Sexuelle Spannungen verwirren Väter von Teenagertöchtern

Missbrauch rückt immer mehr in den Blick der Öffentlichkeit. Wir sind alarmiert und achten auf Anzeichen. Aber vor allem Männer sind auch verunsichert. Wie viel Zärtlichkeit ist eigentlich erlaubt mit dem eigenen Kind? Wie geht man damit um, wenn die Tochter zur Frau wird? Und welche natürliche Rolle spielt die Erotik in der Vater-Tochter-Beziehung?

Papas kleine Prinzessin

Papa ist der Mann, den sie später mal heiraten will. Sie schmiegt sich an ihn, sitzt auf seinem Schoß, himmelt ihn an … und plötzlich ist alles anders. Das Mädchen ist kein Mädchen mehr, sondern wird zur Frau. Viele Männer sind jetzt verwirrt, wissen nicht, was sie denken und fühlen dürfen, wie sie sich verhalten sollen – und möchten auf keinen Fall in irgendwelche unberechtigten Verdachtsmomente geraten. „Dabei ist der Vater für das positive Selbstbild eines Mädchens sehr wichtig. Er ist der personifizierte männliche Blick, die männliche Rückmeldung“, erklärt der Diplompsychologe Andreas Engel. Vor allem Töchter in der Pubertät brauchen ihre Väter zur Orientierung, sie brauchen aber auch eine gewisse Distanz.

Gemeinsames Baden in der Wanne ist unangebracht, das ist jedem klar. Aber wie viel und was ist erlaubt? Darf die zwölfjährige Tochter sich noch auf dem Schoß des Vaters räkeln oder muss sie liebevoll in Schranken gewiesen werden? Darf der Vater mit der Tochter Unterwäsche kaufen gehen? Wie soll er reagieren, wenn er sie beim Umarmen aus Versehen an der Brust angefasst hat? Darf man(n) hingucken, Veränderungen feststellen?

Wo früher Vertrautheit war, ist plötzlich Scham

Die Verwandlung vom Mädchen zur Frau führt nicht nur beim Kind zu Verunsicherung. Auch die Erwachsenen sind verunsichert. Schwierig für die Mutter, die durch das Erwachsenwerden der Tochter in einen Generationenkonflikt gerät. Schwierig für den Vater, der in seiner eigenen Jugend die aufblühenden Mädchen um sich herum spannend und sexy fand und nur schwer akzeptieren kann, dass seine eigene Tochter nun Teil der erotischen Fantasien anderer sein könnte. „Aber es liegt in der Natur der Sache, dass ein junger Mensch erotische Signale aussendet“, so der Erziehungsberater.

„Kompliziert wird es, wenn unbewusste Besitzansprüche entstehen. Denn die Tochter gehört nicht dem Vater, sondern sich selbst.“ Schwierig aber auch für das Mädchen, das sich zu Beginn der Pubertät der Ausstrahlung ihres sich verändernden Körpers vielleicht gar nicht bewusst ist und sich durch die plötzliche Distanz des Vaters zurückgestoßen fühlt.

Mit den eigenen Emotionen im Reinen sein

Durch den Vater erlebt ein Mädchen die erste männliche Zuneigung und sein Verhalten, zum Beispiel auch gegenüber der Mutter oder anderen Frauen, prägt ihr Männerbild. Und kann, das hat der berühmte Väterforscher Wassilios E. Fthenakis herausgefunden, unter anderem vor Drogen und Essstörungen schützen. Väter dürfen ihre Töchter also auch über das zwölfte Lebensjahr hinaus vergöttern, wenn die Bedürfnisse des Mädchens an Distanz und Eigenständigkeit nicht verdrängt werden.

Aber ein Vater ist nur dann fähig, seine Tochter bei der Bewältigung ihrer Konflikte zu unterstützen, wenn er mit sich und seinen Emotionen im Reinen ist. „Unsere Wahrnehmung ist immer subjektiv geprägt von bewussten und unbewussten Wünschen und Motiven – manch ein Vater sieht gar nicht, dass seine Tochter zur Frau wird, weil er es nicht sehen will. Umso überraschter ist er dann, wenn sie anfängt, sich für Jungs zu interessieren oder die Blicke anderer Männer auf sich zieht.“ 

Patchwork erschwert die Situation

Dass die eigene kleine Tochter zur Frau wird, ist eine schleichende Entwicklung. Väter sollten ihre Töchter dabei so wahrnehmen, wie sie sind, sich für sie und ihre Probleme interessieren, sich Zeit nehmen – wenn eine gute Bindung besteht, dann bleibt man mit dem Kind auch in dieser Phase in Kontakt und ist offen für das, was sich entwickelt. „Ich war überrascht, dass ich dann doch so gut loslassen konnte“, erinnert sich Uwe. Seine Tochter ist inzwischen 17 und natürlich hat er wahrgenommen, dass sie zur Frau wird. „Das geht ja nicht von heute auf morgen, aber irgendwann wollte sie auch gar nicht mehr, dass ich sie ins Bett bringe oder wir gemeinsam im Bad sind. Und wenn ich es selbst mal nicht gemerkt habe, dann hat ihre Mutter mich schon darauf hingewiesen“, schmunzelt der 48-Jährige.

Schwieriger haben es da Patchworkfamilien. Sie hatten nicht die Möglichkeit, hineinzuwachsen, werden oft mehr oder weniger von heute auf morgen zusammengewürfelt. In vielen Foren beklagen Frauen, dass sie das Verhältnis ihrer neuen Partner zu deren Töchtern befremdlich finden. Fragen sich, ob das Mädchen sie eifersüchtig machen möchte, etwas beim Papa sucht, was es bei einem Freund noch nicht findet, ob es ihm nur schmeichelt oder ihn auch erregt oder ob alles normal ist und sie überreagieren. Auch getrennte Frauen, deren Ex-Männer ihre Töchter nur noch selten sehen, haben oft Bedenken, ob die Väter die natürlichen Grenzen der Intimsphäre überhaupt erkennen. „Ich-Botschaften sind da der Königsweg“, rät Andreas Engel. „Ohne Vorwurf über die eigene Wahrnehmung sprechen kann helfen, die Situation zu entzerren.“

Inzest: der Ursprung aller Tabus

Kein Mann möchte in irgendeiner Weise mit sexuellen Absichten zu jungen Mädchen in Verbindung gebracht werden. Und hat sie ja im Normalfall auch nicht. Trotzdem erhalten bisher völlig selbstverständliche Zärtlichkeiten eine neue Qualität. Das zur Frau werdende Mädchen und ihr weiblicher Körper bringen sexuelle Dimensionen ins Spiel, die unter ein Tabu fallen und über die man am liebsten nicht einmal nachdenken möchte. „Der Inzest gehört quer durch alle Gesellschaften zu den größten Tabus, er ist sozusagen der Ursprung aller Tabus. Gleichzeitig ist aber auch ein Vater nicht blind. Er sollte sich daher damit auseinandersetzen, dass aufkommende Fantasien in gewisser Weise normal sind, aber eben nicht ausgelebt werden dürfen“, so der Psychologe. Um schwierige Situationen zu meiden, könnte jetzt der richtige Zeitpunkt für einen Morgenmantel und einen Schlüssel zum Bad sein – denn Intimsphäre und der Respekt derselben gehören zum Erwachsenwerden dazu.

Nicht hinter flapsigen Bemerkungen verstecken

Vorsichtig sein sollten Erwachsene auch mit flapsigen Bemerkungen, mit denen sie peinliche Situationen vermeintlich optimal überspielen. „Ich kann es nicht ausstehen, wenn mein Vater mich mit so einem doofen Grinsen fragt, wozu ich denn einen BH brauchen würde, da wäre ja nichts, was man da rein tun könnte“, ärgert sich die vierzehnjährige Fenja. Die psychologische Erklärung für so ein Verhalten: „Hinter solchen Bemerkungen verstecken sich Unsicherheit und Hilflosigkeit, die auf diese Weise in eine Überlegenheit umgewandelt werden. Erotische Fantasien werden so unbewusst gebannt und richten sich gegen die Tochter. Die sich dann sozusagen stellvertretend schämt.“

Grenzen setzen – bei Tochter und Sohn

Das Problem besteht natürlich nicht nur bei Mädchen. Aber wer denkt sich schon etwas dabei, wenn ein Junge mit seiner Mutter intensiv kuschelt, wenn er bei Albträumen in ihr Bett kriecht? Intensiver Körperkontakt, bei dem ein Mann längst einen schrägen Blick abbekommen würde, gilt bei Müttern als ganz normal. Aber auch hier gibt es Grenzen. In einer Forenunterhaltung bringt AnnKathrin die Lösung auf den Punkt: „Mein Sohn darf mich knuddeln und streicheln und abknutschen, aber wenn ich spüre, dass er an mir Sexualität üben will, blocke ich, so freundlich wie möglich, ab. Das muss er wegstecken können, denn er muss lernen, dass ich nicht das Objekt seiner Begierde sein kann.“ Genau wie die Tochter lernen muss, dass Papa sie nie heiraten wird.

Verwendete Quellen:

  • Eigene Recherchen

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