Stuttgart – „Vielen Dank für die Nominierung zum Mitläufer des Tages“ sagt ein junger Mann in die laufende Kamera, prostet mit einem vollen Bierglas in die Luft und trinkt es in einem Zug leer. „Social Beer Game“ nennt sich ein virtuelles Trinkspiel, das seit einigen Tagen bei Facebook und andern sozialen Netzwerken die Runde macht und sich innerhalb weniger Tage deutschlandweit verbreitet hat.
Die Spielregeln sind simpel: Wie bei einem Kettenbrief werden jeweils drei Personen von Freunden aufgefordert, einen halben Liter Bier in einem Zug zu leeren, sich dabei zu filmen und über das Internet wiederum selbst drei Kandidaten zu nominieren. Diese müssen der Aufforderung zum Biertrinken dann innerhalb von 24 Stunden nachkommen. Wer nicht mitmacht, bekommt nicht nur den Spott seiner Online-Freunde zu spüren, sondern auch eine Strafe aufgebrummt, muss beispielsweise einen Kasten Bier kaufen. Und so macht das Spiel rasend schnell die Runde: Hippe Radiomoderatoren, bayerische Bürgermeister-Kandidaten, angehende Lehrer oder schottische Erasmus-Studenten tummeln sich Bier-trinkend auf den Facebook-Seiten. Sogar ganze Städte werden mittlerweile nominiert, woraufhin sich Jugendliche dann gruppenweise zum gemeinsamen Trinken verabreden.
Seinen Ursprung nahm das „Social Beer Game“ angeblich vor über einem Jahr unter dem Namen „NekNomination“ in Großbritannien. Unter dem Motto „neck your drink, nominate another“ – exe dein Getränk und nominiere einen anderen – schwappte der Trend bald auch nach Australien und Südafrika über. In den englischsprachigen Ländern allerdings geht es dabei weit wilder zu als hierzulande: Im Vereinigten Königreich überbieten sich die Jugendlichen in den Videos mittlerweile gegenseitig mit besonders heftigen Trinkmischungen. Statt zu einem halben Liter Bier wird dann auch mal zur Wodkaflasche gegriffen – ganz nach dem Motto „je mehr und je härter, desto cooler“.
Während in Deutschland die jungen Leute ihr Bier meist recht unspektakulär und an einem Tisch sitzend leeren, werden im Ausland besonders riskante Aktionen beim Trinken immer beliebter. In Australien exte ein junger Mann sein Bier auf einem Skateboard und fuhr dann eine befahrene Straße hinunter – mit dem Glas in der Hand. Zwei andere Australier leerten ihr Getränk, während sie einhändig und ungesichert an einem fliegenden Helikopter hingen.
Dass die Aktion bei weitem nicht harmlos ist, zeigte sich vor wenigen Tagen auch in Irland: Dort starb ein junger Mann an einer Alkoholvergiftung – angestachelt von dem Online-Wettstreit. Ein zweiter Ire ertrank, als er für das Video beim Trinken in einen Kanal springen wollte. In Irland kippte danach die Stimmung, viele Politiker und Jugendliche warnen dort vor der Aktion. Was aber veranlasst junge Leute, sich dem Massen-Trinken anzuschließen? „Vermutlich ist es der Wunsch, Teil eines großen Ganzen zu sein“, meint ein 24-Jähriger auf Facebook. „Es fasziniert mich, wie dieses Phänomen um die Welt geht, wie rasend schnell es sich verbreitet.“ Mehr als 23 000 Nutzer sind allein innerhalb von zehn Tagen der deutschen Seite „SocialBeerGame“ bei Facebook beigetreten .
„Die jungen Leute lechzen vor allem nach Aufmerksamkeit und positiver Bestätigung“, sagt Ingrid Bounin vom Landesmedienzentrum in Stuttgart. „Und zunächst einmal bekommen sie auch Aufmerksamkeit, positive Kommentare und viele ‚Likes’, wenn sie bei so etwas mitmachen“, sagt die Medienpädagogin. Dabei zeige sich aber, dass die Biertrinker nicht über die längerfristigen Folgen von solchen Aktionen nachdenken. „Die Jugendlichen tun sich mit so etwas keinen Gefallen. Wenn es um Bewerbungen geht, informiert sich heute jeder auch in den sozialen Netzwerken.“ Man solle sich besser vorher überlegen, was man über das Internet öffentlich mache – und ob man damit auch in zehn Jahren noch einverstanden wäre. Eine Gefahr sei auch, dass solche Aktionen dazu genutzt würden, andere auszugrenzen, sagt Bounin – wenn diese dem Gruppenzwang widerstehen, beispielsweise. „Es gehört viel Stärke und Selbstbewusstsein dazu, da nicht mitzumachen.“
Das Sozialministerium in Stuttgart hält das Trinkspiel für „gefährlichen Schwachsinn“. Man hoffe, dass sich möglichst wenige Leute an der Aktion beteiligen werden, so eine Sprecherin. Das Unternehmen Facebook selbst kommentierte die weltweit umgehende Aktion eher am Rande: Man toleriere keine Inhalte, die in direkter Weise schädlich sind. Allerdings verstoße kontrovers diskutiertes Verhalten nicht zwingend gegen die Regeln des Netzwerks, heißt es in einem Schreiben.
Doch längst nicht jeder „Bier-Nominierte“ macht den fragwürdigen Trend einfach unbedacht mit. Auf den sozialen Plattformen regt sich mittlerweile heftiger Widerstand: So wandelten die Hockey-Nationalspieler Christopher Wesley und Tobias Hauke das Spiel einfach um. Statt ein Bier zu trinken, spendete Wesley Geld für einen guten Zweck, filmte dies und nominierte anschließend Hauke, es ihm gleich zu tun. Viele Jugendliche und Prominente wie die Schauspielerin Janina Uhse schließen sich auch der Gegenbewegung „AntiBiernominierung“ an, spenden Lebensmittel an Obdachlose, „exen“ statt des Bieres ein Fruchtzwerg-Joghurt oder filmen sich beim Blutspenden – ganz nach dem Motto: „Einen dämlichen halben Liter Bier kann ja jeder leeren. Aber man braucht wirklich Mut, um einen halben Liter Blut zu spenden.“
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Die Ermittler im Fall des Messerangriffs in einem Regionalzug in Schleswig-Holstein haben erstmals Einzelheiten zu den Identitäten der Verletzten bekannt gegeben. Drei Personen liegen demnach noch in Krankenhäusern – für zwei Jugendliche gibt es hingegen Entwarnung.
Nach dem Messerangriff eines 33-Jährigen in einem Zug in Schleswig-Holstein werden weiterhin drei Verletzte in Krankenhäusern behandelt. Es handle sich um zwei Frauen im Alter von 27 und 54 Jahren sowie einen 62-jährigen Mann, teilte die Polizei in Itzehoe mit. Sie seien „bei Bewusstsein und derzeit stabil“. Zwei weitere Verletzte seien inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen worden. Bei ihnen handle es sich um zwei junge Männer im Alter von 22 Jahren.
Damit veröffentlichten die Ermittler zugleich erstmals Einzelheiten zu den Identitäten der Verletzten der Attacke, bei der eine 17-Jährige und ein 19-Jähriger getötet worden waren. Wie die beiden Getöteten stammen die meisten Verletzten demnach aus Schleswig-Holstein, lediglich die noch im Krankenhaus behandelte 27-Jährige kommt aus Hamburg.
Ein wenige Tage zuvor in Hamburg aus Untersuchungshaftanstalt entlassener wohnsitzloser 33-Jähriger hatte in einem Regionalexpress zwischen Kiel und Hamburg auf Fahrgäste eingestochen. Er wurde von Passagieren überwältigt und nach einem Stopp des Zuges im Bahnhof von Brokstedt von Polizisten festgenommen. Der Mann sitzt wegen des Verdachts des zweifachen Mordes und mehrfachen versuchten Totschlags inzwischen in Untersuchungshaft. Bei dem Beschuldigten handelt es sich um einen seit 2014 in Deutschland lebenden staatenlosen Palästinenser, der wiederholt straffällig wurde. Er lebte zunächst in Nordrhein-Westfalen, später in Schleswig-Holstein und Hamburg.
In der Woche vor der Tat wurde er in Hamburg aus einer etwa einjährigen Untersuchungshaft entlassen. Hintergrund war eine noch nicht rechtskräftige Verurteilung wegen einer gefährlichen Körperverletzung. Die Motive des Verdächtigen sind nach Angaben der Ermittler bislang völlig offen. Hinweise auf einen etwaigen terroristischen Hintergrund gibt es demnach nicht, ebenso fehlen Hinweise auf eine möglicherweise geplante Tat.
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In der Stadt Porto fallen sie wegen ihrer weißen Lieferwagen, der winterlichen Klamotten und der altmodischen Mützen auf. In der kühleren Jahreszeit sind sie an Orten zu finden, wo es viele Passanten gibt: Kastanienverkäufer. João Santos steht sechs Monate lang im Jahr täglich hinter seinem Wagen und begrüßt die Kunden mit Scherzen und guter Laune. Sein Vater hat ihm das beigebracht, den er als Kind zum selben Standort an der Atlantikküste begleitete. Im Sommer steht er am selben Platz und verkauft Speiseeis. Die Kastanien kommen aus Trás-Os-Montes, einem Gebiet hinter den Bergen im Nordosten, und werden von den Lieferanten für etwa fünf Euro je Kilogramm verkauft. Die Esskastanien wachsen auf Bäumen und fallen, sobald sie reif sind, in ihren stachligen grünen Hüllen zu Boden. Die darin liegenden Früchte sind flach und laufen spitz zu. Drei Arten stechen unter den Esskastanien heraus: Longal, Sativa und Martaínha, diese sind unter den Kennern die beliebtesten.
5000 Euro teurer Stahlwagen
Laut Adolfo Santos, der seit acht Jahren einen Kilometer entfernt von seinem jüngeren Bruder arbeitet, hat die Familie keine Geheimrezepte zur Zubereitung. Das Einzige, was man brauche, sei ein anständiger Wagen, der das Rösten ermögliche. Es handelt sich dabei um einen 5000 Euro teuren Stahlwagen, den sogenannten Holzkohleröster, der durch seine mit brennender Holzkohle gefüllte Ablage den hohen Stahltopf auf sonst schwer erreichbare Temperaturen erhitzt. Sein Bruder João verweist auf die entscheidende Einstellung. „Das Geheimnis ist die Freude am Beruf. Wenn uns das, was wir machen, nicht gefällt, läuft alles schief. Wenn uns das, was wir machen, gefällt, läuft alles gut.“ Beim herrlichen Kastaniengeruch und der portugiesischen Schlagermusik aus dem Radio fällt es dem schnurrbärtigen Mann leicht, die Arbeit zu genießen. Er schneidet die Früchte auf einer Seite an, etwa zwölf Minuten lang bestreut er die Maronen im Topf immer wieder mit Salz. Das Kochsalz gibt der Edelkastanie ihre helle Farbe und den typischen Geschmack. „Sehen Sie, wie ich ab und zu eine Kastanie in die Hand nehme? Man überprüft es: Wenn sie hell ist, dann ist sie fertig.“ Frisch geröstet werden die Kastanien in einer Box gesammelt, um in kleinen Tüten verkauft zu werden. Das gewünschte Ergebnis ist eine gelbliche, runzlige Kastanie, die sich von ihrer knusprigen Schale leicht entfernen lässt.
Inácio macht das seit 32 Jahren
Ihr Aroma kann Santos nicht beschreiben, er sagt, es seien „einfach Kastanien“. Seine Familie ist eine unter vielen anderen, die in Portugal vom Verkauf gerösteter Kastanien leben. Auf der anderen Seite der Stadt finden Manuel und Inácio Teixeira für 3,50 Euro je Dutzend treue Kunden. Der ältere Inácio macht das schon seit 32 Jahren. Der tägliche Verkauf liegt bei 20 bis 53 Dutzend. Im Sommer bieten sie auf Jahrmärkten Karussellfahrten an und verkaufen Popcorn und andere Süßigkeiten. Ab Oktober widmen sie sich dem Kastanienverkauf. „Mir macht beides gleich viel Spaß, weil man unterschiedliche Leute trifft“, sagt Inácio. Die Vergabe der Standplätze wird jedes Jahr von der Gemeinde neu entschieden.
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Obwohl viele Menschen heute bewusster leben als früher, spielen Alkohol, Tabak und Co. oft noch eine große Rolle im Alltag. Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung hat Pläne, die den Konsum abschwächen könnten – beim Glücksspiel aber bleibt ihm nur das Appellieren.
Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, will gegen den Alkohol- und Tabakkonsum sowie das Glücksspiel vorgehen. „Mein Selbstverständnis ist, die Dinge beim Namen zu nennen – das, was getan werden muss“, erklärte der SPD-Politiker in Berlin bei der Vorstellung seiner Arbeitsschwerpunkte für dieses Jahr. Es sei in der Drogen- und Suchtpolitik ein Umdenken nötig.
Blienert erklärte, kaum ein europäisches Land habe einen so liberalen Umgang mit Alkohol und Tabak wie Deutschland. Er wolle hier für einen vernünftigen Jugendschutz sorgen und konsequente Schritte gegen die Alkoholwerbung einläuten. Sein Ziel sei: „Raus aus den sozialen Medien, dem Internet, raus aus dem Fernsehen und dem Radio, am besten rund um die Uhr, aber zumindest zu den Hauptsendezeiten.“
Auch das Mindestalter für Alkohol müsse auf den Prüfstand. So wie bislang erlaubt, ab 14 Jahren im Beisein der Eltern Alkohol trinken zu dürfen, sei „gesundheitspolitischer Unsinn vergangener Zeiten“ und müsse abgeschafft werden, erklärte Blienert.
Werbung für Tabak und E-Zigaretten im Fokus
Beim Rauchen sei es dringend nötig, die Fehler in der Werbegesetzgebung zu korrigieren. „Rauchen ist tödlich – und deshalb gibt es auch keinen Grund, weswegen an Kiosken, Supermarktkassen und Tankstellen noch immer mit bunten Bildern für Zigaretten, Erhitzer und E-Zigaretten geworben werden darf.“
Während der Corona-Pandemie waren viele Raucher in Deutschland rückfällig geworden – der Anteil lag laut der repräsentativen „Deutschen Befragung zum Rauchverhalten“ im Sommer 2022 bei 34,5 Prozent – vor der Corona-Pandemie waren es noch etwa 27 Prozent.
Deutlich restriktiver als hierzulande geht es in einem Extrembeispiel auf der anderen Seite der Welt zu: Neuseeland. Der Inselstaat hat im Dezember ein Gesetz für ein lebenslanges Rauchverbot für Jugendliche verabschiedet. Laut diesem darf niemand, der am oder nach dem 1. Januar 2009 geboren wurde, jemals legal Tabak kaufen. Das bedeutet, dass das Mindestalter für den Kauf von Zigaretten jährlich steigen wird. Das Gesetz tritt ab 2023 in Kraft.
In Neuseeland ist der Verkauf von Zigaretten bereits jetzt auf Personen ab 18 Jahren beschränkt, Tabakpackungen müssen mit grafischen Gesundheitswarnungen versehen sein und Zigaretten müssen in standardisierten Packungen verkauft werden.
Glücksspiel ist Sache der Länder
Beim Glücksspiel forderte Blienert ebenfalls einen verbesserten Jugend- und Verbraucherschutz in Deutschland. Allerdings liegt die Zuständigkeit hier bei den Bundesländern. Blienert appellierte, in einem ersten Schritt in Fernsehen, Radio und Internet die Sportwettenwerbung vor 21 Uhr zu untersagen, wie es bei Onlinecasinos bereits der Fall ist. Werbung habe gerade auf Jugendliche und Menschen mit Suchtproblemen einen signifikanten Einfluss.
Nach Aussagen des Drogenbeauftragten wird der Bund zudem zeitnah die Voraussetzungen für das sogenannte Drug Checking schaffen. Darunter wird Substanzanalyse von Drogen verstanden – gerade in der Partyszene. Diese soll den Plänen nach mit einem Beratungsgespräch verbunden werden.
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