Kategorie -Jugendliche

Panik, Stress, Krisen: Wenn Schule zur unüberwindbaren Hürde wird

Angst vor Mobbing, Panik im Klassengedränge, übergroßer Druck – so mancher Jugendlicher besucht die Schule monate- oder jahrelang nur selten oder gar nicht. Schulabsentismus kann lebenslange Folgen haben. Ein Projekt in Bochum hilft.

Philipp wirkt fröhlich und aufgeschlossen. Schwer vorstellbar, dass der 13-Jährige vor Monaten die sechste Klasse abgebrochen hat, weil die Schule zur Qual wurde. „Ich werde seit der dritten Klasse gemobbt bis zum Gehtnichtmehr, ich hatte ständig Bauchschmerzen.“ Im März droht ihm ein Mitschüler, ihn zusammenzuschlagen. Da war Schluss. „Ich war komplett depressiv, musste oft schon im Schulbus heulen“, erzählt der Bochumer. Theresa ging fast ein Jahr lang kaum noch zur Schule. „Ich hatte morgens Panikattacken. Ich habe es nur ganz selten noch zur Schule geschafft“, sagt die zurückhaltende 15-Jährige mit sehr leiser Stimme.

Schulabsentismus betrifft nicht wenige Heranwachsende in Deutschland und kann dramatische Auswirkungen haben, betont Experte Heinrich Ricking von der Uni Leipzig. Neben Philipp und Theresa kommen acht weitere Jugendliche nach Bochum in die Tagesgruppe Unicus. Für sie alle war der Schulalltag zur unüberwindbaren Hürde geworden. Ihre Stammschule hat sie für ein Jahr mit dem Ziel freigestellt, nach einer Stabilisierung bei Unicus wieder am Unterricht teilnehmen zu können, erläutert Sozialpädagogin Eva-Maria Hagenguth. Manche waren monatelang, einige schon Jahre zuvor kaum oder gar nicht in der Schule. Das Jugendamt prüft den Bedarf im Rahmen der Eingliederungshilfe.

Oft fehlt der Support

Was führt zu Schulabsentismus? „Wir haben es mit hochsensiblen jungen Menschen zu tun, die sehr störanfällig sind und die mit Belastungsfaktoren und daraus resultierendem Stress nicht umgehen können“, schildert Hagenguth. „Zu uns kommen Jugendliche, die aufgrund von psychischen Erkrankungen, Angststörungen, Schulangst, sozialen Phobien oder auch schweren Schicksalsschlägen chronisch keinen Schulbesuch schaffen.“ Auch Vernachlässigung, Probleme mit Aggressionen können Gründe sein. „Oft fehlt ihnen insgesamt der nötige Support.“ Viele seien leistungsstark, verfügten über Talente, aber „haben keine Idee von ihren Möglichkeiten, sehen keine Perspektiven und können ihre Emotionen nicht fassen“.

Es gehe nicht um ein Schwänzen hier und da. Die Betreffenden seien komplett raus aus der Schule und aus der sozialen Gruppe, sagt Hagenguth. Es gibt extreme Fälle: „Wir hatten schon Jugendliche, die bis zu zwei Jahre lang ihr Zimmer nicht mehr verlassen haben.“ Wissenschaftler Ricking erklärt: „Die Schüler driften über Monate, manchmal über Jahre hinweg aus dem schulischen System, entkoppeln sich.“ Neben psychischen Erkrankungen spiele häufig eine Rolle: „Sie stehen am Rand, sind weniger sozial integriert.“ Und so mancher sei geprägt von Versagenserlebnissen und Niederlagen. Nicht selten bräuchten sie Hilfen der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Schulabsentismus keine Seltenheit

Statistiken gibt es nicht, Studien deuten Ricking zufolge aber darauf hin, dass im Sekundarbereich etwa drei bis fünf Prozent der Schülerschaft mit gewohnheitsmäßigem und chronischem Fernbleiben zu tun hat. Drohende Folgen: Leistungsabfall, kein Schulabschluss, schlechte berufliche Perspektiven, soziale und psychische Probleme. „Es handelt sich also nicht um ein rein schulisches Problem, sondern daraus kann ein Lebensproblem werden.“ Zwar sei die Aufmerksamkeit für das Thema gewachsen, zugleich werde aber auch oft bagatellisiert. In den vollen Klassen würden Warnzeichen wie Wegbleiben nach der Pause oder häufiges Zuspätkommen häufig übersehen. Es brauche mehr Expertise und frühe Intervention.

Das Problem sei, dass Hilfe oft zu spät kommt, ganz wichtig sei daher die Vorbeugung – etwa Arbeit am Schulklima und Gewaltprävention, Stichwort Mobbing. Dem nordrhein-westfälischen Schulministerium zufolge sind „Phänomen und Ausmaß“ nicht einfach zu erheben. Die Begriffe Schulabsentismus, Schulabstinenz und Schulverweigerung würden nicht einheitlich verwendet.

Endlich wieder glücklich

Im umfassenden Konzept finden sich viele pädagogische Interventionen, um eine emotionale und soziale Stabilisierung zu erreichen, Lernmotivation zu fördern und die Teilnehmenden bei der Reintegration in die Schule zu begleiten. Ein Auszug: Die Jugendlichen sollen an einem Vormittag ihre Stimmungen ausdrücken oder auch angestrebte charakterliche Eigenschaften reflektieren. Gerade ist Stuhlkreis angesagt, in der Mitte stehen Tierfiguren zur Auswahl. Philipp greift zum Orca: „Der kann nett sein, aber wenn man ihn angreift, schlägt er zurück.“ Auch eine Team-Challenge steht an. Eine Murmel muss schnell quer durch den Gemeinschaftsraum bewegt werden, ohne auf den Boden zu fallen. Jede Hand wird gebraucht. Manche sind lebhaft dabei, andere eher gehemmt – aber alle machen mit.

Ein Wochenplan sieht Gruppen- und Einzelarbeit vor. Ein Team aus Sozialpädagogen und Erzieherinnen betreut die Jugendlichen. „Wir wollen sie stabilisieren, ihnen Sicherheit geben, helfen, dass sie sich wieder handlungsfähig fühlen. Selbstwertgefühl ist ein großes Thema“, betont Hagenguth. Den Unterrichtsstoff zu schaffen sei weniger herausfordernd, es gehe um soziale Kompetenzen. Also vor anderen reden, auftreten – alles andere als trivial.

Helfen kann da eine Präsentation beispielsweise mal als „Powerpoint-Karaoke“. Geübt wird zudem mittels Theaterrollen. Gemeinsames Mountainbiken oder Boxen, Musikmachen, Einkaufen und Kochen gehören ebenfalls dazu. „Präsentationen habe ich in der Schule nie geschafft. Ich mag nicht im Mittelpunkt stehen“, erzählt Theresa. In ihren ersten Wochen bei Unicus wollte sie morgens immer allein sein. „Ich musste erst mal in einem Extraraum runterkommen, ich habe fast nie geredet. Jetzt fühle ich mich hier sehr ungezwungen.“ Die Unicus-Teilnehmenden brauchen auch Geduld und einen festen Willen. „Ich will auf jeden Fall wieder zurück zur Schule und Abitur machen“, sagt Theresa. „Das alles hier tut mir gut. Die kleine Gruppe ist erst mal entspannter und ich treffe auf Persönlichkeiten, die Ähnliches durchgemacht haben.“ Sie hofft, „dass der Übergang nicht zu stressig wird“. Philipp fühlt sich motiviert für einen Neustart an einer anderen Schule im Sommer. „Ich bin endlich mal glücklich. Jetzt ist es wie ein neues Leben.“

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Der Tag: Zyperns Küstenwache greift viele Kinder und Jugendliche auf

Wenige Seemeilen vor Zypern entdeckt die Küstenwache drei kleine Kutter, auf denen sich 170 Migranten befinden. Unter ihnen sind viele Kinder und Jugendliche. Zyperns Rundfunk berichtet über 46 Minderjährige, 27 davon unbegleitete Kinder. Die Menschen sollen in zwei Camps unterbracht werden, heißt es in dem Bericht. Die Registrier- und Aufnahmelager für Asylsuchende auf Zypern sind überfüllt und werden zurzeit auch mit Geldern der EU ausgebaut. Gemessen an der Bevölkerungsgröße verzeichnet Zypern laut EU-Statistik in den vergangenen Jahren bei Weitem die meisten Asylanträge pro Jahr im Vergleich zu anderen EU-Staaten.

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Arbeitslos, mutlos, kinderlos: Chinas Jugend gibt auf

Der wirtschaftliche Abschwung Chinas hat zu einer historisch hohen Jugendarbeitslosigkeit geführt. Ohne Job und Zukunftsperspektive werden junge Chinesen wieder zu „Full-Time-Children“ zu Hause bei den Eltern. Die Regierung schickt die Jugend zum Arbeiten auf die Dörfer – das soll auch noch ein anderes Problem lösen.

Sie sind jung und gut ausgebildet – aber ohne Perspektive. Lange Arbeitszeiten und ein trostloser Arbeitsmarkt zwingen junge Chinesen dazu, ungewöhnliche Entscheidungen zu treffen.

Viele gehen zurück in ihr Elternhaus und werden „Full-Time-Children“, also „Vollzeit-Kinder“. Sie kaufen ein, kochen, putzen und fahren die Eltern zum Arzt. Dafür bekommen sie eine Art Gehalt. Taschengeld, das so hoch sein kann wie ein Monatslohn in einer großen Stadt.

Die Hashtags #FullTimeDaughter und #FullTimeSon wurden auf chinesischen Social-Media-Plattformen in den vergangenen Monaten millionenfach aufgerufen.

Für sie ist der „Job“ eine Flucht aus ihrem normalen Berufsleben. In wahrscheinlich keinem anderen Land sind so viele Leute ausgebrannt wie in China. Ihre Work-Life-Balance ist schlecht. Arbeitszeiten von neun Uhr morgens bis neun Uhr abends an sechs Tagen in der Woche sind die Regel.

Chinesen opfern sich für die Arbeit

Die Chinesen haben bisher bereitwillig Freunde und Familie für die Arbeit vernachlässigt, so beschreibt es Xiang Biao, Direktor des Max-Planck-Instituts für Ethnologische Forschung, im ntv-Podcast „Wieder was gelernt“. Ohne diese Selbstverleugnung, wie es der Experte nennt, wäre Chinas Wirtschaft nicht so schnell gewachsen. Die Menschen seien bereit gewesen, ihr „tägliches Glücklichsein“ zu opfern, um mehr und härter zu arbeiten.

Jungen Chinesen wird gesagt, dass sich die harte Arbeit für Studium und Abschlüsse auszahlt. Nach der Hochschule steht aber derzeit jeder Fünfte unter 25 ohne Job da. Die Jugendarbeitslosigkeit ist auf einem Rekordhoch von mittlerweile über 21 Prozent.

Ein Problem, das wir auch in Europa kennen. Portugal hat seit Jahren mit hohen Arbeitslosenzahlen bei Jugendlichen zu kämpfen. In Italien, Schweden, Griechenland und Spanien sind die Zahlen sogar noch höher.

Mehr Absolventen, immer weniger Jobs

Eine große Herausforderung für China, besonders weil die Null-Corona-Politik drei Jahre lang die Wirtschaft extrem stark belastet hat. Die Wirtschaft erholt sich noch langsamer als erwartet von der Pandemie.

Für junge Leute sei die Corona-Krise ein existenzieller Schock gewesen, erzählt Xiang. Die brutalen Corona-Kontrollen der Regierungsbehörden hätten sie traumatisiert – weil sie bisher geglaubt hätten, dass ihr Leben gut wird, wenn sie nur genügend Geld und ihre eigene Wohnung haben – ein“privates Paradies“, in dem sie die Politik vergessen könnten.

Chinas Wirtschaft ist über Jahrzehnte rasant gewachsen. Der Wohlstand ist kontinuierlich gestiegen, immer mehr Familien können sich ein Studium leisten. Mittlerweile fluten aber zu viele Hochschulabsolventen den Arbeitsmarkt. Viele wünschen sich einen Bürojob, gut bezahlt und stabil, davon gibt es aber einfach nicht genug.

Abschied von der Leistungsgesellschaft

„Wieder was gelernt“-Podcast

„Wieder was gelernt“ ist ein Podcast für Neugierige: Warum wäre ein Waffenstillstand für Wladimir Putin vermutlich nur eine Pause? Warum fürchtet die NATO die Suwalki-Lücke? Wieso hat Russland wieder iPhones? Mit welchen kleinen Verhaltensänderungen kann man 15 Prozent Energie sparen? Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein wenig schlauer.

Alle Folgen finden Sie in der ntv App, bei RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts und Spotify. Für alle anderen Podcast-Apps können Sie den RSS-Feed verwenden.

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Junge Chinesen verabschieden sich von der Leistungsgesellschaft. „Tangping“, das „Flachliegen“, hat sich als Trend breitgemacht: Sie arbeiten gar nicht oder nur wenig in regulären Jobs. Die „Vollzeit-Kinder“ sind der nächste Schritt dieser Entwicklung.

Als einen Teufelskreis schätzt der Wirtschaftsprofessor Lu Xi von der National University of Singapore die Lage bei NBC News ein. Durch die „unfreiwillige Entscheidung“ der jungen Leute, gewissermaßen zur Pflegekraft ihrer Eltern zu werden und nicht zu arbeiten, würden die Haushaltseinkommen sinken und in der Folge der Konsum. Dadurch gebe es weniger Arbeitsplätze, das führe zu mehr Erwerbslosigkeit und dadurch zu noch mehr „Vollzeit-Kindern“.

Selbst Kinder zu bekommen, ist für viele keine Option. Die jungen Leute schieben Ehe und Familie auf. Die demografische Krise in China verschärft sich immer weiter.

Manchen bleibt nur die Abwanderung aufs Land: „Es gibt einige kleine Beispiele von jungen Leuten, die zurück aufs Land gezogen sind, um eine Art neues Lebensexperiment zu starten, einen neuen Lebensstil“, berichtet Xiang.

Xi schickt Jugend aufs Land

In den 1980er-Jahren sind die Chinesen massenhaft in die großen Städte geströmt, um dort zu arbeiten. Staatschef Xi Jinping will die Entwicklung nun umdrehen. Letztes Jahr forderte er, Hochschulabsolventen aufs Land zu schicken, um die hohe Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen.

Diese Idee hat tiefe Wurzeln in der Geschichte der Partei: In den 1960er- und 70er-Jahren hat Peking unter Mao Zedong über 16 Millionen Menschen zum Arbeiten in die Dörfer abkommandiert.

Heute gibt es mehrere Freiwilligen-Programme dafür. Die Regierung erhofft sich davon gleich mehrere Effekte: Einerseits Jobs für die vielen jungen Arbeitslosen in den Städten, andererseits die überalterten Dörfer zu verjüngen und zu modernisieren und die Wirtschaft dort voranzubringen.

Angeworben werden die Studierenden direkt an der Universität, berichtet Journalist Brian Spegele im Wall Street Journal-Podcast „The Journal“. In den Rekrutierungsveranstaltungen der Kommunistischen Partei werde über die Vorteile gesprochen, aufs Land zu gehen. Danach gäbe es eine Art Bewerbungsprozess. Die Einsätze seien je nach Provinz unterschiedlich, von einem Wochenende Müllsammeln in einem Dorf bis zu einer engen Zusammenarbeit mit den Bauern über mehrere Jahre.

Hochschulabsolventen mit Niedriglohnjobs

Die bevölkerungsreichste Provinz Guangdong im Südosten Chinas will bis Ende 2025 200.000 junge Menschen aufs Land locken. Bislang haben sich aber erst 10.000 dazu entschieden. Pro Monat bekommen sie ein Gehalt von umgerechnet etwa 300 Dollar. Die Freiwilligen müssen zwei oder drei Jahre auf dem Land bleiben.

Länger halten es viele laut dem Bericht des „Wall Street Journal“ ohnehin nicht aus: Sie zieht es dann wieder in die Städte, dort ist das Leben komfortabler und die Löhne höher. Viele junge Chinesen schlagen sich dort lieber mit Niedriglohnjobs durch, sind Verkäufer oder Lieferfahrer. Bei dem großen chinesischen Essenslieferdienst Meituan hat Berichten zufolge einer von fünf Fahrern einen Hochschulabschluss. Manche bleiben auch einfach weiter an der Uni und studieren, statt sich auf die schwierige Jobsuche zu begeben.

Das Freiwilligen-Programm auf dem Land könne aber auch ein Sprungbrett sein für eine der begehrten Stellen im Staatsdienst, sagt Spegele. „Einer der Gründe für die Teilnahme ist sicherlich, dass die Leute sich selbst gut darstellen wollen.“ Wer für die chinesische Regierung arbeitet, wird zwar nicht reich, hat aber einen sicheren Job. Dieser führe sie dann oft wieder zurück in die Städte. Die Verschickung aufs Land scheint also keine langfristige Lösung der Jugendarbeitslosigkeit in China zu sein.

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Die Portugiesen kämpfen mit dem Stierkampf


Stierkämpfe werden erst dann aufhören, wenn sie den Reiz des Unvorhersagbaren verlieren“, sagt Ricardo Marques. Er stammt aus Coruche, einem kleinen Ort im Bezirk Santarém im Süden Portugals. „Die Liebe zum Stierkampf wurde mir durch die Kultur meines Dorfes in die Wiege gelegt.“ Marques begann bei den Amateur-Forcados von Coruche und wechselte später zur „Amateur Forcados Association von Coimbra“, als er in der Universitätsstadt studierte. Dort ar­beitet er heute als Agraringenieur. „Forcados“ heißen im Portugiesischen die Menschen, die bei Stierkämpfen im zweiten Teil den Stier einfangen, nachdem er vom Torero bezwungen worden ist. Alle Forcados sind in Portugal Amateure. Das bedeutet, dass sie ihrer Aufgabe nur zum Vergnügen nachkommen, und nicht wie Stierkämpfer Geld verdienen. Ricardo ist der Vorsitzende des Vereins der Forcados in Coimbra, er koordiniert alles außerhalb des Platzes, nimmt aber auch als Forcado an Stierkampfveranstaltungen teil.

Proteste von Tierschutzorganisationen

Stierkämpfe sind über das ganze Land verbreitet und haben vor allem auf den Azoren und in den ländlichen Provinzen Alentejo und Ribatejo ein großes Publikum. Obwohl Stierkämpfe früher auch im Norden des Landes stattfanden, gibt es sie dort nur noch selten. So wurden 2009 in der Stadt Viana do Castelo im Norden die Kämpfe nach Protesten von Tierschutzorganisationen verboten. Vor allem die Partei PAN, Pessoas-Animais-Natureza, hat sich gegen Stierkämpfe ausgesprochen, da sie das Leiden der Stiere in der Arena für unerträglich hält.

Sérgio Caetano, parlamentarischer Berater der PAN und Koordinator der Plattform „Schluss mit Stierkämpfen“, betont: „Momentan sammelt die Partei Unterschriften für eine Petition, mit der sie die Politiker im Nationalparlament auffordern will, er­neut über die Abschaffung der Stierkämpfe zu diskutieren. Ricardo Marques hingegen betont, dass ein Großteil der Kritik von politischem Interesse geprägt ist und ohne Kenntnisse über das Thema geäußert wird. „Die Stierkämpfe beginnen sehr früh. Bereits im Morgengrauen werden die Stiere in eine der Arenen gebracht, damit sie die Hitze nicht spüren und noch am Vormittag werden sie vom Tierarzt untersucht, der ihre körperliche Verfassung begutachtet.“ Caetano hingegen sagt: „Das Problem ist, dass die Stierkampfindustrie sich selbst kontrolliert, indem nur Aficionados als Tierärzte und Inspektoren in diesen Events eingesetzt werden.“

Spektakel nach festen Regeln

Das Spektakel besteht aus mehreren Phasen und wird von einem Spielleiter koordiniert, der sich hinter der portugiesischen Nationalflagge befindet und mithilfe eines Signalhorns kommuniziert. Zunächst findet die Ziehung statt. Dies hängt von der Uhrzeit ab. Wenn der Stierkampf am Nachmittag beginnt, findet die Auslosung gegen 13 Uhr statt. Findet der Stierkampf am Abend statt, erfolgt die Auslosung erst um 17 Uhr. Ihre Aufgabe besteht darin, jedem Reiter einen Stier zuzuweisen. In Portugal gibt es drei Arten von Stierkämpfen: Stierkämpfe zu Pferd, zu Fuß und gemischte Stierkämpfe. Die häufigste Art ist die zu Pferd. Marques erklärt: „Erst nach dem Signal des Arenadirektors dürfen die Reiter die Arena betreten. Das Ziel der Reiter ist es, den Stier zu beherrschen, indem sie ihm möglichst langsam und frontal entgegenreiten. Der Reiter verwendet Banderillas, kurze Spieße, die mit verschiedenfarbigem Seidenpapier geschmückt sind. Die Stöcke mit Widerhaken haben als Ziel, das Tier zu schwächen. Sobald die Stierkämpfer fertig sind, kommen in Spanien die Matadore und töten den Kampfstier in der Arena.

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Jugendliche aber optimistisch: Schule bereitet unzureichend auf Berufsleben vor

Die Mehrheit der jungen Menschen in Deutschland schätzt ihre Berufsaussichten laut einer Umfrage zwar als gut ein, fühlt sich aber von der Schule nur schlecht auf die Arbeitswelt vorbereitet. Auch sehen viele die Bildungschancen ungleich verteilt.

Jugendliche und junge Erwachsene blicken laut einer Umfrage mit großer Mehrheit positiv auf ihre berufliche Zukunft – fühlen sich von der Schule oftmals aber schlecht darauf vorbereitet. Nur etwa jeder Zehnte der 14- bis 21-Jährigen hat negative Erwartungen, wie die repräsentative Erhebung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung ergab. Die Hälfte der Befragten geht davon aus, dass die Bedeutung einer abgeschlossenen Ausbildung oder eines Studiums eher zunehmen wird.

„Viele junge Menschen können gut einschätzen, welche Anforderungen die Arbeitswelt an sie stellen wird. Gleichzeitig fühlen sie sich angesichts der Fülle an beruflichen Möglichkeiten oft überfordert“, sagt Clemens Wieland, Experte der Bertelsmann Stiftung für berufliche Bildung. Deshalb brauche es mehr Angebote für eine enge und individuelle Beratung und Begleitung. Bei der Vorbereitung auf das Berufsleben fühlen sich nur knapp jeder Dritte (31 Prozent) der Jugendlichen und jungen Erwachsenen von der Schule gut oder sehr gut gerüstet. 67 Prozent geben hingegen an, dass es weniger gut oder gar nicht gelungen sei, ihnen die relevanten Kenntnisse und Fähigkeiten für das Berufsleben zu vermitteln.

Die wichtigen oder sehr wichtigen Kenntnisse und Fähigkeiten für den Job sind nach Einschätzung der Befragten Selbstorganisation (98 Prozent), Höflichkeit und Toleranz gegenüber anderen Menschen (97), Kenntnisse der deutschen Sprache (92). Erst dann folgen Fremdsprachen (84), Mathematik und Naturwissenschaften (80), Berufserfahrung über ein Praktikum (80) und gesellschaftliches Engagement (74).

An der Chancengerechtigkeit im deutschen Bildungssystem äußerten die jungen Menschen laut Bertelsmann Stiftung wie bereits in den Vorjahren Zweifel. Nur 32 Prozent der Befragten meinen, dass alle Kinder in Deutschland unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft im Großen und Ganzen die gleichen Chancen auf gute Bildung haben.

Ebenfalls rund ein Drittel der jungen Menschen nimmt zudem an, dass in zehn Jahren gleiche Bildungschancen für alle Kinder in Deutschland herrschen werden. „Es ist wichtig, die Bedürfnisse der jungen Menschen ernst zu nehmen und sie viel stärker zu berücksichtigen, wenn es um bildungspolitische Maßnahmen geht“, erklärten die Experten der Bertelsmann Stiftung zu den Ergebnissen der Umfrage.

Für die Studie waren den Angaben zufolge von Forsa von Mitte August bis Ende September online 1075 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 21 Jahren befragt worden.

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Weidetötung statt Tiertransport


Der Geruch von Heu und das leise Geräusch der fressenden Kühe erfüllen die Luft auf dem idyllischen Hof im Appenzellerland. Alles ist friedlich. Das Einzige, was auffällt, ist das zehnmonatige Rind, das abseits der anderen in einer abgetrennten Box angebunden ist. Es soll heute hier auf der „Streichelfarm“ in Gais getötet werden. „So, Schöberli“, sagt der ausgebildete Metzger und Jäger Damian Signer, der robuste Arbeitskleidung trägt. Ruhig tritt er an das „Stierli“ heran und hält ihm den Bolzen an den Kopf. Nun geht alles schnell: ein leises Klicken, und das Tier bricht zusammen. Der Bolzen hat genau das Stammhirn des Rindes getroffen, wodurch es sofort betäubt ist. Nun spürt es nichts mehr. Signer prüft mit einem kurzen Griff in das Auge des Tieres, ob es eine Reaktion zeigt. Wäre dies der Fall, müsste er es sofort mit einem zweiten Bolzen nachbetäuben. Nach der Betäubung muss nach 60 Sekunden der Bruststich erfolgen, um das Tier auszubluten.

Erst dann ist es wirklich tot. Nun wird das Rind aus der Box herausgehievt, eine Schlaufe an seinem Bein befestigt und mit einem kleinen Kran angehoben. Durch den Bruststich werden in der Nähe des Herzens die Venen und Arterien durchtrennt. Je nach Tier treten etwa 10 bis 15 Liter Blut aus. „Bei mir steht das Tierwohl bis zur und mit der Betäubung im Vordergrund. Sobald das Tier tot ist, wird die Fleischqualität am wichtigsten“, erklärt Signer. So brutal das Wort „Hoftötung“ klingen mag, ist es nicht. Ganz im Gegenteil, sie erspart den Tieren den Stress einer Verladung und die Fahrt zum Schlachthof, wobei sie durch den strengen Geruch und die ungewohnte Umgebung panisch werden können. „Das kann auch für den Menschen gefährlich werden“, sagt Signer, der seit 2021 Hoftötungen als Dienstleistung anbietet. Schweizweit machen das nur zwei Personen in dieser Form, doch die Nachfrage der Bauern steigt.

Weniger Stress für möglichst gute Fleischqualität

Im Schlachthof wird das Tier dann ausgenommen. Das Rind hat als eines von wenigen das Glück, diesen nicht lebend betreten zu müssen. Das Vermeiden von Stress ist nicht nur für das Tierwohl von Belang, sondern wirkt sich auch auf die Fleischqualität aus. „Es kann nicht sein, dass der Bauer ein Jahr lang für möglichst gute Fleischqualität sorgt und er diese dann in einer Viertelstunde wieder zunichtemacht. Denn wird das Tier gestresst, steigt der pH-Wert, und das Fleisch wird schneller sauer.“

Als das Rind vom Bolzenschuss betäubt gegen die Holzwand schlägt, schrecken die anderen Tiere kurz hoch. Nach einer Zeit fressen sie in Ruhe weiter, als wäre nichts geschehen. Hofbesitzer Tobias Koster vergleicht ihre Reaktion mit der von uns Menschen: „Es ist ähnlich, wie wenn man beim Essen eine Gabel fallen lässt. Man zuckt höchstens kurz wegen des Geräuschs zusammen.“ Um seine Rinder möglichst wenig Stress auszusetzen, gewöhnt Koster sie einige Tage vor der Tötung an das Herausholen aus der Herde. Auf der Streichelfarm dürfen sie bis zum Abend vorher mit ihren Müttern auf der Weide sein.

Höhere Kosten und strenge Auflagen

In der Schweiz sind Hof- und Weidetötungen seit Juli 2020 unter strengen Auflagen erlaubt. Das Gesetz, dass das Tier 45 Minuten nach der Betäubung geschlachtet sein muss, wird ab Mitte dieses Jahres auf 90 Minuten ausgeweitet. Diese Zeitangabe muss eingehalten werden, da sich der Körper nach der Tötung aufbläht und Bakterien aus dem Magen des Tieres ins Fleisch eindringen könnten. Mit der neuen Regelung können auch Bauern, die weiter von einem Schlachthof entfernt wohnen, ihre Tiere auf dem Hof töten.

Zudem wird vor der Tötung eine Fleischkontrolle vorgeschrieben, und bei den ersten fünf Tötungen auf dem Hof muss ein Tierarzt dabei sein. Das generiert für den Bauern mehr Kosten, als wenn er die Tiere in den Schlachthof bringt. Bei Geflügel sei der Weg bis zur Schlachtung oft eine Katastrophe, sagt Signer. „Wenn die Tiere in Boxen gedrückt und durch die ganze Schweiz oder sogar nach Deutschland gefahren werden, um dann in Wartebuchten noch einen halben Tag warten zu müssen, finde ich das traurig.“ Er arbeitet an der Umsetzung der ersten mobilen Geflügelschlachtanlage der Schweiz.

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Englisches Wort des Jahres: „Rizz“ siegt über „Swiftie“

Für die „Swifties“ ist es eine herbe Enttäuschung: Die Selbstbezeichnung der Fans von US-Popstar Taylor Swift ist momentan nicht der wichtigste Begriff im englischen Sprachraum. Das Oxford English Dictionary kürt stattdessen den Begriff „rizz“ zum Wort des Jahres 2023.

Menschen der Generation Z lieben „rizz“. Doch viele, die älter als 25 sind, können mit dem Begriff nichts anfangen. Nun hat ein Expertenkomitee der Oxford University Press „rizz“ zum Wort des Jahres 2023 gekürt. Das Wort bezeichnet eine Charaktereigenschaft, die Menschen besitzen können oder auch nicht: „Rizz“ steht für eine Kurzform von Charisma. Es bedeutet „Stil, Charme oder Attraktivität und die Fähigkeit, einen romantischen oder sexuellen Partner anzuziehen“.

Ebenso kann der Ausdruck auch als Verb verwendet werden. Wie beispielsweise „to rizz up“, das heißt eine Person anzuziehen, zu verführen oder anzusprechen. Gemeint ist dann die Fähigkeit eines Menschen, zu flirten und verbal charmant zu sein. Etwa mit dem Satz, „der hat richtig rizz“.

Erweiterungen in andere Wortarten deuten laut Oxford University Press darauf hin, dass ein Wort in der Sprache an Bedeutung gewinnt. Demnach zeichneten die Sprachexperten „rizz“ als interessantes Beispiel dafür aus, wie Sprache innerhalb von Gemeinschaften geformt, gestaltet und weiterverbreitet werden kann.

Für die Wahl bestimmten erst über 30.000 Sprachliebhaber auf der ganzen Welt eine Shortlist. Schließlich stach „rizz“ sieben Begriffe aus, die in den letzten zwölf Monaten an Popularität gewannen: Mit im Rennen waren „Swifties“, begeisterte Fans der US-Sängerin Taylor Swift, oder „situationship“, eine informelle romantische oder sexuelle Beziehung und „prompt“, eine Anweisung an ein Programm für künstliche Intelligenz.

Post-Pandemie: Zeichen für Öffnung der Gesellschaft

Der Präsident von Oxford Languages Casper Grathwohl begründete den Gewinner: „Angesichts der Tatsache, dass der ‚Goblin-Modus‘ letztes Jahr nach der Pandemie bei so vielen Anklang fand, ist es interessant zu sehen, wie ein kontrastierendes Wort wie ‚rizz‘ in den Vordergrund rückt und vielleicht auf die vorherrschende Stimmung des Jahres 2023 hinweist, dass wir uns nach den herausfordernden Jahren wieder mehr öffnen und immer mehr Vertrauen in uns selbst haben.“

Das Komitee der Oxford University Press würdigt neu geschaffene Wörter oder Ausdrücke, die eine Zeit prägen. Gleichzeitig sollten sie „das Potenzial haben, ein Begriff von bleibender kultureller Bedeutung zu sein oder eine Momentaufnahme der Sozialgeschichte zu liefern“, sagte Oxford University Press bei der Bekanntgabe des Gewinners.

Spider-Man spricht’s vor

Richtig populär wurde der Begriff im Juni 2023, nachdem US-Schauspieler Tom Holland – der seit 2016 Marvels Film Spider-Man spielt – in einem Interview mit Buzzfeed bekundete, „überhaupt kein rizz“ zu haben.

Seinen Ursprung hat der Begriff „rizz“ jedoch in den Sozialen Medien. Dort verbreitete er sich, nachdem der US-Influencer Kai Cenat ihn auf Twitch verwendet hatte. Mehr als acht Millionen Follower sehen Cenat regelmäßig dabei zu, wie er Videospiele spielt, mit Prominenten redet, seinen Freunden Streiche spielt. Im besagten Twitch erklärte der Influencer, wie er Frauen anspricht – und da kam „rizz“ ins Spiel.

„Rizz hat mit mir und ein paar meiner Freunde von zu Hause angefangen“, sagte der 21-Jährige während eines Interviews im No Jumper-Podcast.

Im Gegensatz zu der Oxford-Definition ist der Begriff für Cenat nichts, worunter Charisma zu verstehen ist, sondern er bedeute vielmehr „Spiel“. Natürlich ist es normal, dass sich ein Begriff, der mit Charme und Mystik zu tun hat, einer Erklärung entzieht.

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Reptilienauffangstation in München


Eine Schildköte in Quarantäne, eine weitere, die unerfreut über fremden Besuch ist, ihr Maul daher aufreißt, und eine Schlange, die entspannt und eingerollt auf einem Ast liegt. Inmitten von Reptilien in ihren Terrarien steht ein vollgestellter Schreibtisch. Das kleine Büro in der Kaulbachstraße in München gehört Markus Baur, dem Leiter der größten von insgesamt drei registrierten Reptilienauffangstationen Deutschlands. Dort sitzt er lässig mit zu einem Zopf gebundenen Haaren. „Ich hatte ein Leben lang Berührungspunkte mit Tieren. Angefangen hat alles mit der Tierliebe meiner Familie, mit den eigenen Haustieren, den Schildkröten“, sinniert Baur. Später wurden die Tiere zu seiner Leidenschaft und Teil seines Berufs. Obwohl ihm, wie er selbst behauptet, nichts Besseres hätte passieren können, als dass er jetzt in der Auffangstation gelandet ist, seien es eigentlich viele Unfälle gewesen, die ihn dorthin geführt haben.

Der 55-Jährige studierte Tiermedizin und hatte eigentlich vor, in der Landwirtschaft tätig zu werden. Als dies jedoch nicht seinen Vorstellungen entsprach, machte er ein Praktikum in der Tierpathologie und landete an der Münchner Universität für Reptilienmedizin, für die er 15 Jahre lang arbeitete. Baur war damals schon ehrenamtlich in der Reptilienauffangstation tätig und bekam schließlich dort eine feste Stelle. „Ich bin jetzt genau da, wo ich sein will.“

Einige bleiben ihr Leben lang hier

Verstreut in drei Liegenschaften leben insgesamt 2500 Fundtiere, aber vor allem auch Tiere aus Beschlagnahmungen und privat abgegebene Tiere in der Reptilienauffangstation. Neben noch gewöhnlichen Haustieren wie Griechischen Landschildkröten oder Leopardgeckos, die ihr Zuhause oftmals aus Gründen wie Umzug oder gescheiterte Beziehung verlassen müssen, werden ganz besondere Exoten aufgenommen, für die die Auffangstation Ausnahmegenehmigungen braucht. Dazu zählen Giftschlangen, Schnapp- und Geierschildkröten. Einige bleiben ihr Leben lang hier, andere finden in Zoos, hauptsächlich in Reptilienzoos, einen Platz, und hin und wieder können auch privat Tiere aufgenommen werden. Dafür sind allerdings Genehmigungen erforderlich. Spezialisiert hat sich die Station zwar auf Reptilien, dennoch gibt es neben Echsen, Schlangen, Spinnentieren, Krokodilen und Schildkröten auch Amphibien, Fische, Insekten und Säugetiere.

Erst vor zehn Jahren kamen mit einer Beschlagnahmung zweier Wüstenluchse, die in ganz Deutschland keinen Platz finden konnten, auch Säugetiere dazu. Von den 1200 bis 1500 Neuankömmlingen jährlich werden durchschnittlich 80 Prozent der Tiere weitervermittelt. Um die anfallenden Kosten für so viele Tiere zu begleichen, bekommt der Verein einen Zuschuss von 340.000 Euro jährlich. Mit dieser staatlichen Förderung allein können Futter, Unterbringung, Gehälter für das Personal, Strom und Miete noch lange nicht bezahlt werden. Es fallen insgesamt Beträge in Höhe von 1,2 Millionen Euro an, von denen mehr als 800.000 Euro selbst mit Dienstleistungen wie Schulungen, Beratungen oder Führungen verdient werden. Durch Spenden und die Dienstleistungen kommt die Station gerade so über die Runden.

Es ist rappelvoll

Die genannten Kosten beziehen sich allerdings auf ein Jahr ohne Krieg, ohne die galoppierende Inflation und ohne die Energiekrise. Diese Lage macht natürlich allen in der Auffangstation zu schaffen, und so steht sie vor noch nie dagewesenen Herausforderungen. Unklar ist, wie künftige Rechnungen bezahlt werden können, da sich keinerlei Möglichkeiten anbieten, in der Auffangstation bei den Tieren zu sparen. Um den Schützlingen gerecht werden zu können und zu verhindern, dass sie krank werden, müssen stets natürliche Bedingungen, also optimale Temperaturen und ein perfektes Lichtverhältnis, nachgeahmt werden. „Hinzu kommt, dass die Auffangstation rappelvoll ist“, wie Markus Baur anmerkt. Er kann aktuell nur hoffen, dass platzintensive Tiere, wie die Affen, bald ein neues Zuhause finden. Auch wenn es nicht vermehrt ausgesetzte Tiere gebe, ist trotzdem die Angst da, wie es weitergehen soll, wenn die hohen Rechnungen auch bei privaten Besitzern von Reptilien eintreffen, denn der Platz ist eben begrenzt.

Im Vergleich zu einem Tierschutzverein für Haustiere wie Hunde und Katzen hat die Reptilienauffangstation nicht den gesellschaftlichen Rückhalt, was die dort zu pflegenden Tiere angeht. Früher waren exotische Tiere ein Trend, heute stoßen Tierschutzvereine eher auf Ablehnung und ganz besonders die Reptilienauffangstation. „Wer findet schon Giftschlangen und Krokodile cool?“, fragt Markus Baur provokant. „Es hat aber niemand von uns ein Tier in Afrika gefangen, um hier ein solches Tier zu haben, sondern es wurde ein Tier, das illegal in einem Kellerverschlag gelebt hat, beschlagnahmt.“ Ein Beispiel von vielen ist der Albino-Alligator, der am Flughafen bei vollem Bewusstsein in Folie eingewickelt und zusammengerollt in einem Koffer gefunden wurde und dann in die Auffangstation gekommen ist. In Zusammenarbeit mit dem Zoll, der Behörde und dem Veterinäramt setzten sie sich für das Wohl des Tieres ein.

„Trotzdem spüren wir immer wieder die gesellschaftliche Ablehnung, was die Spendenbereitschaft angeht“, stellt er nüchtern fest. „Egal, ob das Tierheim oder wir, wir erfüllen Aufgaben, die eigentlich die des Staates sind. Der Staat macht ein Tierschutzgesetz, also muss er auch dafür sorgen, dass es umgesetzt wird.“ Ohne die Station oder andere Tierschutzvereine wäre es nicht möglich, diese Gesetze überhaupt umzusetzen. Deshalb wünscht sich Markus Baur einfach mehr staatliche Unterstützung, um nicht allein mit 400 Vereinsmitgliedern und 2500 Tieren dazustehen. „Was wäre denn die Alternative für das Tier? Es auszustopfen und an ein Museum zu verkaufen?“

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Wohl Weihnachtsmarkt als Ziel: Haftbefehl gegen 16-jährigen Terrorverdächtigen

Zwei Jugendliche sollen gemeinsam einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt und womöglich auf eine Synagoge geplant haben. Wegen dieses Verdachts erlässt das Amtsgericht Neuruppin einen Haftbefehl gegen einen 16-jährigen Brandenburger. Sein mutmaßlicher Komplize sitzt bereits in Haft.

Das Amtsgericht Neuruppin hat Haftbefehl gegen einen 16-jährigen Jugendlichen aus Brandenburg wegen des Verdachts der Planung eines gemeinschaftlichen Terroranschlags erlassen. Das teilte die Behörde mit. Gegen ihn bestehe dringender Tatverdacht, mit einem 15-Jährigen in Nordrhein-Westfalen gemeinsam im Internet einen terroristisch motivierten Anschlag geplant und vorbereitet zu haben. Weitere Einzelheiten könnten nicht mitgeteilt werden – auch mit Blick auf das Alter des Beschuldigten und um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Das Amtsgericht Leverkusen hatte am Mittwoch Haftbefehl gegen den 15-Jährigen erlassen.

Die Polizei hatte die beiden Jugendlichen am Dienstag festgenommen. Wie aus Sicherheitskreisen verlautete, sollen sich der 15-jährige Hauptbeschuldigte und der 16-Jährige über die Absicht ausgetauscht haben, einen Anschlag auf vermeintliche „Ungläubige“ zu verüben.

Offenbar Weihnachtsmarkt und Synagoge als Anschlagsziel

Als mögliche Ziele soll der 15-Jährige aus Nordrhein-Westfalen unter anderem eine Synagoge und einen Weihnachtsmarkt ins Auge gefasst haben. Dabei sollen sich die Jugendlichen laut NRW-Innenminister Herbert Reul auf einen bestimmten Weihnachtsmarkt als Anschlagsziel verständigt haben. Der Hinweis auf die Jugendlichen sei aus dem Ausland gekommen.

Wie aus Sicherheitskreisen verlautete, soll das Anschlagsziel ein Weihnachtsmarkt in Leverkusen gewesen sein. Sie sollen letztlich vereinbart haben, „mittels einer durch Brennstoffe erzeugten Explosion eines Kleinlasters Anfang Dezember, Besucher eines Weihnachtsmarktes in Leverkusen zu töten“, wie die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf nun mitteilte. Der in NRW festgenommene 15-Jährige will sich demnach bereits Benzin beschafft haben.

Die beiden Jugendlichen sollen ihren Anschlag demnach in Anlehnung an die Ziele und Vorgehensweisen des sogenannten Islamischen Staats (IS) geplant haben. Laut der Generalstaatsanwaltschaft hatten sie vor, nach dem Anschlag auszureisen, um sich der ausländischen terroristischen Vereinigung Islamischer Staat – Provinz Khorasan anzuschließen.

Bei Durchsuchungen wurden aber keine Brennstoffe gefunden. Es habe ein „sehr konkretes Gedankenmodell“ zur Tatplanung gegeben. Eine vorbereitende Umsetzung sei bisher aber nicht objektiv festgestellt worden. Demnach gibt es bisher auch keine Erkenntnisse, dass sie sich schon einen Kleinlaster beschafft hatten.

„Die Gefahr ist real“

Der 16-Jährige ist nach Angaben von Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen russischer Staatsangehöriger. Er wurde in der Kleinstadt Wittstock/Dosse im Landkreis Ostprignitz-Ruppin festgenommen. Der 15-Jährige ist laut NRW-Innenminister Reul Deutsch-Afghane. Ihm wird unter anderem die Verabredung zu einem Verbrechen, nämlich einem heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen, sowie die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vorgeworfen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser warnte angesichts des Terrorangriffs der Hamas auf Israel und jüngster Festnahmen in Deutschland vor Anschlägen, berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Stübgen sprach davon, dass es im islamistischen Spektrum vermehrt Aufrufe zu Attentaten und Anschlägen gebe. „Die Gefahr ist real und so hoch wie schon lange nicht mehr“, sagte er. Der Verfassungsschutz sei vor einigen Wochen auf die Zweiergruppe aufmerksam geworden.

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Chinesen in Porto


Im Dorf Qingtian, im Südwesten von Zhejiang, in China, 1934. Es ist ein schwülheißer Tag. Der Himmel ist mit Wolken bedeckt. Der grünliche Fluss, der dort fließt, ist ruhig. Der 23-jährige Li Shon Beou und vier seiner Freunde sind bereit, ihren Plan auszuführen. Die Wellen auf dem Fluss werden höher und wühlen das Wasser auf. Das Frachtschiff, auf das sie gewartet haben, nähert sich. Die fünf Freunde bereiten sich darauf vor, das Schiff zu besteigen. Sie springen heimlich auf und verstecken sich im Laderaum. Nach einer mehrwöchigen Reise beschließen sie, an dem sich nähernden Land von Bord zu gehen. Es stellt sich heraus, dass dieses kleine und unbekannte Land Portugal ist. So begann die Geschichte einer der ersten chinesischen Familien in Portugal. „Auf der Suche nach einem besseren Leben“, antwortet Y Ping Chow, der Enkel von Li Shon Beou, auf die Frage, warum seine Großeltern China verließen. Zu dieser Zeit gab es eine Reihe von Konflikten zwischen nationalistischen und kommunistischen Kräften in China, die in den chinesischen Bürgerkrieg mündeten.

Der 68 Jahre alte Y Ping Chow, Präsident der Chinesischen Liga in Portugal, einer gemeinnützigen Organisation, deren Ziel es ist, die Rechte chinesischer Bürger zu verteidigen und ihre Integration in Portugal zu unterstützen, kam 1962 wegen seines Großvaters als Siebenjähriger mit seinen Onkeln und Cousins aus der Provinz Zhejiang in China nach Porto, wo er heute noch lebt. „Wir waren die ersten chinesischen Kinder, die hier ankamen“, sagt er stolz. Seine Eltern und Großeltern lebten schon seit einiger Zeit in Portugal und hatten bereits ein Unternehmen gegründet.

Es hieß schlicht „Das chinesische Restaurant“

Li Shon Beou, sein Großvater, brachte einige von ihm hergestellte Krawatten aus China mit, die er in dem Land, in dem er angekommen war, verkaufen wollte. „Er verkaufte seine Krawatten nicht in Geschäften oder auf Messen. Er hatte eine Pappschachtel und eine Schnur, die er um seinen Hals legte und an der Schachtel befestigte. So ging er durch die Straßen von Porto und verdiente ein paar Groschen.“ Sie begannen als Straßenverkäufer in einem unbekannten Land. Schließlich war die ganze Familie hier, und man eröffnete 1955 ein Krawattengeschäft. Y Ping gibt zu: „Meine Großeltern sind in Portugal geblieben, nicht weil sie das Land mochten, sondern weil sie hier ihren Lebensunterhalt verdienen konnten.“

Y Pings Eltern waren in Portugal, gingen dann aber für einige Zeit zum Arbeiten nach Deutschland und Holland, wo sich die chinesische Kultur bereits ausbreitete, vor allem mit Restaurants. Nach einer Weile kehrten sie nach Portugal zu ihrer Familie zurück, die nun über eine stabile Finanzierung verfügte. Inspiriert von ihrer Reise, beschlossen sie, die chinesische Gastronomie nach Portugal zu bringen, und eröffneten das erste chinesische Restaurant 1966 in Porto. Sie haben dem Restaurant nicht einmal einen Namen gegeben. Da es keine anderen chinesischen Restaurants gab, wurde es einfach „Das chinesische Restaurant“ genannt. Am Anfang lief das Geschäft nicht gut. „Die Portugiesen dachten, wir würden Kakerlaken, Ratten, Katzen und Hunde essen.“ Mit der Zeit gewann das Restaurant einen guten Ruf, und die Leute begannen, sich für chinesisches Essen zu begeistern. Das Restaurant wird von Touristen aufgesucht, aber auch von Familien, die es seit seiner Eröffnung besuchen. Die Familie Chow besitzt noch ein weiteres chinesisches Restaurant namens „King Long“, das 1973 gegründet wurde und das Y Ping, nach dem Tod seiner Eltern 2022, weiterführt.

„Sie machten sich über unser Aussehen lustig“

Für Y Ping war der Einstieg in das Leben in einem anderen Land schwierig. Er kam als Kind hierher und sah, dass er anders als alle anderen aussah. Er konnte die Sprache nicht verstehen, die die Menschen untereinander redeten. Die Leute waren nicht daran gewöhnt, Chinesen in ihrem Land zu sehen. „Sie machten sich über unser Aussehen lustig, indem sie ihre Augen weiteten, sie versuchten, uns beim Sprechen auf Chinesisch zu imitieren.“ Chow fand es schwierig, Portugiesisch zu lernen. „Portugiesisch ist nicht wirklich eine leicht zu erlernende Sprache, aber mit der Zeit habe ich es dann doch geschafft.“

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