Weidetötung statt Tiertransport


Der Geruch von Heu und das leise Geräusch der fressenden Kühe erfüllen die Luft auf dem idyllischen Hof im Appenzellerland. Alles ist friedlich. Das Einzige, was auffällt, ist das zehnmonatige Rind, das abseits der anderen in einer abgetrennten Box angebunden ist. Es soll heute hier auf der „Streichelfarm“ in Gais getötet werden. „So, Schöberli“, sagt der ausgebildete Metzger und Jäger Damian Signer, der robuste Arbeitskleidung trägt. Ruhig tritt er an das „Stierli“ heran und hält ihm den Bolzen an den Kopf. Nun geht alles schnell: ein leises Klicken, und das Tier bricht zusammen. Der Bolzen hat genau das Stammhirn des Rindes getroffen, wodurch es sofort betäubt ist. Nun spürt es nichts mehr. Signer prüft mit einem kurzen Griff in das Auge des Tieres, ob es eine Reaktion zeigt. Wäre dies der Fall, müsste er es sofort mit einem zweiten Bolzen nachbetäuben. Nach der Betäubung muss nach 60 Sekunden der Bruststich erfolgen, um das Tier auszubluten.

Erst dann ist es wirklich tot. Nun wird das Rind aus der Box herausgehievt, eine Schlaufe an seinem Bein befestigt und mit einem kleinen Kran angehoben. Durch den Bruststich werden in der Nähe des Herzens die Venen und Arterien durchtrennt. Je nach Tier treten etwa 10 bis 15 Liter Blut aus. „Bei mir steht das Tierwohl bis zur und mit der Betäubung im Vordergrund. Sobald das Tier tot ist, wird die Fleischqualität am wichtigsten“, erklärt Signer. So brutal das Wort „Hoftötung“ klingen mag, ist es nicht. Ganz im Gegenteil, sie erspart den Tieren den Stress einer Verladung und die Fahrt zum Schlachthof, wobei sie durch den strengen Geruch und die ungewohnte Umgebung panisch werden können. „Das kann auch für den Menschen gefährlich werden“, sagt Signer, der seit 2021 Hoftötungen als Dienstleistung anbietet. Schweizweit machen das nur zwei Personen in dieser Form, doch die Nachfrage der Bauern steigt.

Weniger Stress für möglichst gute Fleischqualität

Im Schlachthof wird das Tier dann ausgenommen. Das Rind hat als eines von wenigen das Glück, diesen nicht lebend betreten zu müssen. Das Vermeiden von Stress ist nicht nur für das Tierwohl von Belang, sondern wirkt sich auch auf die Fleischqualität aus. „Es kann nicht sein, dass der Bauer ein Jahr lang für möglichst gute Fleischqualität sorgt und er diese dann in einer Viertelstunde wieder zunichtemacht. Denn wird das Tier gestresst, steigt der pH-Wert, und das Fleisch wird schneller sauer.“

Als das Rind vom Bolzenschuss betäubt gegen die Holzwand schlägt, schrecken die anderen Tiere kurz hoch. Nach einer Zeit fressen sie in Ruhe weiter, als wäre nichts geschehen. Hofbesitzer Tobias Koster vergleicht ihre Reaktion mit der von uns Menschen: „Es ist ähnlich, wie wenn man beim Essen eine Gabel fallen lässt. Man zuckt höchstens kurz wegen des Geräuschs zusammen.“ Um seine Rinder möglichst wenig Stress auszusetzen, gewöhnt Koster sie einige Tage vor der Tötung an das Herausholen aus der Herde. Auf der Streichelfarm dürfen sie bis zum Abend vorher mit ihren Müttern auf der Weide sein.

Höhere Kosten und strenge Auflagen

In der Schweiz sind Hof- und Weidetötungen seit Juli 2020 unter strengen Auflagen erlaubt. Das Gesetz, dass das Tier 45 Minuten nach der Betäubung geschlachtet sein muss, wird ab Mitte dieses Jahres auf 90 Minuten ausgeweitet. Diese Zeitangabe muss eingehalten werden, da sich der Körper nach der Tötung aufbläht und Bakterien aus dem Magen des Tieres ins Fleisch eindringen könnten. Mit der neuen Regelung können auch Bauern, die weiter von einem Schlachthof entfernt wohnen, ihre Tiere auf dem Hof töten.

Zudem wird vor der Tötung eine Fleischkontrolle vorgeschrieben, und bei den ersten fünf Tötungen auf dem Hof muss ein Tierarzt dabei sein. Das generiert für den Bauern mehr Kosten, als wenn er die Tiere in den Schlachthof bringt. Bei Geflügel sei der Weg bis zur Schlachtung oft eine Katastrophe, sagt Signer. „Wenn die Tiere in Boxen gedrückt und durch die ganze Schweiz oder sogar nach Deutschland gefahren werden, um dann in Wartebuchten noch einen halben Tag warten zu müssen, finde ich das traurig.“ Er arbeitet an der Umsetzung der ersten mobilen Geflügelschlachtanlage der Schweiz.

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