Wie es früher zuging im Appenzellerland

Wie es früher zuging im Appenzellerland

Hinter dem Lehrerpult steht eine verschmierte Wandtafel. Verstaubte Lampen hängen von der niedrigen Decke des 30 Quadratmeter großen Raumes und tauchen ihn in schummriges Licht. Drei Reihen von zerkratzten Schulbänken sind parallel zueinander angeordnet, das Fichtenholz knarzt. An jeder Bank hängt ein Schulranzen aus abgewetztem Leder an einem Haken, an den Kopfenden sind Metallhalterungen für Tintenfässchen angebracht. Auf einer der Bänke sitzt Patrick Eugster. Der Koch befindet sich im „Tintelompe“ – dem Schulzimmer des Erlebnisrestaurants Waldegg in Appenzell Außerrhoden. Der 33-Jährige ist der Neffe von Chläus und Anita Dörig, die die „Waldegg“ 1982 übernommen haben. Sie bildet eine der sieben Ecken des „Eggen-Höhenwegs“. Als Geschäftsleiter ist Eugster hauptsächlich im Marketing und in der Küche tätig, hilft jedoch oft aus, etwa beim Füttern der Ziegen oder Servieren. „Ich bin eigentlich Mädchen für alles. Dort, wo es brennt, bin ich.“

In der Kammer der Magd

Die Gartenterrasse bietet einen weiten Blick auf den Alpstein. Es gibt einen Spielplatz und einen Streichelzoo mit Ziegen und Hasen. „Die Kinder sind die Gäste von morgen“, ist Eugster überzeugt. Obgleich offen für neue Ideen, legt man Wert darauf, das „Urchige“, Appenzellische zu bewahren. Dies ist auch Chläus Dörig ein Anliegen, als er 2001 den „Schnuggenbock“ eröffnet, auch „Großmutters Bauernhaus“ genannt. Neben dem altherkömmlichen Restaurant „Waldegg“ bietet sich im zweiten Lokal ein Anblick wie vor 70 Jahren. Speisen kann man in der Stube der Großmutter, im Stall und in der Kammer der Magd. Serviert werden regionale und saisonale Speisen, also Äpfel, aber keine Orangen. Brot und Käse stammen aus der hauseigenen Bäckerei und Käserei. Tischmanieren sind gefragt: „Wenn die Gäste die Teller nicht zusammenstellen, kommt ein Becken auf den Tisch, und sie müssen selbst abwaschen.“ Auf spielerische Art wird gezeigt, wie es früher in der Waldegg zuging. Hier, zwischen Kuhglocken und frisch bezogenen Betten, kann man sich Zeit lassen. „Da sind ja Schweine im Restaurant!“, mag so mancher Gast erstaunt feststellen. Kaum zwei Meter neben den Gästen, durch eine Glasscheibe abgetrennt, befindet sich ein Schweinestall, in dem sich Ferkel tollen und die Muttersau im Stroh döst. „Wenn es nach uns gegangen wäre, dann würden die Tiere frei herumlaufen“, meint der Leiter des Betriebes. Dies ist aus hygienischen Gründen nicht möglich.

Er übernimmt die Einschulung der Gäste

Im gleichen Stil kamen 2006 noch das „Tante Emma Lädeli“ und der „Tintelompe“ dazu. Die Idee war es, aus der Waldegg ein eigenes kleines Dorf zu machen. Das „Lädeli“ verkauft Käse, originalverpackte Markenwaren aus vergangenen Tagen und Süßigkeiten. Wie zu Großmutters Zeiten informieren gestickte Anzeigen über das Produkt, zum Beispiel die feinen „Zuckerbölle“, die in alten Bonbonieren zur Schau gestellt werden. Auch Produkte aus dem „Ziträdli“, der Holzofenbäckerei, werden verkauft. „Die besten Ideen entstehen dann, wenn man im ersten Moment denkt, das ist ja ,birnenweich‘“, sagt der Neffe von Chläus. So entstand das Schulzimmer aus den 1930er-Jahren, in dem Lehrer Bünzli, gespielt von Martin Spirig, die Einschulung der Gästegruppen übernimmt, um ihnen eine unvergessliche Stunde in einer vierten Klasse zu bescheren „Bünzli“ bezeichnet eine spießige, kleinkariert wirkende Person. Humorvoll unterrichtet Bünzli seine Viertklässler und haut sie auch gerne mal „übers Ohr“. Während die Lieblingsschülerin in der vordersten Bankreihe überschwänglich gelobt wird, muss der vermeintlich freche Schüler in der Ecke stehen.

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