Was ist eine Jugendkultur?

Jugendliche Szenen sind präsent in der alltäglichen Wahrnehmung, prägen Zeitgeist, Mode- oder Musikstile. Für die Elterngeneration ist es da schwer, den Überblick über die aktuellen Trends zu behalten. Und was ist überhaupt eine Jugendkultur?

Den Begriff „Jugend“ als Lebensabschnitt zwischen Kindheit und Erwachsenendasein gibt es erst seit circa hundert Jahren und ebenso lange existieren Jugendkulturen und Jugendbewegungen. Letztere sind organisierte Zusammenschlüsse, während Jugendkulturen eben genau das nicht sein wollen: organisiert und geregelt.

Mit der Jugendbewegung der „Wandervögel“ tauchten Anfang des 20. Jahrhunderts zum ersten Mal Heranwachsende auf, die sich demonstrativ und freiheitsliebend der Natur zuwandten und dies als erste zaghafte Rebellion und Abgrenzung gegen die strikten moralischen Zwänge der älteren Generation verstanden.

In den fünfziger Jahren folgten die Halbstarken der Rock ’n‘ Roll-Zeit, in den wilden 60er und 70er Jahren wurde das Aufbegehren politisch und die Jugend ging auf Konfrontationskurs zum Establishment, brach offensiv bürgerliche Tabus.

Jeder, der über dreißig war, galt automatisch als „Spießer“. Provokation um jeden Preis hieß die Devise, um den „Otto Normalverbraucher“ aus der Reserve zu locken und zu schockieren. Das galt für die Hippies, die mit Flower-Power, LSD und ihrem wörtlich gemeinten „make love not war“ auf sich aufmerksam machten, genauso wie für die Stones-Anhänger, die mit ihrer Lebensphilosophie „sex and drugs and Rock ’n‘ Roll“ die Gemüter der älteren Generation mächtig in Wallung brachten.

Und schließlich die Punks, die mit ihren dreckigen Klamotten, Sicherheitsnadeln und Irokesen-Frisuren mit großen Lettern „Anarchie“ auf ihre Fahnen geschrieben hatten. So verschieden diese Trends waren, eines hatten sie gemeinsam. Ihnen ging es um offenes Ausleben des Generationskonfliktes, um die inszenierte sichtbare Rebellion.

Jugendkulturen: unpolitisch, freiwillig und kommerziell

Heute ist die radikale und politische Opposition gegen die Gesellschaft der Elterngeneration nur noch bei wenigen Teenagern ein Thema, denn die aktuelle Jugendkultur hat sich zu einem äußerst vielfältigen und populären Freizeitkosmos gewandelt, in dem der Kommerz eine große Rolle spielt. Deshalb kann man die meisten trendigen Szenen nur noch schwerlich als Subkulturen mit Nischendasein bezeichnen, denn sie sind Teil unserer Konsumgesellschaft.

Jugendkulturen sind heute deshalb für die Kids attraktiv, weil sie so ihren Alltag ein wenig bunter färben, mit unangepassten Lebenskonzepten experimentieren und mit Gleichgesinnten eintauchen können in eine selbstgeschaffene soziale Heimat. So sind sie weit weg von den Problemen, die es mit den Eltern gibt, weit weg vom Schulstress und weit weg von allen anderen schlechten Nachrichten, die täglich in den Medien auf sie einströmen in einer immer unübersichtlicher werdenden Welt.

Kein Wunder also, dass ein überwiegender Teil der Teenager mit einer oder sogar mehreren populären Szenen sympathisiert. Das berichten Beate Großegger und Bernhard Heinzlmaier in ihrem Buch „Jugendkultur Guide“. Sie werten die freiwillige Mitgliedschaft in einer bestimmten Gruppe vor allem als Abnabelung von der eigene Kindheit: „Durch seine demonstrative Zuordnung zu einer Jugendszene signalisiert der junge Mensch seiner Umwelt: ‚Aufgepasst, ich bin kein Kind mehr, ich bin jetzt ein Jugendlicher!‘ Und er macht dies deutlich, indem er sein Zimmer mit Postern von Hardcore Skatern tapeziert, in großer Laustärke Hip Hop hört und Hosen im ‚Oversized-Look‘ trägt.“

Jugendkulturen sind unabhängig vom Milieu

Charakteristisch für Jugendkulturen ist, dass sie hauptsächlich männlich dominiert sind. Das ist beispielsweise bei den Hip-Hoppern oder auch bei den Skatern der Fall. Doch die Mädchen holen auf. Vor allem bei den Funsportarten wie etwa Snowboarden oder bei denjenigen Gruppierungen, die sich vor allem über bestimmte Moden definieren, wächst der weibliche Anteil. Genaue Zahlen gibt es darüber jedoch nicht.

Eine untergeordnete Rolle spielten dagegen die soziale Herkunft und das Bildungsniveau der Kids, so die Autoren Großegger und Heinzlmaier: „Das Herkunftsmilieu hat als verbindendes ebenso wie als trennendes Moment kaum mehr Bedeutung. Gemeinsame Lebenslagen schaffen für Jugendliche – gerade in der Freizeit – immer weniger eine Grundlage für gemeinsame Erfahrungsräume.“

Der „Code“ bestimmt über die Zugehörigkeit in Jugendkulturen

Gemeinsam ist allen Szene-Kulturen, dass sie nur über eine bestimmte Wiedererkennbarkeit funktionieren, einen definierten „Code“ haben, der eine Summe aller sprachlichen, bildlichen und mimischen Zeichen bildet und so etwas ist wie das „Identifikationsdesign“ der Gruppe, über das ein bestimmtes unverwechselbares Lebensgefühl transportiert wird.

Das Prinzip eines „Codes“ kann man beispielsweise bei den Hip-Hoppern gut erkennen: Deren typischer Bilder-Code sind die Graffitis, im Zentrum des musikalischen Codes steht der Sprechgesang, das sogenannte „Rappen“, und auf der mimischen Ebene ist der „Breakdance“ ein eindeutiges Erkennungsmerkmal dieser Szene. Wer nur halbherzig solches „Szene-Knowhow“ zelebriert, wird von den Hardcore-Insidern gnadenlos als „Poser“ entlarvt und nicht akzeptiert. Um wirklich zum harten Kern zu gehören, muss der „Code“ zu hundert Prozent gelebt werden.

Doch solche „Codes“ sind nur sinnvoll, wenn sie auch für die Außenwelt sichtbar werden, da sonst das Prinzip der Abgrenzung nicht funktioniert. Deshalb kann Jugendkultur nicht in Abgeschiedenheit existieren, sondern muss sich auf der Bühne der Öffentlichkeit abspielen, wie die Autoren Beate Großegger und Bernhard Heinzlmaier in ihrem Buch feststellen: „Die Szenewelt ist eine demonstrative Welt. In ihr geht es um sehen und gesehen werden. Wer einer Szene angehört, möchte es seiner Umgebung im wahrsten Sinne des Wortes zeigen: ‚Seht her, ich bin ein Hip-Hopper!‘, ‚Sehr her, ich bin ein Skater!’“

Globalisierung durch Medien

Die Medien spielen bei der Verbreitung jugendkultureller Trends eine zentrale Rolle, bringen sie heute in jedes Dorf. Sie transportieren die bunte Vielfalt der Jugendszenen, machen sie zum Mainstream und führen die Teenager immer früher in die verschiedenen Stile der Popkultur ein.

Für echte Insider sind diese Medien jedoch eher irrelevant. Sie greifen auf Szene-Medien zurück, lesen Fachmagazine, surfen auf zahllosen spezifischen Internetseiten und tauschen sich innerhalb der Gleichgesinnten-Community vor allem digital über Web-Blogs, Gästebücher oder private Homepages aus, führen dort ihre „Fachdiskurse“, nach dem Motto „act local, but communicate global“. Vor allem die trendigen Sport- und Modemarken kurbeln mit ihren Internetseiten die Szene an. Neue Produkte werden so schnell vermarket und Teil des globalen Szene-Codes.

Jugendkulturen sind kurzlebig und unübersichtlich

Durch solche virtuellen Umschlagplätze sind die Jugendkulturen heute einem ständigen Wandel unterworfen, differenzieren sich permanent, werden in ihre Spielarten bunter, aber gleichzeitig auch wesentlich unübersichtlicher und kurzlebiger. Jugendexperte Klaus Farin sagt, Massenbewegungen würden nun nicht mehr entstehen, denn bestimmte Trends würden zu schnell von den Medien aufgegriffen und dann zum Mainstream geformt, so dass das langsame Heranwachsen einer großen Jugendbewegung kaum noch möglich wäre.

Heute gehören zu den (Jugend-)Szenen zum Beispiel Beauty Gurus, Hipster, Parkour-Läufer oder Veganer. Auffällige Szenen der vergangenen Jahrzehnte finden Sie hier: Sieben bekannte Jugendkulturen.

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