Olympionike Bodo Tümmler

Olympionike Bodo Tümmler

Auf der Rückseite des gelben Pull­overs sticht das Wort „Coach“ hervor. Die irische Schirmmütze darf an einem grauen, windigen Nachmittag nicht fehlen, wenn die grün-grauen Augen eines 1500-Meter-Olympioniken ihrer üblichen Aufgabe der letzten zehn Jahre nachgehen: kritisch die Bewegungen zu beobachten, die seine Leichtathletik-Schützlinge der weiblichen Jugend U 16 und U18 des Zehlendorfer Turn- und Sportvereins 1888 e. V. hervorbringen. So zurückhaltend, wie Bodo Tümmler am Rande des Geländers im Ernst-Reuter-Stadion lehnt, war auch sein Auftreten, als er 1968 aus Mexiko-Stadt mit einer Bronzemedaille für die Bundesrepublik Deutschland heimkehrte.

„Wäre ja furchtbar“

Der pensionierte Lehrer für Biologie und Sport kam in der Mitte der 50er-Jahre zum Laufen. „Die Motivation kam einfach so, Laufen hat mir Spaß gemacht, also bin ich gelaufen.“ Tümmler verweist auf die damalige Zeit, als Leichtathletik zwar in den Medien präsent, so etwas wie Scouting und Management rund um einen Athleten aber unüblich war. „Es ist für mich schon lustig zu sehen, wenn ich in der heutigen Zeit in Athleten nur Produkte erkennen kann, die dann nach kurzer Zeit wieder von der Bildfläche verschwinden.“ Er selbst schlug einen aus heutiger Sicht ungewöhnlichen Weg ein, indem er eher spät anfing, während des Studiums seinem mit Trainer Wolfgang Meller, dem er viel Vertrauen entgegenbrachte, abgestimmten Training folgte und zusätzlich auf dem Bau arbeitete. Genau darin erkennt er einen Vorteil: die Ablenkung, der geringe Druck, weil man eine Form der Absicherung hatte, und die Streuung der Konzentration. „Laufen ist kein Beruf. So hatte ich meine Aufgabe, wäre ja furchtbar, wenn man sich immer nur mit seinen Gedanken im Kreis drehen würde. So hatte ich Ablenkung und keine Fragen von wegen ‚Hab ich eine Verletzung?‘ oder ‚Warum lief das heute nicht so gut?‘ im Kopf.“

Beflügelnder Anreiz für seine Karriere

Dass der Spaß des einfachen Losrennens im Gelände, „wildern“, wie er es nennt, einen derart beflügelnden Anreiz für seine Karriere schaffen würde, die 1967 mit dem Silbernen Lorbeerblatt gewürdigt wurde, hätte er sich selbst kaum erträumen können. Durch das Gefallen an der Natur, die Resonanz, die sie ihm auch heute noch bietet, die immer unterschiedlichen Schrittfolgen aufgrund des abwechslungsreichen Bodens, trainierte er eine derartige Differenziertheit, die sich so kaum planen ließe. Dass er in seinem Spiel mit der Landschaft auch einfach mal im hohen Schnee oder auf weichem Sumpfboden lief, schien einfach dazuzugehören und ihn nur umso besser vorbereitet für Wettkämpfe zu machen.

Titel über die 1500 Meter wie Studentenweltmeister 1965 und 1967, mehrfacher deutscher Meister und Europameister von 1966 sind seine Erfolge. Hinter der olympischen Bronze steht für Tümmler aber nicht bloß Freude, sondern vor allem ein Gefühl: „Zum Kotzen war mir nach dem Lauf. An Genießen war vorerst nicht zu denken.“ Diese Aussage könnte für manch einen Zweifel aufwerfen, jedoch nicht, wenn man neben der benötigten Anstrengung auch die „fehlende Fairness“ beachtet. „Das gleiche Problem haben wir auch heute mit der Olympiade in Tokio oder der Weltmeisterschaft in Doha, die einfach nicht gerecht für Tiefländer sind.“ Wer die Bilder von Tümmler auf dem Podest gesehen hat, kann seinen mulmigen Blick auf die Medaille nun wohl besser verstehen, wenn für die Sportler das eigentliche Leistungspotential nicht abgerufen werden kann. Um zurückzukommen auf Tümmlers persönliche Erfolge – „von denen es während der Karriere für jeden nicht besonders viele gibt“ –, so mussten diese eben nicht immer im Siegen gegen andere bestehen, sondern gelangen zum Beispiel bei einer Trainingseinheit oberhalb der Krumme Lanke auch allein. „Ich lief an jenem Tag so schnell, das mein Trainer auf dem Fahrrad Mühe hatte, mir folgen zu können“, erzählt er strahlend.

Schweden, Tansania und Mexiko

Durch die Wettkämpfe und die Reisen, die er sich meist selbst organisierte und dem Verband dann meldete, lernte er viele Länder kennen. Den Eindruck, in Erinnerungen zu schwelgen, macht er, wenn er von Aufenthalten in Schweden, Kenia, Tansania oder in Mexiko, in Südamerika auf der Good Will Tour, berichtet. „In gewisser Weise ersetzte es auch das Auslandsjahr, was heute so viel angeboten wird.“ Leute der High Society kennenlernen zu dürfen ist für Tümmler Verdienst seines Erfolges. Für Adidas wirkte er an der Entwicklung eines Marathonschuhs. Das bessere Schuhmaterial, die größere Nachsorge bei den Athleten etwa durch Physiotherapie und viele Möglichkeiten der frühen Förderung scheinen indes das reine Talent bei den Profis immer mehr zu übertrumpfen. Kopfschüttelnd berichtet Tümmler über manch leichtsinnige Trainingseinheit: „War ja irre, 16 Kilometer nach Mainz von Bingen – und das die ganze Zeit auf Beton – zu rennen.“ Warum das? „Na ja, ich wollte da mal einen Weltrekord laufen. Ach ja, ich hatte schöne Ziele.“ Heute erfreut er sich an der Natur, dem Golfen und der Kunst. Die 1500 Meter trainiert er kaum mehr bei seinen Athletinnen. Aber Elemente des Sprinttrainings.

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