Trampeltierhof in Brandenburg


Im Prinzip sind wir wie ein Ponyhof – eben nur mit Kamelen“, erklärt Gabriele Heidicke, die mit ihrem Mann seit 2004 den Fleckschnupphof im brandenburgischen Dorf Nassenheide leitet. Doch gerade die Kamele bewirken, dass der Hof etwas Besonderes ist. Da die ursprüngliche Heimat dieser Tiere in den Wüstengebieten Asiens liegt, würde sie niemand 30 Kilometer nördlich vom Berliner Rand erwarten – noch dazu frei laufend und zum Anfassen. Der Hof hat einen guten Bekanntheitsgrad erreicht. Das liegt an dem informativen Internetauftritt und persönlichen Empfehlungen. Fast jeden Tag kommen Besuchergruppen mit Kitakindern, Schulklassen, Familien, aber auch Senioren oder Menschen mit Handicap zur Erlebnisstunde. So auch an diesem Sonntag: Drei Familien mit Kindern und Jugendlichen treffen sich in der Mittagszeit vor dem Eingang zum Hof. Jörg Heidicke, ein Mann mit weißem Bart und Lachfältchen, öffnet mit einem „Herzlich willkommen“ das Tor. Begleitet wird er von einer Hündin, die mit fünf anderen Hunden das Hof-Rudel bildet. „Ein Rudel ist ein anderes Wort für Familie“, sagt er. „Alle Tiere und Menschen arbeiten und leben hier eng beieinander und bilden eine Gemeinschaft.“

Gemächlich aber majestätisch

Im Schatten eines knorrigen Baums kann die Besuchergruppe Platz nehmen. In den unteren Ästen ist ein Hängesessel angebracht. Es wird deutlich: Hier ist ein Ort, wo man sprichwörtlich die Seele baumeln lassen kann. Nach kurzer Zeit geht es einen geschlängelten Weg weiter zu den Kamelen. Schon von Weitem können die Besucher die Tiere sehen, die sich an einer Seite des Zauns versammelt haben. „Die wissen ganz genau, dass sie jetzt von der Weide runtergehen“, sagt Gabriele Heidicke und öffnet das Gatter. Für die Besucher ist es ein spannungsvoller Moment, als die Kamelherde sich in Gang setzt und in gemächlichem Tempo an ihnen vorbeizieht. Die majestätisch wirkenden Tiere sind groß und kräftig. Mit ihren langen, geschwungenen Hälsen überragen sie die Köpfe der Menschen. Alle haben zwei Höcker, womit sie als Trampeltiere klassifiziert sind. Ein Fohlen drängt sich eng an seine Mutter. Ein Kamel setzt die Füße unregelmäßig auf. Heidicke sagt: „Das ist unsere Älteste. Sie hat Arthrose und lahmt daher etwas.“

Umständlich grazil

Nur ein Teil der Kamele bleibt bei den Besuchern, die anderen werden auf abgetrennte Bereiche geleitet. Obwohl die Trampeltiere gut an Hitze angepasst sind, suchen sie sich Plätze im Schatten. Sie legen sich hin, indem sie erst die Vorder- und dann die Hinterbeine einknicken, was eher umständlich wirkt. Friedlich liegen sie auf dem Boden und bekommen von den Besuchern die ersten vorsichtigen Streicheleinheiten. Ihr sandbraunes Fell fühlt sich rau, aber nicht unangenehm an. Sie riechen nach Heu. Es fällt auf, dass sie nur schmale Nasenlöcher haben und die Augen mit großen Lidern und langen Wimpern versehen sind, was nicht nur hübsch ist, sondern auch einen guten Schutz gegen Sandstürme in der Wüste bildet. Ihre Oberlippe ist gespalten, und die Unterlippe hängt entspannt nach unten. Fortwährend sind sie am Kauen, wobei sie den Unterkiefer von links nach rechts schieben und sich der Oberkiefer fast gar nicht bewegt. Da Kamele Wiederkäuer sind, wird heruntergeschluckte Nahrung reflexartig zurück in den Mund befördert – die Bewegung im Hals ist deutlich zu sehen. Mittlerweile hat Heidicke Bürsten an die Gäste verteilt, mit denen sie Hals und Nacken der Kamele sanft reinigen und streicheln dürfen. Die Hofbesitzerin hat sich ihr Fachwissen auf Reisen und im langjährigen Umgang mit den Tieren erworben. „Kamele sind sehr soziale Tiere. In den Herden gibt es keine Kämpfe um die Rangordnung und auch sonst wenig Aggression. Konflikten gehen die Tiere eher aus dem Weg, weil sie von Natur aus mit ihren Ressourcen haushalten müssen. Bevor ein Kamel sich mit einem anderen um Nahrung streitet, geht es lieber weg und sucht sich woanders etwas zu fressen. Der Streit würde zu viel Energie kosten.“

Der nächste Programmpunkt folgt: Ritt auf einem Kamel. Gabriele Heidicke legt ihnen den Sattel auf. Gefahrlos kann sie dies in Sandalen verrichten. Sollte ein Kamel ihr auf den Fuß treten, würde sie das nicht verletzen. Obwohl Kamele zu den Paarhufern gehören, haben sie nämlich Schwielensohlen mit elastischen, weichen Polstern aus Bindegewebe. Bei Ehepaar Heidicke ist das Reiten so organisiert, dass auf zwei Aspekte geachtet wird: auf das Wohlergehen der Kamele sowie auf den besonderen Erlebnismoment für die Reitenden. Das Höchstgewicht der Reiter ist auf 90 Kilogramm festgelegt. Eine erhöhte Plattform aus Holz garantiert ein bequemes Aufsteigen und für die Kamele eine Schonung ihrer Gelenke, weil sie nicht zusammen mit dem Reiter aufstehen müssen.

Schaukelnd in Bewegung

Nun heißt es „Festhalten“. Nicht umsonst wird das Kamel auch Wüstenschiff genannt. Sie gehen im Vierschlag oder Viertakt, bei dem jedes Bein einzeln gesetzt wird, wodurch die schaukelnde Bewegung entsteht. Auf den ersten Metern wirken einige der Reiter noch etwas ängstlich und verkrampft. Doch nachdem die Kamele eine Runde auf der Weide geführt wurden und zurück zum Startpunkt kommen, liegt auf den Gesichtern der Reiter ein Lächeln.

Auf die Idee, einen Kamelhof zu gründen, kam Gabriele Heidicke, weil sie gerne eine Arbeit unter freiem Himmel mit Menschen und Tieren ausüben wollte, bei der die Tiere nicht ausgebeutet werden. Nachdem sie viel gereist war und in der Werbebranche gearbeitet hatte, erfüllte sie sich mit dem Hof einen Kindheitstraum. Vierzehn Kamelen bietet sie ein artgerechtes Zuhause. Jörg und Gabriele Heidicke schaffen es, dass der Hof sich finanziell trägt. Reich werden kann man auf ihm nicht, aber offensichtlich glücklich. Die Gäste brechen auf, die Kamele brauchen ihre Ruhe. Wer noch mal reiten oder länger mit den Kamelen kuscheln möchte, kann wiederkommen. Bei jedem Wetter, auch in der kalten Jahreszeit.

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