BVerfG: Jugendliche wollen Mindestwahlalter abschaffen

Weil sie die Abschaffung des Mindestwahlalters von 18 Jahren wollen, haben 15 Kinder und Jugendliche das Bundesverfassungsgericht angerufen. Bei dem höchsten deutschen Gericht sei eine Beschwerde gegen die Bundestagswahl 2013 eingegangen, bestätigte ein Sprecher in Karlsruhe. Unterstützt wird die Gruppe von der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (SRzG).

Die Kinder und Jugendlichen im Alter von zehn bis 17 Jahren beklagen, dass ihnen das wichtigste politische Grundrecht nicht zustehe. Dies verletze die Grundsätze der Demokratie und Volkssouveränität. Sie fordern ein Wahlrecht, das völlig ohne Altersgrenze auskommt.

Bereits im November 2013 hatte die Gruppe Einspruch gegen die Bundestagswahl 2013 eingereicht, der allerdings im Mai 2014 zurückgewiesen wurde. Daraufhin folgte die Klage beim Bundesverfassungsgericht.

Bei der Klage handelt es sich um eine sogenannte Wahlprüfungsbeschwerde. Beantragt wird, die vergangene Bundestagswahl 2013 wegen der Beschränkung des Kreises der Wahlberechtigten für ungültig zu erklären. Das Gericht solle darlegen, warum es eine Altersgrenze von 18 Jahren beim Wählen gibt. „Es hat bisher immer zwingende Gründe angeführt, aber nie dargelegt, worin diese bestehen“, sagte der Sprecher der SRzG, Wolfgang Gründinger. Begleitet und unterstützt wird die Gruppe von dem renommierten Anwalt Michael Quaas. Das BVerfG prüft nun, ob die Beschwerde zulässig ist.

Entscheidungen gegen die junge Generation

Die 15 Jugendlichen kritisieren, dass viele politische Entscheidungen gegen die junge Generation getroffen würden. Jüngstes Beispiel sei das Rentenpaket der großen Koalition, durch das fortlaufend große Versorgungsverpflichtungen entstünden, heißt es in der Beschwerdeschrift. Das Argument, unter 18-Jährige seien nicht reif genug für eine Wahl und leicht zu beeinflussen, sei nicht schlüssig. Demnach müssten etwa auch Demenzkranke von der Wahl ausgeschlossen werden.

„Wahlrecht von Geburt an“

Die ehemalige Hamburger und Berliner Justizsenatorin, Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) unterstützt die Initiative. Sie plädierte für ein „Wahlrecht von Geburt an“. „Das Wahlrecht ist ein politisches Grundrecht“, sagte sie. Die im Grundgesetz gleichzeitig festgelegte Altersgrenze stehe dazu im Widerspruch.

Diese sei zudem bereits mehrfach geändert worden: „Bei der Gründung der Bundesrepublik lag sie bei 21 Jahren. 1970 wurde sie ohne Angabe von Gründen auf 18 Jahre gesenkt.“ Das allein zeige, dass an dieser „Schraube gedreht werden“ könne. Da es an einer nachvollziehbaren Begründung für die Festsetzung des Wahlalters fehle, setze sie sich für das Wahlrecht von Geburt an ein, so Peschel-Gutzeit.

„Parteien machen eher Angebote für Ältere“

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn plädierte ebenfalls für eine Reform des Wahlrechts. „Parteien tendieren dazu, eher ein Angebot für Ältere zu machen“, sagte er. Der Grund: Die Gruppe der über 60-Jährigen stelle die größte Gruppe der Wähler dar. Eine Wahlberechtigung für Kinder und Jugendliche könne dazu ein Gegengewicht schaffen, glaubt Spahn.

Der Wendepunkt in seiner eigenen Haltung zum Wahlrecht war 2008 und 2009, als die große Koalition außerplanmäßig die Rente erhöhte und er als Einziger dagegen stimmte, wie er sagte. Das habe ihn dazu gebracht, das Thema Wahlrecht neu zu betrachten.

Spahn schlug ein sogenanntes Familienwahlrecht vor, bei dem Eltern treuhänderisch das Wahlrecht für ihre Kinder übernehmen. Das sei jedoch eine „technische“ Frage. Es gehe vor allem darum, „den 14 bis 15 Millionen unter 18-Jährigen Gehör zu verschaffen“. Spahn kündigte an, eine „fraktionsübergreifende Initiative“ in den Bundestag einbringen zu wollen, die eine Grundsatzdebatte zum Thema anregt.

Ungleichgewicht zwischen Generationen ausgleichen

Die frühere Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) betonte, dass es nicht darum gehe, die Generationen gegeneinander aufzubringen. „Nur wenn wir genügend in unsere Kinder investieren, ist auch der Lebensabend der Alten gesichert“, sagte sie. Das Wahlrecht solle dazu beitragen, das Ungleichgewicht zwischen den Generationen auszugleichen. Auch Schmidt, die im vergangenen Jahr ihr Buch „Lasst unsere Kinder wählen“ veröffentlicht hatte, setzt sich für ein Wahlrecht von Geburt an ein.

Kampagne „Wir wollen wählen“

Die SRzG ist ein gemeinnütziger Think-Tank für Generationengerechtigkeit. Die Stiftung kritisiert, dass Kinder und Jugendliche bei Wahlen keine eigene Stimme haben und somit ihre Rechte nicht ausreichend vertreten werden. Immerhin sind 17 Prozent der Bevölkerung unter 18 und damit per Gesetz vom Wahlrecht ausgeschlossen. Um dies zu ändern, wurde die Kampagne „Wir wollen wählen“ gestartet.

So könnte ein Wahlrecht ohne Altersgrenze aussehen

Die SRzG tritt für die Abschaffung der Altersgrenze für Wahlen ein und fordert, dass junge Menschen wählen dürfen, „sobald sie dies wollen und eigenständig können“. Die Stiftung schlägt vor, zunächst eine allgemeine Altersgrenze von 16 Jahren einzuführen. Wollen jüngere Kinder wählen, haben sie ebenfalls die Möglichkeit dazu, indem sie sich „eigenständig beim Wahlamt eintragen“. Ziel der SRzG ist ein Wahlrecht, das tatsächlich von den Kindern ausgeübt wird und nicht etwa stellvertretend durch die Eltern.

Entscheidung kann dauern

Wann das Bundesverfassungsgericht über die Beschwerde der Stiftung entscheiden wird, vermochte Sprecher Gründinger nicht zu sagen.

Weitere Informationen

Zum Thema ist am 21. Juli ein Sammelband erschienen: „Wahlrecht für Kinder? Politische Bildung und die Mobilisierung der Jugend“ von Klaus Hurrelmann und Tanjev Schulz.

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