Eine Familie lebt vegetarisch


Tiere waren schon immer meine besten Freunde“, antwortet der 6-jährige Dante auf die Frage, wieso er kein Fleisch isst, und grinst dabei bis über beide Ohren. Er springt davon. Dabei fliegen seine langen, zu einem Zopf gebundenen Haare wild hinter ihm her. Die Familie Ameseder sitzt am Tisch. Ihr ehemaliges Bauernhaus ist von weitem Land umgeben. Die kleine Außenwacht First, in dem sie zu Hause sind, gehört zum Ortsteil Illnau-Effretikon. Anliegend am Waldrand, abseits des Straßenverkehrs. Hier herrscht Ruhe. Bis auf die vielen Stimmen ist kein Geräusch zu hören.

Wo sind die Hasen?

„Als ich erfahren habe, dass die Hasen, die bei meinen Großeltern aufgetischt wurden, dieselben waren, die auch gefehlt haben, konnte ich es mir nicht mehr vorstellen.“ Mutter Melanie schmunzelt. Sie lebt seit ihrem elften Lebensjahr vegetarisch. Diesen Lebensstil hat sie ihren vier Kindern weitergegeben. Nach Angaben von „die grüne“, einer Fachzeitschrift für Schweizer Landwirtschaft, ist die Familie Teil der 4,4 Prozent der Schweizer Bevölkerung, die sich ausschließlich fleischlos ernähren. „Meine Mama hat schon so gelebt und hat entschieden, dass ich auch so lebe. Für mich ist das normal“, sagt die 13-jährige Amélie. Ihr Zwillingsbruder Tristan stimmt ihr zu. „Für uns war es nie anders.“ Durch die langjährige Erfahrung fällt es Melanie Ameseder nicht schwer, sich und ihre Familie ausgewogen und gesund zu ernähren. Sie wendet ihren Blick zu ihrer dritten Tochter Séraphine. „Mit der Zeit entwickelt jeder seinen eigenen Geschmack, und dann wird es komplizierter.“ Amélie und Tristan lieben Linsen, die neunjährige Séraphine überhaupt nicht. Dante kommt hinter den Büschen hervorgeflitzt. „Kartoffelstock, Kartoffeln, Chips und Pommes!“, zählt er auf. „Wir wissen, in welchen Lebensmitteln es Eisen drin hat und dass Kalzium die Aufnahme von Eisen hemmt“, sagt seine Mutter. „Ich finde, wir sind daher recht widerstandsfähig.“ Die Kinder sind sehr selten krank. An Eisenmangel leidet bisher keiner. „Ich glaube, wir bekommen das ganz gut hin.“

„Iss doch wenigstens etwas qualitativ Hochwertiges“

Die Auswahl von vegetarischen Gerichten hat sich in Restaurants vielerorts stark vergrößert. Oftmals werden dennoch nur die Beilagen serviert. „Es hat dann halt ein Loch im Teller“, sagt Melanie Ameseder. Groß stört dies aber niemanden. „Wir essen oft Pizza“, sagt sie. „Oder Pommes“, berichtet Dante. „Oder Salat“, sagt Amélie. „Jüge isst am meisten Salat.“ Als Einziger in der Familie will Vater Jürgen Ameseder nicht auf Fleisch verzichten. „Ich bin nicht der klassische Fleischesser“, behauptet er. Er vertritt die Ansicht, dass nur zwei bis dreimal in der Woche Fleisch zu essen bereits viele Probleme löst. Wenn er Fleisch isst, dann achtet er auf einen nachhaltigen und tierfreundlichen Kauf. „Im Restaurant ist er häufig enttäuscht, wenn das Steak aus Brasilien kommt, und verzichtet dann“, sagt seine Frau. Feine Lachfalten ziehen sich über ihr schmales Gesicht. Dass ihr Mann Fleisch konsumiert, ist für sie kein Problem. Für sie ist dennoch klar, ihren Kinder möchte sie nichts auftischen, was sie selbst für schlecht hält. „Es gab keine Nachteile und somit keinen Grund unseren Kindern den Vegetarismus nicht beizubringen. Wir haben es miteinander besprochen und stehen beide hinter dieser Entscheidung“, betont sie.

„Wären alle Vegetarier, wäre es irrsinnig.“ Sie macht deutlich, dass auch der Anbau von Gemüse wie zum Beispiel der Avocado sehr umweltschädlich ist, da sie eine riesige Nutzfläche und Unmengen an Wasser benötigt. „Man muss eben das richtige Verhältnis finden.“ Zur nächsten Bushaltestelle in der Nähe ihres Hauses dauert es etwa 20 Minuten zu Fuß. Die Familie besitzt deshalb zwei Autos. „Jemand, der Fleisch isst, recycelt vielleicht besser oder besitzt nur ein Auto“, sagt die Mutter. Mit dem Vegetarismus sind alle zufrieden. Die meisten Leute in ihrem Umfeld sind sehr unkompliziert, auch wenn der eingeschränkte Essplan der Familie anfangs ungewohnt ist. Die Großeltern haben am meisten Mühe mit der Umstellung. „Esst ihr Käse?“, war die erste Frage, mit der Großmutter und Großvater die Enkel konfrontierten. Statt der Gans wird nun das Raclette aufgetischt. Ab und zu hat sich die Familie selbst etwas Essen mitgenommen.

Auf Gummibärchen möchte sie nicht verzichten

Amélie berichtet: „Zwei meiner Freundinnen sind auch vegetarisch. An den meisten Kindergeburtstagen sind sie auch dabei.“ Zusätzlich zur Spaghetti Bolognese werde dann Tomatensoße gekocht. Ihre hellblonden Haare hat Amélie zu einem Knoten zusammengebunden. Sie bückt sich nach unten, um ihren Hund zu streicheln, der gerade zur Tür herausgerannt kommt. Emilio bellt lautstark und reißt an der silbernen Kette, an die er angebunden ist. „Auf Gummibärchen möchte ich aber nicht verzichten, auch wenn es tierische Gelatine drin hat“, meint Amélie, als sie von ihrem Versuch, vegan zu leben, erzählt. „Ich habe es gerade einmal zwei Tage ausgehalten.“ Dante taucht erneut von einem seiner Abenteuer auf. Seine dunkelblonden Haare sind vom Umherrennen verstrubbelt. Er mag fast keine Milchprodukte und lebt daher bis auf den heiß geliebten Sauerrahm-Dip vegan. Tristan schaut auf: „Meine Freunde sagen, ich soll unbedingt Fleisch essen. Irgendwann will ich es schon mal probieren“, sagt er. „Wenn, dann iss doch wenigstens etwas qualitativ Hochwertiges“, bittet die Mutter ihren Sohn, als er vor Kurzem Chicken Nuggets in einem Fast-Food-Restaurant essen wollte. Nach einer kurzen Auseinandersetzung hat sich dann auch Vater Jüge Ameseder für einen Planted-Burger entschieden. Nicht nur Dante ist ein großer Tierfreund. Die Familie kümmert sich neben Emilio auch um einige Katzen. Tristan pflegt liebevoll den Stall der Meerschweinchen und seine Zwillingsschwester gibt ihren zwei Farbratten täglich kleine Streicheleinheiten. Die nahe Verbindung zu den Tieren trägt dazu bei, dass sich im Hause der Ameseders jede und jeder mit dem Vegetarismus wohlfühlt.

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