Fußball-Bundesliga: Köln rechnet sich auch gegen München eine Chance aus

Das Spiel war längst entschieden, mit 5:1 führte der 1. FC Köln zur Halbzeit gegen Werder Bremen, und mancher Zuschauer richtete sich bereits auf eine entspannte zweite Halbzeit ein. Schließlich spielen die Kölner schon am Dienstagabend ( Uhr/Sat 1) beim FC Bayern München, der Gedanke, ein paar Kräfte für dieses Spiel zu sparen, lag auf der Hand. Aber solche Überlegungen sind tabu unter Trainer Steffen Baumgart, der bei eisiger Winterkälte ein typisches Baumgart-Zeichen setzte.

Nach der Pause kam der Trainer ohne seinen schwarzen Hoodie im T-Shirt aus der Kabine und führte weitere 45 Minuten einen besonders wilden Trainertanz an der Seitenlinie auf. Er trieb seine Spieler immer weiter an, gönnte niemandem auch nur einen Moment des Nachlassens, und am Ende hatte der FC mit 7:1 gewonnen. Es war der höchste Bundesligasieg des Clubs seit 40 Jahren. „Heute kann man das kurz genießen“, sagte der Trainer später, „aber man darf das nicht überbewerten“, sein Team habe eben „das Quäntchen gehabt“, das für solche Spiele nötig sei.

Seltsam emotionslos nimmt das Stuttgarter Publikum den ersten Auftritt von Bruno Labbadias Team beim 1:1 gegen den FSV Mainz zur Kenntnis. Die Verantwortlichen zeigen sich trotz einer höchst mäßigen Leistung zufrieden.

Das war reichlich untertrieben, denn die Kölner kommen ja aus einer Art Herbstkrise mit nur einem Punkt aus den fünf Bundesligapartien vor der WM-Pause. Jetzt steht der Fuß aber wieder auf dem Gaspedal. Es geht weiter, immer weiter, das ist ein Hauptmotiv der Baumgart-Jahre, die schon jetzt eine kleine Ära sind. Weil mittlerweile jedem klar ist, dass hier nicht einfach der nächste Trainer in der Reihe der Gisdols, Anfangs und Beierlorzers unterwegs ist, sondern ein Mann, der wirklich etwas bewegen kann. In der Hinrunde war das noch schwierig, weil aufgrund der Teilnahme an der Conference League ständig Wettkämpfe absolviert werden mussten, kaum Zeit für Übungen blieb und viel Kraft verloren ging.

Nach dem Spektakel gegen Werder Bremen sagte Baumgart: „Wir wussten, wenn die Jungs den Akku wieder voll haben, dann kommen wir wieder in die Spur. Der große Unterschied zur Hinrunde ist, dass wir im Winter einfach trainieren konnten.“ Denn der FC sei eine „Entwicklungsmannschaft“, die vielen günstigen Spieler, die meist aus unteren Ligen kommen, brauchen viele Stunden auf dem Trainingsplatz.

In der langen Pause hatten sie diese Zeit, und das war gut zu sehen am Samstagabend. Der junge Mittelfeldspieler Eric Martel, 20, der vor der Saison von RB Leipzig nach Köln wechselte, spielte genauso hervorragend wie der Innenverteidiger Julian Chabot, 24. Steffen Tigges, 24, leitete das 1:0 mit einem gewonnenen Zweikampf und zwei klugen Pässen ein, schoss das 2:0, wurde später aber vor allen Dingen wegen seines Treffers aus 47 Metern zum 3:0 gefeiert. „Heute hat in allen Bereichen alles funktioniert“, sagte Tigges, der im vergangenen Sommer von Borussia Dortmund zum FC gekommen war.

Dieses Spiel werden beide so schnell nicht mehr vergessen. Mit 7:1 besiegt der 1. FC Köln den Gegner aus Bremen. Bereits in der ersten Halbzeit passiert enorm viel.

Der Flügelspieler Linton Maina, 23, spielte schon in der Hinserie stark, vergab aber noch zu viele Chancen. Vor Weihnachten habe ihm „der Torabschluss noch gefehlt, daran arbeiten wir jeden Tag“, sagte er. Offensichtlich mit Erfolg. Gegen Bremen traf Maina souverän zum 1:0. Auch Denis Huseinbasic, der für eine Miniablöse von Kickers Offenbach kam, wird mehr und mehr zu einer tragenden Figur in dieser Mannschaft, weil Baumgart einfach die Fähigkeit hat, Spieler wachsen zu lassen. Und die enorme emotionale Wucht, die sowohl er selbst als auch das Kölner Publikum entwickeln können, hilft sehr bei diesem Prozess.

Am Ende dieses Abends herrschte diese rührselig-stolze, mitunter etwas selbstverliebte Karnevalsstimmung in Müngersdorf, und die Menschen sangen in Anspielung auf die bevorstehende Reise zum Tabellenführer: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus.“ Das Duell in München könnte ein interessantes Spiel werden, denn die Kölner Intensität kann jeder Mannschaft Probleme bereiten. „Wir werden auch versuchen, gegen die Bayern zu gewinnen, wir wollen was entwickeln, wir wollen was machen, deshalb bleiben wir mutig“, kündigte Baumgart an, der faszinierend gut zu diesem Fußballverein passt. Zuletzt deutete er sogar an, dass er bereit ist, seinen 2024 endenden Vertrag zu verlängern, ohne mehr Geld zu verlangen.

Die Verantwortlichen des VfB Stuttgart streichen nach dem Unentschieden vor allem die positiven Seiten des Spiels heraus. Das ist nachvollziehbar, meint unser Sportredakteur Carlos Ubina – aber es gibt auch kritische Punkte.

Kurz vor Karneval ist der Euphorielevel im Kölner Fußball damit wieder einmal nahe am Maximum, wobei Baumgart immer wieder daran erinnert, dass seine Mannschaft eigentlich mitten im Abstiegskampf steckt. Dass die Entwicklungsarbeit jedoch weiterhin so gut funktioniert und das neue Fußballjahr derart überzeugend begann, ist ein sehr beruhigendes Zeichen für alle Freunde des FC.

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