Leistungssport: Ist Sport für Kinder nicht mehr cool genug?

Ist Sport für Kinder und Jugendliche wirklich nicht mehr cool genug? Oder mangelt es ihnen an Ehrgeiz und Durchhaltevermögen? Junge Menschen in Deutschland finden immer seltener den Weg zum olympischen Sport. Woran das liegt und was sich ändern muss.

„Sport treiben ist in Deutschland nicht mehr cool“, urteilte vor kurzem der Präsident des Deutschen Kanu-Verbandes, Thomas Konietzko. 

Generation von Computer-Kids ohne Biss?

„Wir sind die Generation, die noch ohne Handys groß geworden ist und sich beschäftigen kann“, sagt Bahnradsport-Olympionikin Miriam Welte in Rio de Janeiro. Heute sitze die Jugend eher vor dem Computer als rauszugehen und da Spaß zu haben. Teamkollegin Kristina Vogel hat eher das Gefühl, dass sich junge Leute nicht mehr so quälen wollen. „Du merkst, wie wir damals beißen mussten und wie die heute beißen. Das ist einfach nicht das gleiche.“

Klischee oder Wirklichkeit? „Die Klagen über eine vermeintlich nachlassende Leistungsbereitschaft der vorangegangenen Generation sind so alt wie die Menschheit“, sagt Sportsoziologe Eike Emrich, Professor an der Universität Saarland. Wer sich heute für den Leistungssport entscheide, quäle sich wohl genauso wie früher.

Mehr „konkurrierende Genüsse“ – aber auch mehr Sportangebote

Der frühere Vizepräsident für Leistungssport des Deutschen Leichtathletik-Verbandes räumt aber auch ein: „Tatsächlich sind konkurrierende Genüsse heute alltäglicher als noch vor 30 oder 40 Jahren.“ Allerdings gebe es auch viel mehr Möglichkeiten, Sport zu treiben. Das zeige sich im großen Anteil Sporttreibender.

Nicht zu unterschätzen ist der demografische Effekt: „Die absolute Zahl von Kindern und Jugendlichen in der Republik ist zurückgegangen“, gibt Emrich zu bedenken. Damit sind auch weniger Talente auf dem Sportmarkt.

Fußball und Kampfsport haben große Zugkraft

Die große Zugkraft des Fußballs macht anderen Sportarten große Konkurrenz. Das gilt insbesondere für Jugendliche mit Migrationshintergrund. Auch Kampfsport werde stark nachgefragt, so Emrich. Fußball ist zudem auch medial dank der Bundesliga viel stärker vertreten und wird positiv wahrgenommen.

Olympische Spiele finden dagegen nur alle vier Jahre statt. Bei Spielen nimmt die Bevölkerung laut Emrich zudem eine große Kluft zwischen der olympischen Idee und dem olympischen Betrieb wahr. Fairness und Chancengleichheit würden von Korruption und Doping überschattet. 

Das hat auch Sportwissenschaftler Thomas Horky, Professor an der Hochschule Macromedia in Hamburg, beobachtet. „Die gesellschaftliche Wertschätzung für den Sport hat stark abgenommen“, betont er. Die Glaubwürdigkeit des Systems habe angesichts zahlreicher Skandale sehr gelitten. „Wenn sich das nicht ändert, werden sich immer mehr Eltern fragen, weshalb sie ihre Kinder zum Sport schicken sollen.“

Sportvereine brauchen zeitgemäße Konzepte

Dieses Phänomen lässt sich beispielsweise beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) beobachten. Dort gehen die Mitgliederzahlen der Sieben- bis 14-Jährigen seit Jahren zurück – seit 2006 um mehr als 40.000 auf 208.000. Ein Trend, den man mit Innovationen aufhalten will. „Wer schon die Jüngsten heutzutage erreichen und ansprechen mag, der muss seine Angebote überdenken und reflektieren, was bei dieser Leichtathletik-Zielgruppe gut ankommt“, sagt David Deister vom DLV in Darmstadt.

Der Plan: Zunächst möglichst viele Kinder für den Wettkampfsport begeistern. „Dabei soll der Spaß am Sport im Mittelpunkt stehen und das Miteinander“, erklärt Deister. Der nächste Schritt: An eine Lieblingssportart binden – ausdrücklich auch während der Pubertät und darüber hinaus – und das Talent der Mädchen und Jungen fördern.

Standards für die Talentförderung nötig

Auch der Dachverband des deutschen Sports (DOSB), arbeitet an Lösungen für den Nachwuchsmangel im Leistungssport. Mit dem Nachwuchs-Leistungssport-Konzept 2020 sollen bundesweit gleiche Standards der Talentgewinnung und -förderung gesetzt werden. Dazu gehören Handlungsempfehlungen für die Talentsuche. Ein Start bei Olympia ist das Ziel für den Sportverband – und ein Lebenstraum für viele junge Sportler.

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