Wird der Numerus Clausus in Medizin abgeschafft?

Das Bundesverfassungsgericht verkündet am Dienstag sein von vielen Studierenden mit Spannung erwartetes Urteil zur Regelung der Studienplatzvergabe im Fach Medizin. Das könnte das Ende des Numerus Clausus für dieses Fach bedeuten.

Weil es seit Jahren immer mehr Bewerber als Studienplätze gibt, gilt für das Medizinstudium ein sogenannter Numerus Clausus (NC) mit strengen Zulassungsbeschränkungen. Diese beruhen auf der Abiturnote und Wartezeiten sowie jeweils unterschiedlichen Auswahlverfahren der Hochschulen.

Bei der mündlichen Verhandlung Anfang Oktober stellten die Karlsruher Richter überaus kritische Fragen zum Auswahlverfahren. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte das höchste deutsche Gericht mit der Frage konfrontiert, ob die Auswahl von Bewerbern für das Medizinstudium noch „nach sachgerechten Kriterien“ erfolgt. Diese Kriterien hatte Karlsruhe in NC-Urteilen in den 1970er Jahren gefordert.

62.000 Bewerber auf knapp 11.000 Studienplätze

Das in erster Instanz bundesweit für die zentrale Studienplatzvergabe in Human-, Zahn- und Tiermedizin sowie Pharmakologie zuständige Gelsenkirchener Gericht ist der Auffassung, dass mit durchschnittlichen Abiturnoten – wie in den Ausgangsfällen von 2,0 und 2,6 – auch nach einer „angemessenen Wartezeit“ ein Medizinstudium möglich sein muss.

Aktuell rangeln im Fach Humanmedizin 62.000 Bewerber um knapp 11.000 Studienplätze. Davon werden 20 Prozent zentral über die Abiturnote vergeben, 20 Prozent über Wartezeiten und 60 Prozent über höchst unterschiedliche Kriterien der Hochschulen selbst. Ob sich die Hochschulen bei der Vergabe der Plätze nach ihren jeweils eigenen Kriterien auf ihre im Grundgesetz verbürgte Wissenschaftsfreiheit berufen können oder ob das Grundrecht der Studierenden auf Berufsfreiheit Vorrang hat, ist eine der Kernfragen des anstehenden Urteils.

Sehr unterschiedliche Auswahlkriterien an den Universitäten

Der Vizepräsident des Gerichts, Ferdinand Kirchhof, sprach mit Blick auf die höchst unterschiedlichen Standards der Universitäten von einem „Weizenfeld der Auswahlkriterien“. Gut möglich, dass die Verfassungshüter mit Verweis auf die Grundrechte dieses Feld für mehr Chancengleichheit lichten und vom Gesetzgeber etwa ein bundeseinheitlich geltendes, transparentes Testverfahren zur Eignung für ein Medizinstudium einfordern werden.

Dies könnte auch für die Wartezeitregelung als Noten-Korrektiv bei der Studienplatzvergabe gelten. Das aktuelle Problem hier: Studierende ohne einen Einserschnitt müssen derzeit bis zu siebeneinhalb Jahre auf eine Studienplatz warten – also länger als die Regelstudienzeit von zwölf Semestern, die als denkbare Obergrenze in Karlsruhe angesprochen wurde.

Der Kampf um die Studienplätze bleibt

Aber selbst wenn die Verfassungshüter nun klarere Auswahlkriterien einfordern sollten, am Kampf der Vielen um die wenigen Studienplätze wird das nichts ändern. Die Standesvertretung der Ärzte, der Marburger Bund, fordert deshalb zehn Prozent mehr Studienplätze. Doch dagegen wehren sich die Länder. Ihre Ausgaben je Student beliefen sich 2014 laut Statistischem Bundesamt auf rund 33.000 Euro, Tendenz steigend. Damit ist die Humanmedizin im Vergleich mit anderen Fächern am teuersten.

Der dieses Jahr von der Bundesregierung und den Ländern beschlossene „Masterplan Medizinstudium 2020“ sieht zwar eine „Weiterentwicklung“ der Zulassungskriterien vor und will „soziale und kommunikative Kompetenzen“ der Bewerber stärker gewichten. Mehr Studienplätze wurden aber nicht vereinbart.

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