Maßnahmen gegen Raubtierangriffe bis hin zu den EU-Regelwerken. Gehalten wird er von Universitätsprofessoren und Agrarunternehmern. Das Praktikum in einem Agrarbetrieb dauert wiederum einen Monat: davon zwei Wochen im Sommer und zwei im Winter.

Wolf und Hund

Natürlich sind alle Fächer wichtig, doch die Maßnahmen, die dazu dienen, die Gefahr von Wolfsangriffen zu begrenzen, haben einen besonderen Stellenwert. Nadia Cappai ist die Tierärztin des Nationalparks und überhaupt die erste Frau, die diesen Posten in einem italienischen Nationalpark besetzt. „Zu meinen Aufgaben gehört es auch, die Bauern, Hirten und Schäfer über die nötigen Maßnahmen zu unterrichten, um Wolfsangriffe zu vermeiden“, sagt sie ntv.de. Das wichtigste Instrument ist und bleibt der Schäferhund. „Wir haben deswegen auch eine Hundeausbildungsschule im Park“, fügt die Tierärztin hinzu.

Auf die Frage, wann er seine Leidenschaft für die Schafe und den Beruf des Schäfers entdeckt hat, antwortet Marco: „Von klein auf. Meine Familie führt einen Bauernhof. Ich bin also auf dem Land aufgewachsen. Ich denke, ich war so um die acht Jahre alt, als ich begann, mich für die Schafe und den Beruf des Schäfers zu interessieren. Wenn vor dem Haus meiner Großmutter ein Schäfer mit seiner Herde vorbeikam, hielt ich ihn an und stellte einen Haufen Fragen. Mit 17 hab ich mich dann bei Schafzüchtern gemeldet und mehrere Monate auf ihre Herde aufgepasst. Geschlafen hab ich in einem Wohnwagen.“

Die Schule hat Marco kurz vor der Matura geschmissen, obwohl es sich um eine Agrarschule handelte. Mit der Theorie konnte er aber nichts anfangen, die langweilte ihn nur noch. Er sei praktisch veranlagt. „Mit einigen Professoren bin ich aber weiter in Kontakt“, fügt er hinzu. „Die wissen zwar wenig von der Praxis, dafür helfen sie mir immer gerne, wenn ich zum Beispiel Informationen zu Dünger oder Pflanzenschutzmitteln brauche.“

Seine Eltern waren über die Entscheidung, die Schule zu schmeißen, gar nicht erfreut. „Mittlerweile haben sie aber gesehen, dass ich es ernst meine“, sagt er. Und was sagt seine Freundin? „Sie meint, wenn ich glücklich bin, dann passt das.“

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