Zu wenig Kontrolle bei Alkoholverkauf

AltersgrenzeZu wenig Kontrolle bei Alkoholverkauf

Prost! Jugendliche Testkäufer kommen immer noch an Alkohol – wie Schwerpunktaktionen zeigen Foto: dpa

Stuttgart – Eigentlich ist das System an der Kasse narrensicher. Alkohol wird mit einem roten Signal quittiert – keine Abgabe an Kunden unter 18, im Zweifel den Ausweis vorlegen lassen. Eigentlich sind auch die Lockvögel ehrlich. Würden sie gefragt, ob sie älter als 18 sind, dann würden sie mit Nein antworten. Und eigentlich geht aus dem Personalausweis das tatsächliche Alter eindeutig hervor – das entscheidende Stichdatum wäre heute der 30. Dezember 1996.

Eigentlich. Doch die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes werden noch immer viel zu selten beachtet. Trotz verschärfter gesetzlicher Bestimmung. Trotz der Möglichkeit für Behörden, Jugendliche als Lockvögel einzusetzen.

Eine aktuelle Testkauf-Aktion in Ludwigsburg, bei der zwei jugendliche Auszubildende unter Aufsicht von Polizei und Ordnungsamt auf Tour gingen, brachte ein ernüchterndes Ergebnis. Bei zehn von 17 Verkaufsstellen, also knapp 60 Prozent, kamen die Jugendlichen ohne große Schwierigkeiten an die für sie verbotenen Waren. „Entweder wurde kein Ausweis verlangt, oder es wurde trotz Ausweiskontrolle verkauft“, sagt der Ludwigsburger Polizeisprecher Peter Widenhorn. Deshalb laufen seit Wochen im gesamten Landkreis großangelegte Schwerpunktkontrollen.

Davon kann in der Landeshauptstadt Stuttgart indes keine Rede sein. Nach verheißungsvollem Start im Sommer 2010, als das Landessozialministerium den Einsatz jugendlicher Testkäufer freigab, findet die Lockvogel-Aktion von Stadt und Polizei inzwischen nur noch selten statt. Und das, obwohl die Stadt den Kurs eigentlich noch verschärfen wollte. 2012 hatte Ordnungsbürgermeister Martin Schairer an befristete Alkoholverbote gedacht und auf eine entsprechende Novellierung des Polizeigesetzes gehofft. Stattdessen aber wurde der Aufwand zurückgefahren. Selbst das Streetwork-Projekt der mobilen Jugendarbeit gegen ­Alkohol-Exzesse in der Vergnügungsszene wurde eingestellt. Der Gemeinderat wollte keine 200 000 Euro dafür investieren.

Dürftig sieht es auch mit den Alkohol-Testkäufen durch Jugendliche aus. Im Jahr 2014 gab es lediglich einmal eine größere Kontrolle von Stadt und Polizei in der Innenstadt – im Juli. Während des Frühlings- und Volksfestes gab es an vier Tagen Kontrollen auf dem Wasen – teils immerhin auch in Geschäften in Bad Cannstatt. Die nächsten Kontrollen gab es erst wieder beim Weihnachtsmarkt und lediglich in einem einzelnen Geschäft in der Innenstadt.

„Der Umfang der Kontrollen ist angesichts der Wichtigkeit wirklich zu gering“, räumt Stadt-Sprecher Fabian Schlabach ein. Man sehe es aber als Aufgabe an, „die Leichtigkeit, mit der man sich ohne Vor­planung auf die Schnelle Alkohol im Handel beschaffen kann, zu unterbinden“. Und ­dabei repräsentieren das Zentrum und der ­Neckarpark nicht einmal die ganze Stadt. Andere Stadtteile sind von Testkäufen weit entfernt: „Eine Ausweitung wäre sehr wünschenswert“, heißt es im Rathaus, „sie scheitert aber an den personellen Ressourcen.“

Da geht es rund um die Landeshauptstadt schon ganz anders zu. Offenbar ist in den Landkreisen Ludwigsburg und Böblingen mehr Personal vorhanden – denn seit mehreren Wochen rollt dort bis zum Jahresende eine Schwerpunktaktion. Mit zumeist ernüchternden Ergebnissen. Am Ludwigsburger Weihnachtsmarkt beispielsweise wurde bei vier Stichproben in drei Fällen Glühwein mit Schuss an Jugendliche verkauft – und auch in Ladengeschäften war die Bilanz kaum besser.

In Möglingen, Tamm und Kornwestheim wurden 19 Verkaufsstellen durchleuchtet, dabei gerieten acht Verkäuferinnen auf die schwarze Liste. Besser war die Bilanz in Korntal-Münchingen, wo es nur in zwei von acht Geschäften Alkohol gab. In Bietigheim-Bissingen und Kirchheim am Neckar mussten fünf von zwölf getesteten Verkaufsständen beanstandet werden.

Auch in Böblingen wurden die Lockvögel immer wieder fündig. In sieben von 16 Geschäften, eine Quote von immerhin knapp 44 Prozent, wurde Alkohol verkauft. Dabei verzichtete das Verkaufspersonal in fünf Fällen auf die Vorlage des Personalausweises, obwohl das Kassensystem Alarm schlug. Zwei Angestellte ließen sich den Ausweis zeigen, verkauften aber trotzdem. Die Sünder erwartet ein Bußgeld zwischen 250 bis 300 Euro. Besitzer, die ihren Laden wiederholt nicht im Griff haben, müssen gar mit bis zu 3000 Euro Bußgeld rechnen.

Das Rätsel, warum Verkäufer trotz automatisierter Warnung an der Kasse Alkohol verkaufen, hat die Polizei inzwischen klären können. „Die Betroffenen haben sich schlicht verrechnet und einen Denkfehler begangen“, sagt Polizeisprecher Widenhorn: „Wenn die Kasse das Stichdatum Dezember 1996 anzeigt, wird einer mit Geburtsjahr 1998 irrtümlich für älter gehalten.“

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