Kategorie -Jugendliche

So schädlich wie 15 Zigaretten: Eine globale Einsamkeitswelle plagt junge Menschen

Einsamkeit ist längst nicht mehr nur ein Problem älterer Menschen. Immer mehr Jugendliche sind einsam, auf der ganzen Welt. Wer isoliert ist, wird schneller krank – und ist anfälliger für Extremisten.

Instagram, Whatsapp, Snapchat, Youtube oder Tiktok: Jugendliche in Deutschland verbringen immer mehr Zeit im Internet. Fast drei Stunden sind die 16- bis 18-Jährigen jeden Tag online, geht aus einer Bitkom-Studie hervor. Je älter, desto mehr Zeit verbringen sie im Internet, vorwiegend mit Chatten und Streaming.

Obwohl junge Menschen per Social Media auf allen Kanälen vernetzt sind, sind sie gleichzeitig auch so einsam wie nie. Sie haben hunderte Follower, schreiben dutzende Nachrichten am Tag – echte Freunde haben sie aber kaum.

Vor allem seit der Pandemie fühlen sich immer mehr junge Menschen einsam. Vor Corona war jeder siebte der unter 30-Jährigen „manchmal einsam“, hat der Thinktank Progressives Zentrum in einer Studie herausgefunden. Während der zweiten Corona-Welle war es dann schon knapp jeder zweite Jugendliche und junge Erwachsene. Damit fühlt sich keine Altersgruppe so einsam wie die 18- bis 29-Jährigen.

„Wir denken häufig an alte Menschen, wenn wir über das Thema Einsamkeit sprechen“, sagt Michelle Deutsch, Projektmanagerin beim Progressiven Zentrum, im ntv-Podcast „Wieder was gelernt“. Einsamkeit bei jungen Menschen werde häufig vernachlässigt.

Pandemie der Isolation

Ähnlich geht es Jugendlichen und jungen Erwachsenen weltweit. Die Corona-Pandemie hat das Problem noch verschärft: Vor ihrem Beginn waren in der EU vor allem ältere Menschen von Einsamkeit betroffen, steht in einer Studie des wissenschaftlichen Dienstes der EU-Kommission. Allein von April bis Juli 2020 stieg der Anteil der einsamen 18- bis 25-Jährigen auf 36 Prozent, eine Vervierfachung.

Woran liegt das? Einen großen Anteil haben Social Media und Smartphone-Nutzung, sie fördern die Einsamkeit. Zwei US-Psychologen haben in einer Studie einen Zusammenhang herausgestellt. Waren Smartphonezugang und Internetnutzung in Schulen hoch, war es auch die Einsamkeit. In den sechs Jahren nach 2012 sind die Zahlen demnach dramatisch angestiegen. In Europa, Lateinamerika und den englischsprachigen Ländern verdoppelten sie sich etwa, und in den ostasiatischen Ländern stiegen sie um etwa 50 Prozent. Die Autoren empfehlen deshalb, Smartphones in Schulen zu verbieten.

Ein Grund dafür liegt auf der Hand: wenn jeder immer überall auf sein Handy schaut, werden zufällige Begegnungen seltener. Wer immer am Handy klebt, vernachlässigt seine Freundschaften im echten Leben. Chats bleiben meist oberflächlich, Onlinekontakte brechen schneller ab.

Einsam in der Gruppe

„Vor allem die Pandemie hat es noch mal gezeigt, wie stark vor allem junge Menschen von den Auswirkungen der großen Pandemie betroffen waren: Schulschließungen, der Wegfall von Freizeitangeboten – das hat sie in ihrer Lebensrealität deutlicher getroffen“, erläutert Expertin Deutsch.

Das Risiko, einsam zu werden, ist bei Geringverdienern, Menschen mit niedrigem Bildungsstand und Menschen mit Migrationshintergrund höher, geht aus der Studie des Progressiven Zentrums hervor. Michelle Deutsch formuliert es so: Wem das Geld fehlt, mit Freunden Kaffee trinken zu gehen, der bleibt zu Hause und ist dort einsam.

Dabei muss man aber unterscheiden zwischen Einsamkeit und Alleinsein. Wer einsam ist, fühlt sich anderen Menschen nicht nah, hat das Gefühl, zu wenige Kontakte zu haben. „Einsamkeit ist an der Stelle nicht nur das Gefühl, sich allein zu fühlen, sondern keine Person zu haben, auf die man bauen kann, auf die man sich verlassen kann. Man hat das Gefühl, nicht in eine gesellschaftliche Gruppe eingebunden zu sein“, erklärt Deutsch im „Wieder was gelernt“-Podcast.

Wer allein wohnt und niemanden trifft, ist vielleicht allein, aber nicht zwangsläufig einsam. Man kann in einer Beziehung sein und viele Freunde haben, sich aber trotzdem einsam fühlen. Sogar in einer großen Gruppe: „Man fühlt sich nicht zugehörig zu den Menschen, die um einen rum sind. Man hat das Gefühl, man hat keinen Anschluss an seine Klassenkameraden. Das ist wahrscheinlich noch viel, viel bedrückender.“

Einsamkeit erhöht Krankheitsrisiko

Rat und Nothilfe bei Suizid-Gefahr und Depressionen

  • Bei Suizidgefahr: Notruf 112
  • Deutschlandweites Info-Telefon Depression, kostenfrei: 0800 33 44 5 33

  • Beratung in Krisensituationen: Telefonseelsorge (0800/111-0-111 oder 0800/111-0-222, Anruf kostenfrei) oder Kinder- und Jugendtelefon (Tel.: 0800/111-0-333 oder 116-111)
  • Bei der Deutschen Depressionshilfe sind regionale Krisendienste und Kliniken zu finden, zudem Tipps für Betroffene und Angehörige.
  • In der Deutschen Depressionsliga engagieren sich Betroffene und Angehörige. Dort gibt es auch eine E-Mail-Beratung für Depressive.
  • Eine Übersicht über Selbsthilfegruppen zur Depression bieten die örtlichen Kontaktstellen (KISS).

Einsamkeit ist viel mehr als nur ein ungutes Gefühl. Sie kann krank machen. Soziale Isolation kann so schädlich sein wie 15 Zigaretten am Tag, steht in einer aktuellen Studie. Sogar größer als die Auswirkungen von Fettleibigkeit und Bewegungsmangel. Wer einsam ist, hat demnach ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz, Schlaganfälle, Depressionen und Angstzustände. Die WHO sieht einsame Menschen auch einem höheren Suizid-Risiko ausgesetzt. Das Risiko dafür sei so hoch wie oder höher als das Todesrisiko durch Tabakkonsum, Fettleibigkeit oder Luftverschmutzung.

Einsame und sozial isolierte Kinder und Jugendliche können Depressionen bekommen, steht in der Studie des Progressiven Zentrums. Und es hat noch eine Folge ausgemacht: Einsamkeit ist schlecht für die Demokratie. „Das Gefühl, einsam zu sein, macht einen abholbereit für extreme Einstellungen und vor allem auch für rechtsextreme Einstellungen“, so Deutsch. Einsame Jugendliche neigen eher zu einer Verschwörungsmentalität und sind offen für politische Gewalt.

Einsamkeit ist dort weiter verbreitet, wo es weniger Grünflächen und Freizeitangebote gibt. „Wenn Orte wegfallen, an die ich mich wenden kann, bin ich einfacher zu erreichen, einfacher ansprechbar für Menschen, die sich als Kümmerer anbieten und auch eine eigene politische Agenda damit verbinden“, berichtet Deutsch.

Wichtig für die Jugendlichen, damit sie nicht abrutschen, sind mehr direkte Angebote vor Ort, empfiehlt die Expertin – mehr Prävention und Aufklärung. Das Bundesfamilienministerium arbeitet seit vergangenem Jahr an einer Strategie gegen Einsamkeit. Großbritannien hat das Problem schon früher angepackt: Als erstes Land der Welt hat es 2018 ein Ministerium für Einsamkeit ins Leben gerufen.

„Wieder was gelernt“-Podcast

„Wieder was gelernt“ ist ein Podcast für Neugierige: Warum wäre ein Waffenstillstand für Wladimir Putin vermutlich nur eine Pause? Warum fürchtet die NATO die Suwalki-Lücke? Wieso hat Russland wieder iPhones? Mit welchen kleinen Verhaltensänderungen kann man 15 Prozent Energie sparen? Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein wenig schlauer.

Alle Folgen finden Sie in der ntv App, bei RTL+, Amazon Music, Apple Podcasts und Spotify. Für alle anderen Podcast-Apps können Sie den RSS-Feed verwenden.

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Botschafter in Kingston


Das Trommeln des Tropenregens, heftige Böen und das Hupen der Autos auf der Waterloo Road dringen durch die Fenster der deutschen Botschaft in Kingston. Kingston ist die Hauptstadt Jamaikas und liegt an der Südostküste der drittgrößten Insel der Karibik. Das Wetter ist das ganze Jahr über tropisch-feucht mit Durchschnittstemperaturen von 26 bis 32 Grad. Nur in den Blue Mountains, einem Gebirge nördlich von Kingston, ist das Klima etwas gemäßigter. Die deutsche Botschaft befindet sich mitten im Zentrum und ist nicht weit vom Bob-Marley-Museum entfernt. Frank Bernhardt, der Verwaltungsleiter und stellvertretende Botschafter, beginnt seinen Arbeitstag um 7 Uhr. Sofort ins Auge springt eine handbreite wehende Deutschlandflagge. Der Geruch von Papier, Sesselleder und Regen liegt in der Luft. Der 50-Jährige hat braune Haare, trägt Anzug, die Krawatte liegt griffbereit im Aktenschrank. Das ist seine Berufskleidung, denn er ist seit September 2021 für den inneren Dienst, das Personalwesen, die Finanzen und die Liegenschaften verantwortlich. Im Herbst 1992 fing er an, beim Auswärtigen Amt zu arbeiten. „Ich kümmere mich auch um Entwicklungshilfeprojekte und politische Arbeiten im Rahmen der Vereinten Nationen, dazu gehören insbesondere Menschenrechte und Seerechte.“

Bernhardt wurde im Bundesland des Apfelweins geboren, in Hessen. Dort verbrachte er seine Kindheit, in der sich sein Interesse für Sprachen früh zeigte. Heute spricht der Beamte Englisch, Französisch, Spanisch, Norwegisch und Mazedonisch. Spanisch lernte er, weil er eineinhalb Jahre in Buenos Aires zur Schule ging. „Englisch und Französisch eignete ich mir während meiner Ausbildung zum Beamten an.“ Eine Art Volkshochschulkurs belegte er in Norwegen. „Am Ende meiner Zeit dort wurde ich für einen Südnorweger gehalten.“ In Mazedonien nahm Bernhardt Privatunterricht, und wie der Zufall es wollte, lernte er später seine Ehefrau in Berlin kennen, die aus Skopje stammt. Dadurch hat sich sein Mazedonisch perfektioniert.

Beziehungen werden auf die Probe gestellt

Umziehen ist Teil des Berufs als Beamter im diplomatischen Dienst. „Beim Einstieg in das Berufsleben im Auswärtigen Amt sichert man vertraglich uneingeschränkte Versetzungsbereitschaft zu.“ Das bedeutet, dass man alle drei bis vier Jahre umzieht. Meistens werden zwei Standzeiten im Ausland verbracht, und danach geht es wieder ins Inland, also nach Berlin, für eine Standzeit. Eine Standzeit beträgt vier Jahre. Bernhardt war schon in einigen Ländern. „In Tunis begeisterte mich die erste Berührung mit der arabischen Kultur, denn ich war zuerst skeptisch, wurde dann aber doch in ihren Bann gezogen. Tunis hat mich mit ihrer Gastfreundschaft, Lebensart, Kulinarik, Architektur, Kultur und ihren Kunstwerken fasziniert.“ In Skopje ist die Aufbruchsstimmung nach der Unabhängigkeit etwas ganz Besonderes gewesen. „Ich spürte das Interesse an mir als Person ohne meine berufliche Stellung. Die landschaftliche Schönheit, die Architektur und der Islam sind etwas ganz Faszinierendes gewesen.“ Bernhardt kann sich nicht aussuchen, wo es in der nächsten Standzeit hingeht. Jedoch hat er ein Mitspracherecht in Form einer Liste mit eigenen Präferenzen. Dabei gibt es verschiedene Arten von Posten: A-Posten sind die Orte mit ähnlich guten Lebensbedingungen wie in Deutschland. In B-Posten herrschen schwierige Lebensbedingungen, und in C-Posten herrschen schwere Bedingungen oder Krisensituationen. Angegeben werden drei Orte je Posten. Diese können mit einem Wert von eins bis drei belegt werden, wobei eins bedeutet, dass man dort sehr gerne hingehen würde. „Viele Umzüge bedeuten immer wieder neu anfangen, Freunde und das für ein paar Jahre zur Heimat gewordene Land verlassen“, sagt Bernhardt. Beziehungen zu Deutschland werden durch die Zeitverschiebung und die geographische Entfernung oft auf die Probe gestellt.

Ständige Schulwechsel für die Kinder

Auch die fehlende Infrastruktur am Dienstort kann zur Belastung werden. Besonders für mitausreisende Partner ist es oft nicht einfach, da sie ihre Berufstätigkeit in Deutschland aufgeben und sich in der neuen Umgebung zurechtfinden müssen. Kinder von Beamten lernen im jungen Alter die unterschiedlichsten Orte und Kulturen kennen, müssen sich aber genauso oft an ein neues Schulsystem anpassen und neue Freunde finden. Es gibt Dienstorte, die sind gesundheitsgefährdend, und solche, die in Krisengebieten liegen. Dort muss in gepanzerten Fahrzeugen zum Dienst gefahren oder in besonders hergerichteten Containern gewohnt und gearbeitet werden. An jeder Auslandsvertretung werden andere Aufgaben übernommen, etwa in der Rechts- und Konsularabteilung, im Kultur- und Pressereferat oder der politischen Abteilung. Eine Anekdote schildert er aus seiner Zeit in Skopje: Er betreute den Besuch des damaligen Bundesaußenministers Joschka Fischer. Im Ankunftsbereich für Staatsgäste wurde für diesen Anlass die deutsche Flagge mit dem Bundesadler gehisst. Bernhardt kam früh am Flughafen an, um zu sehen, ob protokollarisch alles ordentlich vorbereitet ist. Er sah einen gold-rot-schwarzen Stoff und den Adler im Sturzflug. Sofort machte er darauf aufmerksam. „Pünktlich zur Landung hing die Fahne schließlich richtig herum: in Schwarz-Rot-Gold.“

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Der Tag: Jugendlichen mit Schrotflinte erschossen: Acht Jahre Haft für 18-Jährigen

Weil er einen etwa Gleichaltrigen mit einer Schrotflinte erschoss, ist ein 18-Jähriger vom Landgericht Saarbrücken zu einer Jugendstrafe von acht Jahren Haft verurteilt worden. Die Richterinnen und Richter sahen es nach Angaben eines Gerichtssprechers als erwiesen an, dass der Beschuldigte eines Totschlags schuldig ist. Die Tat ereignete sich im Mai dieses Jahres im saarländischen Schiffweiler, ein 17-Jähriger kam dabei ums Leben.

Laut Anklage trafen sich Täter und Opfer mit einem weiteren Jugendlichen im Keller eines Hauses. Der 18-Jährige spielte dort mit der Schrotflinte und lud sie. Im weiteren Verlauf nahm das 17-jährige Opfer demnach den Lauf der Waffe in den Mund und forderte den Angeklagten zum Schießen auf. Der drückte ab, obwohl er laut Anklage wusste, dass die Aufforderung nicht ernst gemeint gewesen sei. Der Prozess gegen den Beschuldigten begann vor rund drei Wochen.

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Ein Afghane meistert seine Lehre nahe Zürich


Es riecht angenehm nach Holz. Im Gegensatz zum lauten, hektischen Geschehen im Alltag an der Schule ist es hier ruhig. Eine Werkbank, Schränke mit Materialien und Werkzeuge befinden sich in der Werkstatt des Hausdienstes des Gymnasiums in Wetzikon bei Zürich. Mohammad Askari trägt seine Arbeitsuniform: Sneaker, Jeans und T-Shirt. Der aus Afghanistan stammende Lehrling hat an der Schule 2020 seine Lehre als Fachmann Betriebsunterhalt begonnen, umgangssprachlich ist der Beruf als Hausmeister bekannt. Er hat gerade seine Mittagspause beendet, die er meist auf dem Schulhof verbringt. In der Regel nimmt er so wie heute ein selbst gemachtes Sandwich von zu Hause mit, manchmal geht er „auswärts essen“, wie es fast alle an der Schule nennen, wenn sie sich einen Döner oder eine Pizza von einem Take-away holen.

Der erste Auftrag für den Nachmittag lautet, den rollbaren Karton-Container, der außerhalb der Schule steht, in die Werkstatt zu bringen, da dort das Altpapier und alle Kartons gesammelt werden, um sie einmal wöchentlich zu entsorgen. Während Mohammad Askari durch die Gänge geht, antwortet er auf die Frage, ob er gewisse Aufträge lieber als andere erledigt. Eigentlich mache er alle Arbeiten gern, besonders gut gefielen ihm aber die, bei denen er in der Büroarbeit Material bestellen oder eine Lieferung für die Schule abholen kann. „Man weiß nie genau, was man am bevorstehenden Tag machen wird, weil der Alltag als Fachmann Betriebsunterhalt derart vielfältig ist.“ Beim Container ange­langt, rollt Askari diesen zügig durch die Schulgänge in Richtung Werkstatt. Die Schüler gehen alle anständig zur Seite und machen Platz. Auf dem Weg trifft er seinen Lehrmeister Fabian Wieland. Dieser gibt ihm noch einmal Anweisungen für den nächsten Auftrag.

Mehrere Berufe in einem vereint

Mohammad Askari kümmert sich vor allem um Reparaturen und die Instand­haltung und Pflege der Außenanlagen. Die sonst auch zu seinem Beruf gehörenden Verwaltungsarbeiten, die Aktivitäten wie das Planen der Nutzung von Gemeinschaftsräumen und Berichte darüber, übernimmt eher Wieland. Auch Reinigungsarbeiten gehören nicht zu seinen üblichen Aufgaben. Wieder in der Werkstatt angelangt, holt er das Werkzeug, das er für die bevorstehende Arbeit braucht: Bohrmaschine und Schrauben packt er zusammen, denn in der Mensa muss ein Gitter, das dem Schutz einer Deckenlampe dient, wieder fest an die Decke geschraubt werden. Askari hat eine eindeutige Antwort auf die Frage, was seinen Beruf besonders toll macht: „Das Schönste ist, dass man nicht hundert Prozent von einem Beruf lernt, sondern von mehreren untereinander sehr verschiedenen Berufen jeweils einen Teil macht und so mehrere Berufe in einem vereint sind.“

Außerdem habe man viel Kontakt mit Menschen, da man sowohl mit Arbeitskollegen im Hausdienst zusammenarbeitet und sich mit den Putzkräften und Angestellten der Mensa abspricht, aber auch oft mit dem Lehrpersonal und den Schülern kommuniziert. „Dies bringt auch den Vorteil mit sich, dass ich mein Deutsch verbessern kann“, erwähnt Askari. Er spricht sehr gut Deutsch, eine beeindruckende Leistung. Der 25-Jährige lebt erst seit Oktober 2015 in der Schweiz. Er war damals bereits volljährig, weshalb er nie hier zur Schule gegangen ist. Er besuchte aber, bevor sein Asylgesuch angenommen wurde, einen freiwilligen Deutschkurs, in dem er sich die Grundkenntnisse der Sprache aneignete. Verfeinert habe er sein Deutsch jedoch in seiner Freizeit. Diese verbrachte er oft auf dem Fußballplatz. Auch fing er 2017 an, im Volleyballklub Wetzikon zu spielen, der in den Turnhallen der Schule trainiert. Auf diese Weise konnte er sich leicht in die Gesellschaft integrieren und fand schnell Freunde. Mit ihnen trifft er sich regelmäßig, um entweder in eine Bar zu gehen oder um zusammen zu kochen und zu essen, erzählt er. Auf die Frage, ob das weitläufige Vorurteil zutreffe, dass Schweizer gegenüber Fremden eher verschlossen sind, antwortet er: „Nein, die Schweizer, mit denen ich nach meiner Ankunft in der Schweiz Kontakt hatte, waren alle freundlich und offen.“

Askari hat zunächst 2019 eine Vorlehre als Maurer gemacht, dafür aber dann keine Lehrstelle gefunden. Schließlich hatte er drei Möglichkeiten, wo er eine Lehre hätte anfangen können: Im Detailhandel bei Coop, als Fachmann für Gesundheit in einem Altersheim oder an der Schule. Ursprünglich sei sein Wunsch aber eine Lehre als Elektriker gewesen. Sein Deutsch sei dafür gut genug gewesen, aber ihm haben die Kenntnisse in Mathematik und Physik gefehlt. „Ich bin aber motiviert, mich weiterzubilden und immer mehr zu lernen.“

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Gleichaltrigen erschossen: 18-Jähriger muss wegen Totschlags ins Gefängnis

Im Mai spielt ein 18-Jähriger in einem Keller im saarländischen Schiffweiler mit einer Schrotflinte. Zum Spaß fordert ihn ein Freund auf, auf ihn zu schießen. Der Jugendliche drückt ab. Ein Gericht verurteilt ihn nun zu vielen Jahren Haft.

Weil er einen etwa Gleichaltrigen mit einer Schrotflinte erschoss, ist ein 18-Jähriger vom Landgericht Saarbrücken zu einer Jugendstrafe von acht Jahren Haft verurteilt worden. Die Richterinnen und Richter sahen es nach Angaben eines Gerichtssprechers als erwiesen an, dass der Beschuldigte eines Totschlags schuldig ist.

Die Tat ereignete sich im Mai dieses Jahres im saarländischen Schiffweiler, ein 17-Jähriger kam dabei ums Leben. Laut Anklage trafen sich Täter und Opfer mit einem weiteren Jugendlichen im Keller eines Hauses. Der 18-Jährige spielte dort mit der Schrotflinte und lud sie.

Im weiteren Verlauf nahm das 17-jährige Opfer demnach den Lauf der Waffe in den Mund und forderte den Angeklagten zum Schießen auf. Der drückte ab, obwohl er laut Anklage wusste, dass die Aufforderung nicht ernst gemeint gewesen sei. Der Prozess gegen den Beschuldigten begann vor rund drei Wochen.

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Coiffeur-Weltmeister Martin Dürrenmatt


Am Krönungstag von König Charles III. ist Martin Dürrenmatt in seinem Auto auf dem langen Weg von Zürich nach Deutschland unterwegs. Er nimmt die drei Stunden Fahrt auf sich, um ein gemeinsames Wochenende mit seinem Partner zu verbringen. Der 32-jährige Schweizer geht jedoch nicht nur in seiner Freizeit, sondern auch beruflich die Extrameile. Unfassbare Leidenschaft und herausragendes Talent zeichnen ihn aus. Im Gegensatz zum Neu-König Charles wurde Dürrenmatt nicht einmal, sondern ganze achtmal gekrönt: zum Weltmeister der Hairdresser. Seine erste Auszeichnung habe er bereits als 16-Jähriger bekommen, den ersten Weltmeistertitel mit 21 Jahren. Der Schweizer gehört zu den weltweit am meisten ausgezeichneten Friseuren. In Sachen Langhaarstyling, Schneiden und Hochsteckfrisuren ist er Experte. „Ich style Haare für Magazine, fungiere als Stylist für Fernsehsendungen und entwerfe meine eigenen Hair-Kollektionen“, erzählt der Großneffe des berühmten Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt. Der Ruhm seines Großonkels sei jedoch nie Thema in der Familie gewesen. „Seine Bücher habe ich erst als Erwachsener gelesen, aber ehrlich gesagt, lese ich lieber Sachbücher sowie Bücher über den Buddhismus“, erklärt er lachend.

Martin Dürrenmatt trägt nicht nur einen bekannten Namen, sondern hat auch namhafte Kundschaft. Der Star-Coiffeur ist per Du mit bekannten Persönlichkeiten wie Beatrice Egli oder Stefanie Heinzmann. Doch nicht nur Schweizer Größen fühlen sich wohl in seinem Coiffeurstuhl, sondern auch international berühmte Stars: „Ich durfte bereits die Oscarpreisträgerin Cate Blanchett, den Popstar Dua Lipa und das Victoria-Secret-Model Irina Shayk frisieren. Dabei verlasse ich mich immer auf mein Bauchgefühl und meine Intuition, um die passende Frisur auf jeden Kopf zu zaubern“, sagt er.

Training, Training und nochmals Training

Es sind nicht nur seine fachlichen Fähigkeiten, sondern auch seine menschlichen Qualitäten, die von seinen Kunden geschätzt werden. „Ich lege Wert auf Diskretion, Ehrlichkeit, Respekt und Kundenorientierung.“ Und ja, mit vielen seiner prominenten Kunden sei er tatsächlich eng befreundet. „Meine Kunden verbringen bei mir drei, vier, manchmal auch fünf Stunden. Da erzählt man sich viel, das verbindet“, erklärt er. Von vielen Kundinnen kennt er deren konkrete Sorgen und Probleme. Als Diskretionsprofi hält er aber auch auf Nachfrage davon Abstand, konkrete Beispiele zu nennen. Nur so viel: Die bekannte Schweizer Fernsehmoderatorin Sandra Studer verriet einmal einem SRF-Journalisten: „Er weiß vielleicht sogar mehr von mir als mein eigener Ehemann.“ Nun könnte man meinen, dass so viel Nähe zu Prominenten einem unweigerlich zu Kopf steigt. Doch weit gefehlt. „Wie meine Kunden bin ich Mensch, mit guten und weniger guten Tagen“, sagt er bescheiden. Bekannt geworden ist er durch die wöchentliche Unterhaltungssendung „Life-Style“, die Freitag Abend auf dem Schweizer Privatsender Tele Züri zu sehen ist. In der Sendung machte er vier Jahre lang „Makeovers“ für Fernsehzuschauer, die sich für ein Umstyling mit neuer Frisur und Kleidung beworben hatten. Im vergangenen September war der Hairstylist auch in der Pro-Sieben-Sendung „Dress Up“ zu sehen, wo er Kandidaten für einen bestimmten Anlass stylen durfte. „Meine Kernkompetenzen sind Haare und Make-up, ich interessiere mich jedoch auch sehr für Mode.“ Sein Erscheinungsbild – akkurater Haarschnitt, markante schwarze Brille und schwarze, geradlinige Kleidung – hat einen hohen Wiedererkennungswert.

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Vor-Pandemie-Trend hält an: Weniger Jugendliche trinken bis zur Alkoholvergiftung

Saufen, bis man ins Koma fällt, das war in den 2010er Jahren beängstigend weit verbreitet unter Jugendlichen. Inzwischen werden weniger junge Leute nach Alkoholkonsum im Krankenhaus behandelt. Einer neuen Statistik zufolge bleiben immer mehr Jugendliche dem Alkohol ganz fern.

Die Zahl der Heranwachsenden, die wegen einer akuten Alkoholvergiftung stationär im Krankenhaus behandelt werden müssen, ist weiter gesunken. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, waren es im vergangenen Jahr gut 11.500 junge Menschen im Alter von 10 bis 19 Jahren. Das waren 1,3 Prozent weniger als im Jahr 2021 und 43,1 Prozent weniger als vor der Corona-Pandemie 2019.

„Damit sind die Fallzahlen das dritte Jahr in Folge gesunken und erreichten 2022 den niedrigsten Stand seit dem Jahr 2001“, berichteten die Statistiker. Den Höchstwert gab es im Jahr 2012 mit rund 26.700 Behandlungsfällen in dieser Altersgruppe. Zu dem Rückgang beigetragen haben die Pandemie-Jahre mit abgesagten Festen, geschlossenen Lokalen und Kontaktbeschränkungen. Auch demografische Effekte spielen eine Rolle: Die Bevölkerung in der Altersgruppe 10 bis 19 Jahre schrumpfte zwischen 2001 und 2022 um 16,6 Prozent.

15- bis 19-Jährige sind – über alle Altersgruppen hinweg einschließlich Erwachsener – die am häufigsten betroffene Gruppe bei der Zahl der Klinikaufenthalte wegen Alkoholmissbrauchs: In dieser Altersgruppe gab es im Jahr 2022 mit 247 Fällen je 100.000 Einwohner den mit Abstand höchsten Wert. In der Altersgruppe der 50- bis 54-Jährigen wurden nur 104 Fälle je 100.000 Einwohner gezählt.

Prävention wirkt

Dabei wächst auch der Anteil der Nichttrinker. Bei einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZGA) sagten nur noch 57,5 Prozent der 12- bis 17-Jährigen, dass sie mindestens einmal im Leben Alkohol getrunken haben. Vor 20 Jahren waren es noch 87 Prozent. Unter dem Motto „Kenn dein Limit“ informiert die BZGA umfangreich über die Folgen von Alkoholkonsum. Jugendliche reagieren empfindlicher auf Alkohol als Erwachsene, so die BZGA.

Das liegt vor allem daran, dass sich Organe und vor allem das Gehirn noch entwickeln. „Mindestens bis zum Alter von 21 Jahren erfolgen im Gehirn wichtige Umbauprozesse, die durch Alkohol gestört werden können“, so die BZGA. „In dieser Zeit kann Alkohol schon in kleinen Mengen erheblichen Schaden anrichten. Daher ist in dieser Altersgruppe jeder Alkoholkonsum besonders ungesund.“

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) warnt: „Alkohol schadet mit jedem Schluck. Es ist ein Zellgift.“ Bei der Vorstellung des „Jahrbuchs Sucht 2023“ forderte DHS-Geschäftsführerin Christina Rummel neben Präventionskampagnen etwa an Schulen auch politische Maßnahmen. „Hier geht es vor allem um drei Punkte: das Anheben der Alkoholpreise, eine Einschränkung der aktuellen 24/7-Verfügbarkeit und die Regulierung von Alkoholwerbung“, sagte Rummel.

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Collage über jüdisches Leben in Lübben


Marleen Krüger besucht das Paul-Gerhardt-Gymnasium in Lübben, eine Kreisstadt im Spreewald. Vor einem Jahr ist ihr Jahrgang in das Konzentrationslager Auschwitz gefahren. „Uns alle hat das berührt. Wir sind durch die dunklen Gaskammern gegangen, der Anblick der Öfen. Es war Furcht einflößend – und dann diese unfassbare Größe“, sagt die heute 17-Jährige. Nach dem Besuch der Gedenkstätte hat sie der Holocaust nicht mehr losgelassen. „Ich wollte mehr darüber erfahren, mehr als das, was in den Geschichtsbüchern steht. Und je mehr ich über Lübben erfahren habe, je mehr Bilder ich von den Menschen gesehen habe, desto erschreckender war das.“ Die Zwölftklässlerin hat sich in ihrer Heimatstadt nach Spuren jüdischen Lebens umgesehen. „Ich bin zu unserem Stadtmuseum gegangen und habe nachgefragt: Gibt es Bilder und Gegenstände von jüdischen Familien?“

Das schmale Buch des Historikers Andreas Weigelt, „Das jüdische Lübben. Einblicke in eine vergangene Epoche“, half weiter. Durch das Museum lernte sie Ilka Gelhaar-Heider vom Landkreis Dahme-Spreewald kennen, die wiederum in Kontakt mit den Nachfahren der ehemaligen Juden aus Lübben in Israel stand. Marleen durfte die Bilder nutzen. „Dann bin ich auf Erkundungstouren durch unseren Ort gegangen, um zu sehen, was ich bildlich verankern kann.“ Denn ihr Medium ist die Kunst. So entstand eine Collage. Dafür hat Marleen im Jüdischen Museum Berlin den zweiten Platz des Rolf-Joseph-Preises erhalten. Begleitet wurde sie von ihren Eltern, die berichteten, dass ihre Tochter drei Wochen bis spät in die Nacht durchgearbeitet hatte. „Ich habe alle Freizeit da reingesteckt. Weil das für mich wichtig war. Und ist.“ Auch für andere. Die Collage wird Teil der Dauerausstellung des Stadt- und Regionalmuseums im Schloss zu Lübben.

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Lehrerin mit Waffe bedroht?: SEK-Einsatz an Hamburger Schule – verdächtige Jugendliche geflüchtet

An einer Schule in Hamburg gibt es Hinweise auf eine Bedrohungslage. Die Polizei rückt mit einem Großaufgebot an. Beamte durchsuchen das Gebäude und prüfen Hinweise.

Alarm an einer Stadtteilschule in Hamburg-Blankenese: Zwei Jugendliche oder Kinder sollen am Mittwochmittag mit einer Schusswaffe in der Schule gewesen sein und möglicherweise eine Lehrerin bedroht haben, wie die Polizei vor Ort mitteilte. Die Polizei sprach von einer Bedrohungslage, keiner Amoktat. Zeugen schätzen das Alter der zwei Jugendlichen auf zwischen 12 und 15 Jahre, wie ein Polizeisprecher weiter sagte. Die Beamten konnten zunächst keine Angaben zum Alter machen. Die Bedrohung fand in einem Raum statt, in dem eine 8. Klasse unterrichtet wurde. Die Tatverdächtigen sollen im Anschluss den Raum verlassen haben und unerkannt geflüchtet sein. Ob es sich um Schüler der Stadtteilschule handelt, war zunächst unklar. Hinweise auf Verletzte liegen nicht vor.

Einsatzkräfte brachten Kinder aus der Schule in Sicherheit und suchten auf dem Gelände nach den Jugendlichen. Der Polizei sei weiter berichtet worden, dass die beiden Menschen im Anschluss den Klassenraum verlassen und unerkannt irgendwohin geflüchtet sein sollen, sagte ein Polizeisprecher. Dies werde nun überprüft.

Hinweise auf Verletzte liegen nicht vor. Die Polizei hatte am Vormittag Hinweise auf eine unklare Bedrohungslage an der Stadtteilschule erhalten. Sie ist mit vielen Kräften im Einsatz. Das Gebiet um die Schule wurde weiträumig abgesperrt. Über der Schule kreisen Polizeihubschrauber.

Blankenese liegt an der Elbe und gilt als eher wohlhabender Stadtteil. Die Stadtteilschule Blankenese hat rund 1150 Schülerinnen und Schüler – davon allein um die 400 in der gymnasialen Oberstufe. Unterrichtet werden sie von mehr als 120 Lehrkräften.

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Instrumentenbaumeister Traut aus München kennt viele Blechschäden


Ein unscheinbarer Hinterhof in der Stadtmitte Münchens, der durch eine alte Holzpforte betreten wird: Die Dynamik der Großstadt ist nun vollkommen verschwunden, alles ist ruhig. Über Steinstufen gelangt man in die Werkstatt von Franz Josef Traut: Diese ist alles andere als ruhig. Seine beiden Mitarbeiter, einst Lehrlinge und nun selbst Instrumentenmachermeister, arbeiten geschäftig. Allerhand Werkzeuge, verschiedene Arbeitsbereiche, schwere Maschinen und Ersatzteile verwandeln die Werkstatt in einen Traditions­betrieb. In Trauts Büro zieren zahlreiche Klarinetten die Wände, das Funktionale gibt den Ton an: Drehstühle und eine zweckmäßige Inneneinrichtung. Seit 1993 arbeitet Traut selbständig als Blas-, Holz- und Schlagzeuginstrumentenmeister in seinem eigenen Betrieb. Wirkliche Spuren der Moderne finden sich nur im Büro: ein Telefon für Aufträge und ein Laptop. Auch das macht seine Werkstatt aus: Die Zeit steht still trotz der vielen hämmernden Geräusche außerhalb von Trauts Büro. Er selbst trägt schlichte dunkle Kleidung und eine blaue Schürze.

Recherche in Museumskatalogen

Angefangen hat alles mit seiner Ausbildung: „Es war zu meiner Zeit, so Mitte der 1980er, dass die Lehrstellen knapp waren. Ich hatte dann eben die Idee, nachdem ich selbst Blasinstrumente gespielt habe und ab und zu was zu reparieren hatte, bei einem Betrieb anzufragen, und habe dann relativ bald eine Zusage bekommen – zur damaligen Zeit eine Glückssache.“ Die Lehre bestand allerdings vor allem aus Zuarbeiten für den Meister. Die damaligen Techniken verwendet der 53-Jährige heute noch. Im Laufe der Jahre haben sich Trauts Tätigkeiten nicht geändert, vor allem wartet und restauriert der Instrumenten-machermeister Holz- und Blechblasin­strumente aller Art. „Wir machen in erster Linie Reparaturen und sehr wenig Neubau.“ Neben dem alltäglichen Geschäft, Instrumente werden meist binnen ein bis drei Stunden repariert, hat sich die Werkstatt auch auf Restaurierungen spezialisiert: „Die Restaurationen finde ich immer interessant, weil man Instrumente mit Geschichte hat, die man dann möglicherweise doch noch zum Spielen bringt, wobei bei manchen anfangs nicht unbedingt klar ist, ob das gelingt.“ Dennoch ist es für Traut wichtig, solche historischen Meisterwerke, wenn man sie schon nicht spieltauglich macht, so doch wenigstens zu konservieren. Oft sind das Messing und das Metall der Blasinstrumente zu brüchig, als dass man auf ihnen spielen kann. Das Metall der Blechblasinstrumente wird in der Werkstatt aber nie einfach nur ersetzt. Zudem fehlen für die Restauration oftmals seltene Teile zur Vervollständigung: „Und dann geht es bei solchen Instrumenten los, dass man in Museumskataloge schauen muss: Wo gibt es so was noch? Dann kann man Maß nehmen und schauen, wie das ausgesehen hat oder wie die Funktion war.“ Diese besonderen Unikate wurden auch häufig umgebaut und modifiziert. Sie waren zur damaligen Zeit ähnlich kostspielig. Heute kostet zum Vergleich eine handgemachte Trompete in Trauts Werkstatt ungefähr 3000 Euro.

Er haucht jedem Instrument wieder einen Zauber ein

Über die Jahre wurden besondere historische Instrumente restauriert: ein seltenes Soprankornett mit Berliner Pumpventilen, eine Art Trompete aus der Familie der Hörner, oder eine versilberte Tuba in Basstrompetenform, um 1900 gefertigt, besonders rar, weil sie so vollständig war, sowie ein versilbertes amerikanisches Kornett aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. „Dieses ist eigentlich das Instrument, das am neuwertigsten wurde. Da war die Substanz vor der Restauration sehr, sehr gut, und darum ist es danach eigentlich schon fast ein Neuinstrument geworden.“ Allerdings war die dafür notwendige Arbeit sehr umfangreich, schließlich musste Traut bei dem Kornett Originalteile nachbauen. Dabei brauchen die umfangreichsten Restaurationen 20 bis 25 Stunden.

Anders als in vielen anderen Bereichen des Handwerks spielt für Traut die Digitalisierung keine Rolle. Wirkliche Änderungen im Instrumentenhandwerk habe es nicht gegeben, er arbeitet weitestgehend mit den Methoden wie zu seinen Lehrlingszeiten. „Digitalisierung also eher nicht bei uns, auch von den Instrumenten her eigentlich nicht.“ Eine Entwicklung hat sich hingegen für ihn besonders bemerkbar gemacht: „Was wir schon gemerkt haben als Veränderung in den letzten 20 Jahren: Billige Fernostinstrumente sind immer mehr geworden. Also die überschwemmen eigentlich ein bisschen den Markt. Da gibt es zum Teil Instrumente, die einfach qualitativ minderwertig sind, wo es sich dann auch einfach nicht mehr zu reparieren lohnt.“ Deswegen gilt gerade bei Instrumenten ein Credo: Qualität. Deshalb spricht seine Arbeitsweise Musiker an, die Wert auf Qualität legen. Trauts Motto lautet: „Geräte reparieren lohnt sich bei welchen mit Qualität auf jeden Fall.“ Upcycling statt Wegwerfen, das ist knapp gesagt die pragmatische und professionelle Arbeitsweise des nüchternen und souverän auftretenden Mannes, der durch Reparaturen und Restaurierungen jedem Instrument wieder einen Zauber einhaucht. „Ich bin eher ein Reparieren-statt-Wegwerfen-Typ.“ Dennoch gibt es eine Einschränkung: „Durch die Reparatur wird das Instrument neuwertig, und das geht nicht unbegrenzt oft, das ist klar.“

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