DHB-Team bei WM in Indien: Wo Hockeyspieler sich wie Stars fühlen

Grambusch ist anderes gewohnt. Daheim spielt der 30-Jährige für Rot-Weiß Köln. Mehr als 150 Fans verlieren sich zu den Spielen des deutschen Meisters nicht mal, wenn Rekordsieger Uhlenhorst Mülheim vorbeischaut. Hier in Bhubaneswar, der Hauptstadt des Bundesstaates Odisha im Nordosten Indiens, spielt er mit der DHB-Auswahl vor 10 000 Zuschauern und mehr.

Die Hockey-Arena in Bhubaneswar ist ein Monument für einen Sport, der nirgendwo sonst auf der Welt derart populär ist wie in Indien oder noch im benachbarten Pakistan. Das Stadion ist dekoriert, wie man es von Fußball-Turnieren kennt. Überall hängen Plakate von gewaltiger Größe mit dem WM-Maskottchen Olly, einer Meeresschildkröte mit Hockey-Schläger. Es gibt Pausenunterhaltung mit DJ und Tänzerinnen, die Glitterpuschel schwenken. Der WM-Song läuft in der Dauerschleife, und die Fans zählen die Sekunden vor dem Anpfiff herunter.

Mit einem souveränen 3:0-Sieg gegen Japan starten die deutschen Hockey-Herren perfekt in die WM. Nun wartet Weltmeister Belgien.

Doch Indien wäre nicht Indien, wenn es nicht noch einen draufsetzen würde. Nach den Toren zündet Feuerwerk, Rauch steigt auf, Sirenen dröhnen, rund um das Stadiongelände erzeugen Tausende farbige Lampions in den Bäumen eine Kulisse wie in Musicals aus Bollywood.

Vor allem in Odisha geht, was anderswo undenkbar wäre. Autor dieser Opulenz ist Naveen Patnaik, der Gouvneur des Bundesstaates am Golf von Bengalen. Der 76-jährige Politiker und Autor diverser Abhandlungen zu soziologischen und historischen Themen ist seit 22 Jahren im Amt und hat Hockey ins Zentrum seiner Image-Kampagne für den verhältnismäßig unbedeutenden Bundesstaat gerückt.

2018 wurde Odisha offizieller Sponsor der indischen Hockey-Nationalmannschaft und erklärte sich bereit, innerhalb von fünf Jahren geschätzte 17 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. 2021 wurde der Vertrag um weitere zehn Jahre verlängert. Auch der Bau des 20 000 Zuschauer fassenden, größten reinen Hockey-Stadions der Welt in der zweiten Ausrichterstadt Rourkela ist ein Ergebnis dieses Investments. Das unvergleichliche Engagement von Odisha Politelite hat auch den internationalen Hockeyverband FIH überzeugt. Drei der vergangenen vier Weltmeisterschaften fanden in Indien statt.

Die Bedeutung von Hockey in Indien fußt auf einer einzigartigen Vergangenheit. Den Sport hatten die englischen Kolonialherren mitgebracht. Schnell fanden die Inder, denen sportliche Mannschaftsaktivitäten bis dahin unbekannt waren, Gefallen an dem Spiel. 1885 gründete sich in Kalkutta der erste indische Hockey-Club.

Die DHB-Auswahl kann den Viertelfinaleinzug bei der WM noch vorzeitig schaffen. Gegen Favorit Belgien gab es ein verdientes 2:2.

1928 gewannen die von turbantragenden Sikhs dominierten Inder ohne Gegentor ihre erste olympische Goldmedaille, fünf weitere in Serie folgten. Die Dominanz war derart überwältigend, dass Indiens Nationalteam 25 Spiele bei Olympia hintereinander gewann – dabei 178 Tore schoss und nur 15 kassierte. Erst Pakistan bei den Spielen 1960 in Rom beendet das Regnum.

Der Niedergang des Hockeys in Indien fällt zusammen mit der Einführung des Kunstrasens Ende der 1970er Jahre. Auf dem zuvor natürlichem Untergrund versprangen viel lange Bälle. Dribbelkünste entschieden die Partien, die niemand besser beherrschte als die Inder. Seitdem die Kugel nicht mehr über Unebenheiten flippert, sind andere Fähigkeiten gefragt: schnelles Passspiel, ausgeklügelte Matchpläne gepaart mit Athletik und Ausdauer.

Indiens Artisten haben eine Weile gebraucht, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Nachdem sie 1980 noch einmal Gold bei Olympia in Moskau gewannen, folgten 41 Jahre ohne nennenswerten Erfolg. Doch die Wiederauferstehung ist im Gange. Bei den Spielen in Tokio 2021 wurden die Inder Dritte. Im kleinen Finale besiegten sie ausgerechnet den deutschen Olympiasieger von 2008 und 2012, der damit erstmals seit 2004 ohne olympische Medaille blieb.

Konstellation Es geht eng zu. Am Freitag ( Uhr) spielt das Team des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) bei der WM in Indien gegen Südkorea um den direkten Einzug ins Viertelfinale. Dieser ist dem Gruppenersten vorbehalten – und Belgien, das zum Abschluss der Vorrunde auf Japan trifft, weist bei Punktgleichheit (je vier Zähler) ein um zwei Treffer besseres Torverhältnis auf.

Alternativweg Als Gruppenzweiter oder -dritter würde die DHB-Auswahl in einem Zwischenrundenspiel um den Einzug in die Runde der letzten Acht kämpfen.

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