Jordanovtag in Bulgarien


Ein kleines Haus am Fuße des 2000 Meter hohen Vitoscha-Gebirges. Es schneit. Schneeflocken fallen in das eiskalte Wasser des fast gefrorenen Vladayska-Flusses. Hunde bellen. Schornsteine rauchen. Kalte Luft beißt in die Haut. Dampf kommt aus den Mündern. Im Wald erklingt ein Lied. Männliche Stimmen. Das Dorf erwacht. Niemand hat heute Angst vor der Kälte. Petar Petrov hört seinen Hahn krähen und steht auf. Es ist noch dunkel in dem Bergdorf Vladaya im westlichen Bulgarien mit seinen dreitausend Einwohnern. Petrov ist 63 Jahre alt, grauhaarig, ein Imker, mit zwei Söhnen, drei Enkeln und einer anmutigen Ehefrau namens Vera. „Wir müssen früher in dem Wald sein. Jemand soll das Eis knacken“, spricht er und lacht. Sein Gesicht wirkt müde, aber glücklich und aufgeregt. Ein Taucher im eiskalten Wasser zu sein ist keine leichte Sache.

Seit Jahrhunderten lebt in Bulgarien eine heilige Tradition – der Jordanovtag. Nach der biblischen Legende taufte Johannes der Täufer Jesus Christus in den Gewässern des Jordan-Flusses. An diesem Tag, dem 6. Januar, findet die Weihe durch das Wasser statt. Der orthodoxe Priester wirft ein Kreuz ins Wasser, und Männer allen Alters aus dem Dorf versuchen es herauszuziehen. Derjenige, der es schafft, das Kreuz aus dem eisigen Wasser zu ziehen, soll das ganze Jahr Gesundheit und Glück haben. Jeder, besonders die Kranken, nehmen einen Schluck kaltes Wasser für den Wohlstand.

Fester Glaube – trotz Gesundheitsrisiko

Petar Petrov hat jedes Jahr Glück bei dem Ritual. Sein Körper ist auf jedes Wetter vorbereitet und widerstandsfähig gegen niedrige Temperaturen. „Natürlich gibt es Risiken. Wir alle machen ein Training für unsere Körper einige Monate vor dem Ritual. Und mit den Jahren wird es leichter.“ Seit 47 Jahren nimmt Petrov teil. „Mein Vater war ein Taucher im eiskalten Wasser. Der Brauch war ein Teil meiner Kindheit, und als ich 16 Jahre alt war, habe ich zum ersten Mal daran teilgenommen“, erzählt er. Zuerst nahm er das Ritual nicht ernst. Als er mit 18 Jahren sein erstes Kreuz auffindet, änderte sich alles. „1974 bin ich ein Taucher geworden, für immer. Aufhören werde ich nie.“ Heute ist er in seinem Dorf für den Brauch verantwortlich und einer der Organisatoren des gesamten Ereignisses.

„Das erste Mal, als ich in den Fluss gesprungen bin, war es ein Abenteuer. Mein Körper bekam eine Kälteschockreaktion. Ich konnte mich nicht bewegen. Die Leute haben mich aus dem Wasser herausgeholt und sich um mich versammelt. Der Priester gab mir das Kreuz, und ich hielt es fest in meinen Händen. Nach ein paar Minuten ging es mir wieder gut“, erinnert er sich. „Seitdem glaube ich an den Brauch und hatte nie wieder Probleme.“ Die Wassertemperatur sinkt zu dieser Jahreszeit auf Minusgrade. Für die Taucher spielt das keine Rolle. Wer wirklich an Gesundheit und den Heiligen Geist glaubt, wird immer gesund sein – so lautet die Auffassung.

„Hoffnung auf ein glückliches Leben“

Zu dem Fest kommen auch ein Sänger und ein Orchester mit bulgarischen Instrumenten. Sie führen bulgarische Volkslieder auf, die allen bekannt sind. Ein medizinisches Team ist vor Ort, falls jemand sich verletzt. Es gibt warme Speisen für alle Anwesenden sowie den wichtigen Glühwein. Die Tradition ist bedeutend für die Menschen, sie ist etwas Bulgarisches, Heiliges, etwas, das niemand vergessen soll. Sie verbindet alle Generationen. „Ich kenne die Menschen. Jeder wird Freude haben, die Frauen werden uns warme Kleidung geben, alle werden lachen. Hoffnung auf ein glückliches Leben, das ist bedeutsamer als das Geld“, sagt Petar Petrov.

Seine Enkelkinder sind zwölf und zehn Jahre alt. „Das perfekte Alter, um mit der Vorbereitung auf das Ritual zu beginnen. Ich konnte meine Söhne nicht dazu bringen, die Tradition fortzusetzen, aber ich werde diesen Fehler nicht wiederholen.“ Der Großvater sieht großes Interesse bei seinen Enkelkindern. Es ist ihm wichtig, jemanden zu haben, der diese Tradition fortführt. Wenn ihm das gelingt, schläft er etwas ruhiger. Victor, sein ältester Enkel, bereitet sich auf das nächste Jahr vor. Zum ersten Mal wird er mitmachen. Ein neuer Taucher hat seine Ausbildung begonnen. „Ich möchte wie mein Großvater sein. Nächsten Winter nehme ich an dem Ritual teil. Mein Opa ist im Dorf berühmt. Es ist an der Zeit, dass jemand die Tradition fortsetzt“, lacht Victor.

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