Parteinachwuchs bei Markus Lanz: „Sarah hat eine zweite Chance verdient“

Kurz nach ihrer Wahl zur neuen Chefin der Grünen Jugend bekommt Sarah-Lee Heinrich mehr Aufmerksamkeit als ihr lieb ist, weil alte, wenig schmeichelhafte Tweets von ihr an die Öffentlichkeit kommen. Bei Markus Lanz springt ihr der Vorsitzende der JuLis zur Seite. Schon vorher legen die beiden eine ungewohnte Debattenkultur an den Tag.

Bisher ist es so: Wenn sich Politiker streiten, dann fliegen gerne mal die Fetzen. Wortgefechte werden häufig mit Beleidigungen ausgetragen – auch unter der Gürtellinie. Das könnte sich mit der neuen Ampelkoalition ändern. Politiker von SPD, Grünen und FDP äußerten schon zu Beginn der Sondierungsgespräche den Wunsch, zunächst Gemeinsamkeiten zu finden und Kompromisse zu schließen. Ob ihnen das gelingen wird, muss man abwarten. Wer die Talkshow mit Markus Lanz im ZDF am Donnerstagabend beobachtete, konnte aber schon mal den Blick in eine mögliche Zukunft der Debattenkultur werfen. Mit der Bundessprecherin der Grünen Jugend und dem Bundesvorsitzenden der FDP-Jugendorganisation Junge Liberale, Sarah-Lee Heinrich und Jens Teutrine, waren Politiker von zwei lange zerstrittenen Parteien zu Gast. Im ZDF zeigten sie, wie leicht es sein kann, trotz unterschiedlicher Auffassungen aufeinander zuzugehen. Die freundliche Art ihres Umgangs macht Hoffnung auf ein neues Politikverständnis. Da konnte man zwei Protagonisten sehen, die lösungsorientiert miteinander Meinungen austauschten. Zugegeben: Eine Form der Diskussion, an die man sich erst einmal gewöhnen muss.

„Sarah hat eine zweite Chance verdient“

Das war besonders am Ende der Sendung zu erkennen, als Markus Lanz auf die Sache mit den rassistischen Tweets von Sarah-Lee Heinrich einging. Was war passiert? Kurz vor der Wahl der 20-Jährigen zur Sprecherin der Grünen Jugend wurden Tweets bekannt gemacht, die sie sechs Jahre zuvor veröffentlicht hatte. Man darf sie als blöd bezeichnen, sie konnten als rassistische Äußerungen gegen „alte weiße Menschen“ verstanden werden. „Ich werde mir irgendwann einen Besen nehmen und alle weißen Menschen aus Afrika hinauskehren“, hatte sie zum Beispiel getwittert. Das sei einer der harmloseren Tweets gewesen, sagt sie bei Lanz. Sie habe damals Tweets veröffentlicht, die beleidigend waren, Rap-Texte oder englische Zitate aus Filmen. „Manchmal war das vulgär oder menschenfeindlich“, beschreibt sie. Sie habe versucht, die Tweets im Nachhinein zu löschen, Jahre später. Vergeblich.

Sie sei sehr jung mit dem Internet aufgewachsen, erzählt sie. Mit 15 habe sie sich an einer Rassismusdebatte beteiligt. Da habe sie Sätze geschrieben wie „Juden und Asiaten sind keine weißen Menschen, bei Slawen weiß ich es nicht genau.“ Die seien dann als Screenshots veröffentlicht worden, teilweise verändert oder mit gefälschten Daten. Das Ergebnis: Shitstorm, Beleidigungen, Morddrohungen. Sarah-Lee Heinrich zog sich kurzzeitig aus der Öffentlichkeit zurück, entschuldigte sich später.

Fakt ist: Heinrich legte eine Unbedarftheit an den Tag, die nicht untypisch ist für ein Kind mit vierzehn, fünfzehn Jahren. Einer Unbedarftheit, die es schon immer gab – und die zum Beispiel Kinder in den vergangenen Jahrzehnten dazu verleitete, sich gegenseitig „Spasti“ zu nennen oder ausländerfeindliche Witze zu erzählen.

Das weiß auch der JuLi-Vorsitzende Jens Teutrine. „Früher haben Menschen dumme Sachen auf dem Schulhof gesagt, heute steht so was im Internet“, sagt er. „Es ist ein besonderes Zeichen politischer Stärke, zu reflektieren und zu sagen, ich finde den Standpunkt von damals falsch“, so Teutrine. Und weiter: „Ich habe großen Respekt.“ Sarah-Lee Heinrich sei sehr reflektiert und denke über vieles nach. Sie habe eine zweite Chance verdient. „Ich finde es gut, dass wir zu einer anderen Fehlerkultur in der Politik kommen.“

„Unbeholfen in den Medien“

Selten zeigten Politiker unterschiedlicher Parteien so große Einigkeit wie Heinrich und Teutrine, selbst bei der Kritik an Kollegen wie Winfried Hermann von den Grünen. Der Verkehrsminister von Baden-Württemberg hatte vorausgesagt, in Deutschland würde es Neuwahlen geben, wenn die Ampel mit dem Klimaschutz nicht klarkäme.

„Ich kenne den Herrn nicht“, sagt Teutrine. Vielleicht spräche Hermann gar nicht für die Partei. „Das ist ein Szenario, das jemand ein bisschen unbeholfen in den Medien zitiert hat.“ Sarah-Lee Heinrich tritt nach, nennt Winfried Hermann „eine Person aus der Partei“.

Und auch sonst gibt es jede Menge Gemeinsamkeiten: Beide sehen in der Atomenergie keine Zukunft, beide sind der Meinung, Deutschland müsse in Sachen Klimaschutz eine Vorbildfunktion einnehmen. Und beide strahlen die Zuversicht aus, die es vermutlich braucht, um die Lösung der aktuellen Krisen in Angriff zu nehmen.

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