Drei Millionen PflegebedürftigeWenn sich alles ändert
Stuttgart – Auf dem Foto ist eine glückliche Familie zu sehen. Vater, Mutter und eine ganze Handvoll Kinder, vom kleinen Bub bis hin zum gerade erwachsenen Sprössling. Das Bild der Familie Moser (Name geändert) ist nur ein paar Jahre alt. Und doch ist heute alles anders als damals. „Manchmal kann man einfach nicht mehr. Es ist so anstrengend“, sagt Erika Moser, die auf dem Foto noch zufrieden in die Kamera lächelt.
Der Vater der Familie aus der Stuttgarter Region, noch lange nicht im Rentenalter, leidet an Demenz. Das hat ihn verändert und mit ihm das Leben aller Angehöriger – radikal. Der eben noch unantastbare Chef eines Handwerksbetriebs ist pflegebedürftig. Die Familie versorgt ihn zu Hause. Muss mit dem steinigen Weg kämpfen, bis es überhaupt eine klare Diagnose gibt. Mit den Depressionen und Wesensveränderungen, die die Krankheit mit sich bringt. Und mit der Aufgabe, immer auf den Familienvater aufzupassen, ihn zu betreuen und zu versorgen.
Kinder, die bereits anderswo in der Republik gelebt haben, sind deshalb zurückgekommen nach Hause. Weitere Verwandte helfen regelmäßig aus. „Am Anfang, als alles noch nicht so klar war, gab es viel Streit. Die Kinder dachten schon, wir trennen uns“, erzählt Erika Moser. Sie selbst musste von jetzt auf nachher die Firma übernehmen. „Immerhin ist sie noch nicht pleite“, sagt sie und lacht gequält.
Fast drei Viertel der Betroffenen werden zu Hause betreut
Wie der Familie Moser geht es vielen in Deutschland. Denn dass pflegebedürftige Angehörige zumeist im Heim landen, ist eine Mär. Viele können sich das nicht leisten oder die Familie will dem geliebten Menschen so lange wie möglich das Leben im vertrauten Umfeld erhalten. Das Statistische Bundesamt hat das Thema zuletzt Ende 2013 untersucht. Damals galten 2,63 Millionen Menschen als pflegebedürftig. 71 Prozent davon wurden zu Hause versorgt und von ihnen wiederum zwei Drittel ausschließlich von der Familie, ohne fremde Hilfe. Legt man die Steigerungsraten der vergangenen Jahre an, dürfte die Zahl inzwischen auf knapp drei Millionen angewachsen sein. Experten halten bis zum Jahr 2030 einen Anstieg auf 3,4 Millionen für wahrscheinlich.
Dabei fallen unter den Begriff pflegebedürftig beileibe nicht nur alte Menschen. Fälle wie die Familie Moser sind längst keine Ausnahmen mehr. Fast ein Fünftel der Betroffenen ist inzwischen unter 65 Jahre alt. Körperlich und geistig behinderte Menschen gehören ebenso dazu wie psychisch Kranke oder von Demenz Betroffene. Jeder dritte Pflegebedürftige weist eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz durch Demenz, geistige Behinderung oder psychische Erkrankung auf. Solchen Fällen will die Pflegeversicherung durch die jüngste Reform Anfang des Jahres besser gerecht werden. Damit auch Probleme, wie sie die Familie Moser hat, stärker einfließen.
„In Stuttgart gibt es 6000 stationäre Pflegeplätze, das ist nicht viel. Und auf dem Land sieht es noch viel schlechter aus“, sagt Ursula Karle vom städtischen Bürgerservice „Leben im Alter“. Da sei es völlig logisch, dass viele ältere und kranke Menschen zu Hause betreut würden. „Zudem will der Gesetzgeber die ambulante Pflege, weil sie billiger ist“, weiß die Expertin. Dazu kommen der wachsende Personalmangel in vielen stationären Einrichtungen und die hohen Kosten. Also bleibt vieles an den Angehörigen hängen.
„Die Pflegerolle verändert von heute auf morgen alles“, sagt Ursula Karle. Wer eben noch taffe Geschäftsfrau war, muss sich plötzlich mit ganz anderen Aufgaben beschäftigen. „Ein ganz großes Thema ist die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf“, weiß Karle. Arbeitgeber gingen damit „nicht gerade offensiv“ um. Häufig entstünden so verdeckte Krankheitskosten, weil Pflegende sich immer wieder krank schreiben ließen, um ihren Verpflichtungen überhaupt noch nachkommen zu können. „Es wird oft vergessen, dass die Älteren von heute nicht immer die berühmten Kreuzfahrtkunden sind, sondern eben auch dement und pflegebedürftig“, sagt Karle. Und es geht nicht nur um Senioren: „20 Prozent unserer Anfragen betreffen Menschen vor dem Rentenalter. Krebs, Schlaganfall oder ein Motorradunfall, all das kann passieren.“
Das Thema Pflege zu Hause ist dabei das größte für die städtischen Berater. „Es beschäftigt uns massiv und vorrangig“, sagt Ursula Karle. 30 bis 60 Eingangsgespräche pro Monat führen sie. Viele Betroffene sind verunsichert und wissen nicht, was sie tun können. Oder es fällt ihnen schwer, überhaupt Hilfe anzunehmen. „Pflege ist auch ein Schamthema. Die eigene Welt gerät noch mehr durcheinander, wenn fremde Leute die Not sehen“, hat sie festgestellt. So wie bei der Frau, die 13 Jahre lang ihren Mann gepflegt hat, bis sie selbst zusammenbrach. „Dabei gibt es ein breites Arsenal an Hilfsmöglichkeiten.“
Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung ist bereits heute fast jeder Zehnte in Deutschland als Pflegeperson oder Pflegebedürftiger vom Thema betroffen. Und so wie bei den Mosers ist oft die gesamte Familie eingebunden. Das Berliner Zentrum für Qualität in der Pflege hat in einer Umfrage herausgefunden, dass fünf Prozent der Jugendlichen dabei helfen, Angehörige zu pflegen. Die Tätigkeiten reichen vom Einkaufen bis hin zur Hilfe beim Waschen und bei der Einnahme von Medikamenten. Etwa die Hälfte der 230 000 betroffenen Jugendlichen sieht sich dadurch nach eigenen Angaben nicht beeinträchtigt. Die andere Hälfte allerdings fühlt sich belastet, weil die Hilfe körperlich zu anstrengend ist, es an Freizeit oder Ansprechpartnern fehlt. Fast alle pflegenden Minderjährigen bewerten dagegen positiv, dass sie helfen können und dass die Familie oftmals durch die schwierige Situation besser zusammenhält.
Die Einschätzung variiert von Familie zu Familie. „Da spielen sich manchmal richtige Dramen ab“, sagt Beraterin Karle. Besonders schwierig sei erfahrungsgemäß die Situation, wenn kranke oder behinderte Kinder gepflegt werden: „Deren Geschwister leiden besonders.“ Aber auch die Betreuung des dementen Vaters wie bei den Mosers wirft Probleme auf. „Man verliert unbewusst den Respekt, das erschreckt einen manchmal selbst. Früher war der Papa streng, jetzt müssen wir auf ihn aufpassen“, sagt einer der Söhne.
Seine Mutter erzählt, die Situation führe manchmal auch zu Wut. Gerade der Kleinste sei besonders am Anfang oft aggressiv geworden und durch den Wind gewesen, auch in der Schule. Ihn versuche man bewusst aus der Situation herauszuhalten. Er ist deshalb oft bei Freunden. „Die beiden Jüngsten sind am dichtesten dran, für sie ist es am schwierigsten“, sagt Erika Moser. Und ergänzt mit nachdenklichem Blick: „Ich habe ihnen auch angeboten, ins Internat zu gehen. Wenn es zu schlimm für sie geworden wäre, hätte ich mir diese Lösung vorstellen können.“
So weit ist es noch nicht. Allerdings kann es auch nicht weiter gehen wie bisher, wenn sich die Krankheit verschlimmert. Erika Moser hat geplant, Aushänge an den Universitäten zu machen, um Helfer zu finden. „Man muss sich immer wieder etwas einfallen lassen“, sagt sie. Und wenn das nicht reicht? „Man darf sich auch dem Gedanken an ein Heim nicht verschließen. Mein Mann ist wichtig, aber alle anderen sind es auch.“
Dieser Schritt könnte irgendwann die Reißleine sein, bevor die Familie zu sehr leidet. Und die schönen Erinnerungen von dem Foto, das nur ein paar Jahre alt ist, angesichts der Probleme endgültig verblassen.
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Die Sommerferien stehen an und damit auch die Zeugnisse: So mancher Schüler zittert und manchen Eltern wachsen graue Haare bei den Noten ihrer Sprösslinge. Doch gerade sie sind in der Pflicht, ihre Kinder bei schlechten Leistungen zu unterstützen. Das geht auf verschiedenen Wegen.
Viele Schüler bringen ihr Zeugnis mit einem mulmigen Gefühl nach Hause. Neben der eigenen Enttäuschung ist es meist die erwartete Reaktion der Eltern, die Unbehagen auslöst. Eltern sollten aber verständnisvoll reagieren, rät Klaus Seifried. Er ist Diplom-Psychologe und leitete bis 2016 das Schulpsychologische und inklusionspädagogische Beratungszentrum im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg. “Erstmal sollte das Positive betont werden”, sagt er. Das heißt: Die guten Noten sollten gewürdigt werden. “Das Selbstvertrauen von Kindern wächst durch Anerkennung.”
Schlechte Noten haben viele mögliche Ursachen
Eltern sollten schlechte Noten aber auch nicht ignorieren. “Hier hilft aber kein Donnerwetter, sondern Ursachenforschung”, betont Seifried. Die Ursachen für schlechte Noten können vielfältig sein. Sie reichen von hohem Erwartungsdruck, fehlender Motivation, mangelhaftem Fleiß und Lernproblemen, über schlechten Unterricht und Konflikte mit den Lehrern bis hin zu Schlafmangel und einem falschen Umgang im Freundeskreis.
Gespräche mit dem Kind und auch mit seinen Lehrern können Hinweise auf die Gründe geben. Manche Probleme sind für Eltern kaum alleine zu lösen. “Wenn es wegen schulischer Probleme Konflikte und Streit in der Familie gibt oder man bei Lernproblemen überfordert ist, sollte man sich beraten lassen und Hilfe in Anspruch nehmen”, sagt Seifried vom Berufsverband Deutscher Psychologen.
Eltern sollten sich ruhig Hilfe holen
Helfen können die Erziehungs- und Familienberatung oder die Schulpsychologen. Manchmal reicht auch ein Nachhilfelehrer für das Kind. Das sei kein Makel: “Das entlastet die Familie, und die Eltern können sich auf eine positive Beziehung zum Kind und gemeinsame Freizeitaktivitäten konzentrieren, die dem Nachwuchs Halt geben.”
Dennoch sind sie auch praktisch gefragt. Schwächeln Schüler in einzelnen Fächern, können Arbeitspläne helfen. Die müssen realistisch sein, sagt Seifried. Wenn zum Beispiel Englisch ein Problem ist und das Fach Dienstag und Donnerstag ansteht, können Montag und Mittwoch für zehn Minuten Vokabeln geübt werden.
Ist das Kind in mehreren Fächern versetzungsgefährdet, kann es ebenfalls von Arbeitsplänen profitieren. Mit der Brechstange sollte man den Umschwung aber nicht forcieren. “Kleine bewältigbare Ziele, realistische Erwartungen und kleine Zeitperspektiven sind wichtig, um Erfolge zu erreichen”, erklärt Seifried.
Überschaubare Ziele setzen – das hilft beim Durchhalten
Anstatt zu sagen “Jetzt machst du nichts außer Schule”, sei es besser, ein nachvollziehbares Zeitfenster zu nennen. Etwa: “Die nächsten vier Wochen arbeitest du jeden Tag eine halbe Stunde für die Schule.” In dem Fall sollten Eltern auch in kleinen Schritten denken und nicht gleich die Endjahresnoten in den Blick fassen. Schritt für Schritt, lautet die Devise. Das heißt: Klausur für Klausur. Dort sind dann schon einzelne Verbesserungen zu würdigen. “Denn um Leistung zu bringen, braucht das Kind Erfolge.” Und die beginnen im Kleinen.
Welche Maßnahmen man ergreift, hängt auch vom Alter des Kindes ab. Wichtig sei, dass Kinder und Jugendliche selbst die Verantwortung für ihre schulischen Leistungen übernehmen – und nicht die Eltern, betont Seifried. Denn Eltern können beim Einteilen der Zeit und beim Motivieren helfen, aber lernen und arbeiten müssen die Schüler selbst – auch schon in der Grundschule. Das beginnt dort laut dem Experten damit, dass das Kind selbst die Hefter sortiert und die Schultasche für den nächsten Tag packt.
Verwendete Quellen:
Nachrichtenagntur dpa-tmn
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Schon längst hat das digitale Zeitalter Einzug in deutsche Kinderzimmer gehalten. Souverän bewegen sich Kinder und Jugendliche im Internet und nutzen ganz selbstverständlich auch soziale Netzwerke wie Facebook. Leider haben Schulen genauso wie Eltern es in der Vergangenheit häufig versäumt, den Nachwuchs auf mögliche Gefahren hinzuweisen. Eines der eklatantesten Probleme, das daraus resultiert, ist das Phänomen Cybermobbing.
Wut, Trauer, Suizidgedanken
Jeder Dritte der Zwölf- bis 19-Jährigen kennt laut der JIM-Studie 2016 jemanden, der im Internet oder per Handy fertig gemacht wurde. Cybermobbing ist eine moderne Form psychischer Gewalt. Die Verleumdungen und Schmähungen im Internet nehmen dabei eine ganze Bandbreite an Formen an. Neben der Veröffentlichung peinlicher Informationen, Bilder und Videos sind Kinder und Jugendliche häufig mit der Verbreitung von Gerüchten und Beleidigungen über soziale Netzwerke konfrontiert.
“Cybermobbing löst bei Kindern und Jugendlichen Wut, Trauer, Konzentrationsschwierigkeiten, körperliche Beschwerden bis zu Suizidgedanken aus”, wissen auch die Experten von Pro Juventute. Die Schweizer Stiftung, die sich für die Rechte der Kinder einsetzt, musste bereits hunderte Kinder beraten und betreuen, die Opfer der virtuellen Beleidigungen wurden.
Verschiedene Formen von Cybermobbing
Es gibt unterschiedliche Formen von Cybermobbing. Eine Studie der TU Berlin zum Thema listet folgende Formen auf:
Flaming: gegenseitiges Provozieren und Beschimpfen
Harassment: wiederholte Beleidigungen
Denigration: Verleumdung, Verbreiten von Gerüchten
Outing and Trickery: Bloßstellen und Betrügen
Exclusion: sozialer AUsschluss
Impersonation: Identitätsdiebstahl, Auftreten unter falschem Namen
Cyberstalking: fortwährende Belästigung und Verfolgung
Cyberthreat: Androhung von körperlicher Gewalt
Opfer geraten in eine ausweglose Situation
Der Leidensdruck bei den Opfern von Cybermobbing ist enorm, zum Teil sogar größer als bei Mobbingopfern in der “echten” Welt. Denn über die sozialen Netzwerke erreichen peinliche Fotos oder Gerüchte nicht nur einen lokal begrenzten Kreis von Menschen, etwa eine Schulklasse, sondern werden öffentlich.
Alle Beleidigungen wirken somit ins gesamte Leben des Opfers hinein. So bieten unter Umständen selbst ein Klassen- oder gar Schulwechsel keine Garantie für einen unbelasteten Neuanfang. Das Opfer empfindet seine Situation zunehmend als ausweglos.
Cybermobbing bis zum Selbstmord
Im Extremfall können die digitalen Beleidigungen Kinder und Jugendliche sogar in den Selbstmord treiben. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder solche Vorfälle, die durch die Medien gingen. Und auch die Netflix-Serie “Tote Mädchen lügen nicht” thematisiert Cybermobbing und Selbstmord.
Mehr Medienkompetenz, auch bei den Eltern
Um die übelsten Auswüchse von Cybermobbing in den Griff zu bekommen, fordern Experten eine bessere Ausbildung der Medienkompetenz bei Kindern, Jugendlichen und vor allem auch bei den Eltern. Noch immer wissen allzu viele Erziehungsberechtigte wenig darüber, was ihr Nachwuchs den lieben langen Tag im Internet treibt, geschweige denn, wie man im Ernstfall auf die virtuellen Mobbing-Attacken reagieren und sich zur Wehr setzen kann. Dabei ist es wichtig, schnell einzugreifen, damit sich beim Kind gar nicht erst der Eindruck verfestigt, allen Angriffen schutz- und machtlos ausgesetzt zu sein.
Beweise sichern: Wie Eltern mit Cybermobbing umgehen können
Um auf die Täter oder deren Eltern zugehen zu können oder gegebenenfalls auch Strafanzeige bei der Polizei zu erstatten, sollten Sie Beweise sichern. Speichern Sie die rufschädigenden Inhalte ab und versuchen sie denjenigen herauszufinden, der diese veröffentlicht hat. Oft weiß das Opfer zumindest ungefähr, aus welcher Richtung die Attacken kommen. Außerdem sollten Sie die Schule, vor allem den Klassenlehrer über die Situation Ihres Kindes aufklären, damit Cybermobbing und die möglichen drastischen Folgen in der Schule thematisiert werden.
Mobbing-Inhalte löschen lassen
Außerdem solltten Sie die Betreiber der Webseiten, auf denen Sie Mobbing-Inhalte gefunden haben, informieren. Der Betreiber ist dazu verpflichtet, die Verunglimpfungen aus seinem Angebot zu löschen. Das gilt auch bei Videos auf YouTube, wenn diese die Persönlichkeitsrechte des Kindes verletzen. Sollte ein Betreiber das nicht tun oder sollten Sie hier in einer anderen Form Hilfe benötigen, können Sie sich an eine Beschwerdehotline wie www.jugendschutz.net wenden. In Fällen von massiven Beleidigungen und Drohungen und groben Persönlichkeitsrechtsverletzungen ist eine Strafanzeige gegen den oder die Täter möglich.
Klar ist allerdings auch: Inhalte, die einmal ihren Weg ins Internet gefunden haben, sind dort kaum wieder restlos zu löschen. Niemand kann ausschließen, dass ein gelöschtes Video schon bald an anderer Stelle wieder auftaucht. Versuchen Sie, Ihr Kind über Gespräche stark zu machen, damit es möglichst gut damit umgehen kann. Das Gefühl, nur ein ohnmächtiges Opfer zu sein, das allen Angriffen wehrlos ausgesetzt ist, muss auf jeden Fall verhindert werden. Lassen Sie die Situation also nicht einfach laufen und hoffen auf Besserung, sondern handeln Sie.
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Zeitungen austragen, Babysitten, Botengänge übernehmen: Mit kleinen Jobs möchten viele Heranwachsende ihr Taschengeld aufbessern – und sich damit ein Stück Unabhängigkeit von den Eltern erwirtschaften.
Gesetzliche Regelungen schränken die Beschäftigungsoptionen für Kinder und Jugendliche jedoch stark ein – und auch Eltern sollten im Blick haben, dass sich der Nachwuchs nicht übernimmt.
Gesetzlicher Schutz: Kinderarbeit ist verboten
Kinderarbeit ist in Deutschland grundsätzlich verboten. Darunter fallen nach der UN-Kinderrechtskonvention Tätigkeiten, die jungen Menschen unter 18 Jahren Schaden zufügen oder sie am Schulbesuch hindern. Eine reguläre Arbeit darf demnach erst ausüben, wer nicht mehr schulpflichtig ist. Den entsprechenden Schutzschirm hierzulande bilden das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) und die Kinderarbeitsschutzverordnung. Der Gesetzgeber unterscheidet dabei zwischen Kindern und Jugendlichen: Als Jugendliche werden 15- bis 18-Jährige eingestuft, Jüngere als Kinder. Für vollzeitschulpflichtige Jugendliche gelten laut JArbSchG die gleichen Bestimmungen wie für Kinder. Allerdings gibt es Ausnahmen.
Normale Aufgaben in der Familie nicht extra bezahlen
Genauer heißt das: Kinder unter 13 Jahren dürfen gar keiner Beschäftigung nachgehen – eine dem Alter entsprechende Mithilfe im Haushalt oder Garten schließt das natürlich nicht aus. Für ältere Kinder entwickelt sich nicht selten das Waschen von Papas Auto oder das Mähen von Omas Rasen zu einer regelmäßigen Geldquelle. Sozialwissenschaftlerin Alexandra Langmeyer vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) rät Eltern aber, normale Aufgaben innerhalb der Familie nicht zu honorieren, sondern ausschließlich einmalige Arbeiten im wörtlichen Sinne zu “belohnen” – etwa das Zusammenfegen des Laubs im Herbst.
Im Rahmen der in §6 JArbSchG festgeschriebenen „Behördlichen Ausnahmen für Veranstaltungen“ dürfen auch deutlich jüngere Kinder unter Umständen bei Theateraufführungen, Musikveranstaltungen sowie Film- oder Fotoaufnahmen mitwirken. Dazu ist allerdings eine Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde erforderlich.
Kleine Jobs sind ab 13 Jahren erlaubt
13- bis 15-Jährigen ist es schon erlaubt, einen Job außerhalb der Familie anzunehmen. Sie brauchen dazu die Zustimmung der Sorgeberechtigten. Unbegrenztes Schuften ist für diese Altersgruppe nicht vorgesehen: Gestattet sind nach §5 JArbSchG Jobs, die an Werktagen – also montags bis samstags – nicht mehr als zwei Stunden täglich zwischen 8 und 18 Uhr in Anspruch nehmen. Die Arbeitsstunden dürfen zudem nicht vor oder in der Schulzeit liegen. Für den Nachwuchs in landwirtschaftlichen Familienbetrieben liegt die Grenze bei drei Stunden am Tag.
Schüler dürfen in den Ferien arbeiten
Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren, die „hauptberuflich“ noch zur Schule gehen, steht es frei, sich in den Ferien einen Job zu suchen – wenn sie diesen nicht länger als jeweils vier Wochen im Kalenderjahr und ausschließlich in der Ferienzeit ausüben. Die Arbeit darf nach dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) maximal acht Stunden täglich umfassen – also 40 Wochenstunden. Um auf der sicheren Seite zu sein, lassen sich Arbeitgeber von noch schulpflichtigen Ferienjobbern oft eine Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten vorlegen.
Welche Nebentätigkeiten sind geeignet?
Aber was genau darf der Nachwuchs tun? Grundsätzlich müsse es sich um eine leichte, körperlich nicht anstrengende Beschäftigung handeln, die Sicherheit, Gesundheit und Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen nicht gefährde, betont Sozialwissenschaftlerin Alexandra Langmeyer. Geeignet sei etwa das Austragen von Zeitungen oder Wochenblättern, Babysitten – wenn dies nicht bis spät in die Nacht dauere –, das Gassigehen mit Hunden oder Füttern der Katze in der Nachbarschaft.
Für Jugendliche ab 15 Jahren erweiterten sich die Optionen. Da sei beispielsweise ein Ferienjob in einem Getränkemarkt denkbar, sagt die DJI-Spezialistin. Über 16-Jährigen, die im Gaststättengewerbe anheuern, gestattet das JArbSchG sogar, bis 22 Uhr und in mehrschichtigen Betrieben bis 23 Uhr zu arbeiten.
Schulbesuch hat Vorrang
Generell gilt: Jobben Minderjährige neben der Schule, darf der Unterricht selbstredend nicht darunter leiden. Schule habe Vorrang vor dem Geldverdienen, sagt Fachfrau Langmeyer. Nicht akzeptabel ist eine Arbeit daher etwa, wenn der junge Arbeiter wegen Übermüdung dem Unterricht nicht mehr folgen kann oder Schule gleich ganz Schule sein lässt.
Bei Stress am Arbeitsplatz sollten Eltern eingreifen
Unabhängig von den gesetzlichen Bestimmungen sollten auch die Eltern am besten darauf achten, wo ihr Kind wie lange welche Tätigkeiten übernimmt, und wie es ihm mit dem Job gehe, empfiehlt Alexandra Langmeyer. Hat das Kind eventuell einen zu langen Weg zur Arbeit beziehungsweise nach Hause? Oder gibt es am Arbeitsplatz Druck, weil dort zu viel in zu kurzer Zeit verlangt wird? Mütter und Väter sollten aus Sicht von Alexandra Langmeyer vor allem eingreifen, wenn die Aufgabe den Nachwuchs unter Stress setzt.
Ferienarbeit bleibt oft sozialversicherungsfrei
Bei der Vergütung junger Ferienjobber werden laut den Experten des Portals “nebenjob.de” die gleichen Lohnsteuer- und Sozialversicherungsregelungen angewendet wie bei anderen Arbeitnehmern. Nur die Arbeitslosenversicherung falle weg, da eine Ferienaushilfe nach dem Einsatz schließlich nicht arbeitslos werde, erläutern die Nebenjob-Profis. Die meisten Beschäftigungen liegen demnach sowieso im Rahmen eines Mini- oder Saisonjobs und bleiben damit sozialversicherungsfrei. Die pauschale Lohnsteuer führt der Arbeitgeber ans Finanzamt ab.
Hinzuverdienen ohne Abzüge für die Eltern
Die Höhe des Verdienstes ist bei Minderjährigen im Übrigen unproblematisch: Bis zum 18. Geburtstag besteht keine Gefahr, dass den Eltern das Kindergeld gekürzt wird. Aber Achtung: Jedes Einkommen von Familien, die Arbeitslosengeld-II-Leistungen (Hartz IV) erhalten, wird bei der Berechnung der Bezüge berücksichtigt.
Kinderkonto:
Betroffene Kinder unter 25 Jahren, die noch auf allgemeinbildende oder berufsbildende Schulen gehen, können während der Ferien arbeiten und insgesamt 1200 Euro im Jahr verdienen, ohne dass sie etwas abgeben müssen. Die Dauer eines solchen Ferienjobs ist ebenfalls auf vier Wochen im Jahr beschränkt.
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