Kategorie -Jugendliche

Tänzer zwischen Schule und Ballett


Wenn du dich zwischen Schule und Tanzen entscheiden müsstest, was würdest du wählen?“ Die Frage hängt eine Weile in der Luft, während er überlegt. Ein trauriges Lächeln umspielt seine Lippen. Automatisch wandert seine Hand auf dem blauen Hemd zu seinem Herzen. „Ich muss mich für die Schule entscheiden, aber mein Herz schlägt für das Tanzen“, antwortet Kilyan Cassan. Im hektischen Alltag eines Gymnasiasten ist es eine Herausforderung, Schule und außerschulische Aktivitäten unter einen Hut zu bringen. Kilyan ist ein 16-jähriger Tänzer und steht vor dieser Herausforderung. Fast jeden Tag begibt er sich in das Tanzstudio in Wetzikon. Die Luft ist schwül, und die Spiegel an den Wänden erschaffen eine endlose Illusion von Raum und Bewegung. Wenn sich Kilyan stundenlang im Rhythmus der Musik bewegt, erwacht das Studio zum Leben. Die Luft scheint zu vibrieren, wenn der Tänzer seine Schritte setzt, und seine Bewegungen sind so fließend wie das Wasser. Im Unterricht drehen sich seine Gedanken nur um das Tanzen, aber während der Tanzstunden kreisen seine Gedanken um schulische Pflichten. Viele kämpfen mit dem Problem, dass sie wegen Hausaufgaben oder Prüfungen keine Zeit für ihre anderen Interessen haben. Studien berichten darüber, wie wichtig ein Hobby für den Ausgleich zum Alltag ist. Es hilft nicht nur, seelisches Gleichgewicht zu finden, sondern trägt auch zur Förderung der körperlichen Gesundheit bei.

Popping, Hip-Hop, House und Breakdance

Viele Schüler haben ihrem Hobby einen bedeutenden Platz in ihrem Leben eingeräumt. „Wenn ich das nicht hätte, wäre ich nicht glücklich“, sagt Kilyan. Vor etwa einem Jahr wurde ihm bewusst, welche zentrale Rolle das Tanzen in seinem Leben spielt und welche starke Verbindung er verspürt. „Ich tanze eigentlich schon, seit ich sieben Jahre alt bin, aber für mich persönlich habe ich erst vor einem Jahr angefangen.“ Er hat den Entschluss gefasst, das Tanzen ernsthafter zu betreiben und seine Fähigkeiten in möglichst vielen Bereichen zu erweitern. Dabei möchte er neben urbanen Tanzstilen wie zum Beispiel Popping, Hip-Hop oder House weitere Tanzstile wie Breakdance ausprobieren. Dazu gehört ein intensiveres Trainingsengagement. „Wenn ich nach der Schule nach Hause komme, bin ich k. o. von der Schule. Ich schlafe ein bisschen und muss dann wieder ins Tanzstudio. Und wenn ich nach dem Tanzen nach Hause komme, bin ich k. o. vom Tanzen.“ Seine Stimme klingt müde, doch zudem ist ein Funken Begeisterung zu hören. „Am liebsten tanze ich allein, aber auch Battles machen mir Spaß.“ Die Verbundenheit mit seinen Tanzkollegen und -kolleginnen liegt Kilyan am Herzen. Ab und zu misst er sich gerne mit seinen Mitstreitern in einem Battle. Die Menschen im Studio sind für ihn wie eine Familie. Er fühlt sich besonders wohl und frei, wenn er mit den anderen Choreographien einstudiert. Vor Kurzem hat Kilyan an den Schweizer Meisterschaften teilgenommen und gute Leistungen erbracht. Als Duo belegte er den 13. Platz, und seine Crew konnte sich sogar den 5. Platz ergattern. Manchmal wird er von Firmen wie zum Beispiel der SBB gebucht, um für sie zu tanzen. Dabei macht er gleichzeitig Werbung für die Firma und tanzt als Repräsentant für seine Tanzschule Lordz. Während des Tanzens kann man förmlich sehen, wie die Musik durch seinen schlanken Körper fließt. Seine dunklen Locken umrahmen sein Gesicht, und mit geschlossenen Augen lässt er sich leiten.

Sie können mehr von den nachrichten auf lesen quelle

8 Jahre Haft für 800 Fälle: Jugend-Fußballtrainer gesteht sexuellen Missbrauch

Ein ehemaliger Trainer des Vereins TSV Neuried bei München wird in 800 Fällen des sexuellen Missbrauchs, der Vergewaltigung und der Körperverletzung von Minderjährigen bezichtigt. Er legt ein Geständnis ab – für eine relativ kurze Haftstrafe. Sein Vorgehen erinnert an den Fall Larry Nassar.

Im Prozess um hundertfachen Missbrauch an jungen Fußballspielern hat ein ehemaliger Trainer aus München ein Geständnis abgelegt. Er räumte die Taten, die ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft, vor dem Landgericht München I ein, wie eine Gerichtssprecherin mitteilte. Der Mann habe eine entsprechende Erklärung abgegeben.

Das Geständnis ist Bedingung für einen sogenannten Deal, mit dem sich alle Verfahrensbeteiligten nach Gerichtsangaben einverstanden erklärten. Die Kammer hatte beim Prozessauftakt in der vergangenen Woche auf Anfrage der Verteidigung einen Verständigungsvorschlag unterbreitet.

Trotz mehr als 800 Missbrauchsfällen maximal acht Jahre Haft

Demnach kann der Angeklagte auf eine Strafe von nicht mehr als acht Jahren hoffen, wenn er die Vorwürfe einräumt und seinen Opfern so möglicherweise eine Aussage vor Gericht erspart. Darauf ging der Mann nun ein, nachdem die Verteidigung in der vergangenen Woche noch Bedenkzeit bis zum zweiten Verhandlungstag erbeten hatte.

Mehr als 800 Missbrauchsfälle wirft die Staatsanwaltschaft ihm vor, 30 Opfer soll es geben. In mehr als 200 Fällen ist er auch wegen Vergewaltigung angeklagt, in vier Fällen wegen Kindesmissbrauchs, weil das Opfer jünger als 14 Jahre alt war. Dazu kommen Vorwürfe sexueller Übergriffe und vorsätzlicher Körperverletzung.

Trainer gab vor, ausgebildeter Physiotherapeut zu sein

Der frühere Cheftrainer und sportliche Leiter eines Vereins im Landkreis München soll die Teenager im Alter zwischen 13 und 19 Jahren bei angeblichen physiotherapeutischen Behandlungen missbraucht und in zahlreichen Fällen auch vergewaltigt haben. Dabei nahm er laut Staatsanwaltschaft nach einem immer gleich ablaufenden Muster auf einer Massageliege in der Kabine des Fußballvereins, beim Trainingslager oder auch in seinem Haus sexuelle Handlungen an den jungen Fußballern vor und gab an, dies diene der Durchblutung der Muskulatur.

Der Angeklagte habe angegeben, ausgebildeter Physiotherapeut zu sein. Den jungen Fußballern habe er vorgegaukelt, solche Behandlungen seien im Profisport üblich. Damit erinnert sein Vorgehen an den ehemaligen Mannschaftsarzt des US-Gymnastikteams, der über Jahre hinweg minderjährige Turnerinnen im Rahmen von „notwendigen medizinischen Untersuchungen“ sexuell missbraucht hat.

Sie können mehr von den Nachrichten auf lesen quelle

Daniele Dondé hat die Legal Faux Art erfunden


Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone und Andy Warhol: Das sind nur einige Namen von Prominenten, die sich von Daniele Dondés Kunstwerken begeistern ließen. Was sie gekauft haben, sind jedoch keine Originale, sondern Fälschungen berühmter Maler – und dennoch vollkommen legal. Welche Geschichte verbirgt sich hinter dem Mann, der 1984 die Kunstwelt auf den Kopf stellte? An einem heiteren Nachmittag in Lugano, mit einem Espresso in seiner Hand, erinnert sich Dondé an seine Anfänge. Neben ihm sitzt seine Ehefrau Teresa, Zeugin seiner künstlerischen Reise. „Geboren bin ich 1950 in Cremona“, erklärt er, „in einem Haus, in dem Kunst weit mehr als bloße Dekoration war.“ Doch als er herausfand, dass die prächtige Sammlung seines verstorbenen Vaters – mit Werken von italienischen Künstlern wie Lucio Fontana, Giorgio Morandi und Antonio Ligabue – zahlreiche Fälschungen enthielt, war er zutiefst erschüttert. „Die Vorstellung, dass mein kluger Vater so hintergangen wurde, machte mich traurig“, erzählt er.

Fokus auf dem Impressionsmus

Aus dieser Enttäuschung entstand aber schon bald eine revolutionäre Idee: „Anstatt mich zu verstecken, sah ich darin eine Gelegenheit“, erklärt Dondé. 1984 entwickelte und patentierte er ein einzigartiges Zertifikat, das Kunstfälschungen, selbst mit nachgeahmter Originalunterschrift, legalisierte und als eigenständige Kunstwerke anerkannte. Dies war die Geburtsstunde der „Legal Faux Art“, eines Konzepts, das die Kunstwelt revolutionieren sollte. So entstanden Tausende von Dondé zertifizierte Nachbildungen. „Mein Team von circa dreißig Kunstfälschern fokussierte sich vor allem auf französischen Impressionismus.“ Zu ihrem Hauptfokus gehörten Größen wie Claude Monet, Paul Cézanne und Auguste Renoir. Zudem widmeten sie sich den Werken von Künstlern wie Vincent van Gogh, Gustav Klimt, Paul Gauguin und Amedeo Modigliani. Interessanterweise wenden sich bis heute Personen an ihn, um die Echtheit einer Dondé-Fälschung bestätigen zu lassen, insbesondere wenn sie im Begriff sind, diese in Auktionshäusern versteigern zu lassen.

„Fälschen ist eine Kunst für sich“

Laut Dondé sind die gefälschten Gemälde bezüglich der Größe in der Regel den Originalen sehr ähnlich, wobei es gelegentlich zu Abweichungen von einem Zentimeter kommen kann. Auf der Vorder-, also der Bildseite befindet sich auch eine Nachbildung der Originalunterschrift des Künstlers. Auf der Rückseite des Gemäldes sind sowohl die Unterschrift des jeweiligen Fälschers als auch die von Dondé zu finden. Das beigefügte Zertifikat trägt ebenfalls die Unterschrift des Fälschers und die von Dondé. Der Maestro hebt jedoch hervor: „Jeder kann kopieren, aber Fälschen ist eine Kunst für sich. Ein professioneller Fälscher analysiert das Original bis ins kleinste Detail, bevor er es reproduziert.“ Dondé schuf mit dieser Idee nicht nur einen Trend, sondern stellte auch die Preisstrukturen des Kunstmarktes infrage. „Warum sollte jemand für van Goghs ‚Sonnenblumen‘ einen Millionenbetrag zahlen, wenn er das Werk für 8000 Franken erwerben kann?“, stellt er rhetorisch in den Raum. Auf die Frage nach seinem teuersten Verkauf antwortet er: „In Lausanne konnte ich einem privaten Sammler ein riesiges Caravaggio-Gemälde für 30.000 Franken verkaufen.“ Im Durchschnitt kosten seine Kunstfälschungen 5000 Franken.

Sie können mehr von den nachrichten auf lesen quelle

Vermisst im Urlaub in Südtirol: 16-jährige Deutsche ist offenbar im Schnee erfroren

Die bei einem Familienurlaub in Südtirol ums Leben gekommene 16-Jährige aus Deutschland ist offenbar erfroren. „Die Modalitäten des Befundes ergaben, dass ein Tod durch Erstickung und Erfrieren im frischen Schnee am wahrscheinlichsten ist“, zitiert die „Bild“-Zeitung die Gerichtsmediziner im italienischen Bozen. Die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtet mit Verweis auf die Obduktionsergebnisse, dass das Mädchen erfroren sei.

Die Leiche der Jugendlichen wurde am Freitag in der Nähe der norditalienischen Gemeinde Innichen in den Dolomiten am Fuße eines Bergwegs gefunden, wie die Bergrettung zuvor mitteilte. Die Familie hatte sie als vermisst gemeldet. Den Angaben zufolge war das Mädchen am frühen Morgen von seiner Unterkunft zu einem Spaziergang aufgebrochen und nicht mehr zurückgekehrt.

An der Suche waren auch ein Hubschrauber und eine Hundestaffel beteiligt. Schließlich wurde die Jugendliche, nachdem man ihr Handy geortet hatte, in unwegsamem Gelände von einem Hund entdeckt. Die „Bild“-Zeitung berichtet darüber hinaus über weitere Details der Suche. Demnach brach die 16-Jährige gegen 7 Uhr morgens auf. Der Notruf der Familie sei um 11 Uhr eingegangen. Gegen 13.45 Uhr sei die Vermisste leblos entdeckt worden.

Vermutet wurde, dass die 16-Jährige bei ihrem Spaziergang auf einem eisigen Weg ausrutschte und dann mehrere Meter in die Tiefe stürzte. Die Fundstelle liegt in einer Höhe von etwa 1450 Metern. Die Staatsanwaltschaft ordnete eine Obduktion an. Damit sollte auch geklärt werden, ob das Mädchen erfroren ist.

Sie können mehr von den Nachrichten auf lesen quelle

Wim Ouboter erfindet Mikrogefährte


Der Schweizer Geschäftsführer der Micro Mobility Systems AG, Wim Ouboter, hat schon mit Trottinetts und Kickboards die Mikromobilität ins Rollen gebracht. Sein Büro befindet sich in einem alten Mehrfamilienhaus in Küsnacht am Zürichsee. Der Gründer mit holländischen Wurzeln, dessen Familienname „alte Butter“ bedeutet, ist sogar in dieser Wohnung aufgewachsen, die jetzt als Meeting-Zimmer dient. Ouboter hat seine Haare nach hinten gekämmt, trägt eine schwarze Brille und ein blaues, kurzärmliges T-Shirt. Mit 63 Jahren ist er noch sehr sportlich, geht Snowboarden und kennt sich auch mit aktuellen Trends aus: „Ich mache Wingsurfen. Eine Kombination aus Kitesurfen, aber mit einem Ruder, das das Board aus dem Wasser hebt. Dadurch ist man viel schneller.“

Tretroller und Kickboards

Der CEO der 1996 gegründeten Firma, die mit ihren Tretrollern und Kickboards in ganz Europa bekannt ist, hat eine sympathische Art. Er lächelt viel und erzählt, als wäre es das erste Mal, wie er damals spätabends nach der Arbeit als Banker jeweils noch eine Bratwurst vom nahe gelegenen „Sternengrill“ holen wollte und für die kurze Strecke ein passendes Gefährt benötigte. Mit einem starken Willen baute er seinen ersten Prototypen. Trotz vieler Rückschläge hat er immer weitergemacht, konnte mithilfe seines Schwiegervaters die Produktion in China ausbauen und brachte letztendlich mit seinen beiden Söhnen ein elektrisches Kleinauto auf den Markt. Wim Ouboter ist ein Familienmensch. Das zeigt sich bereits dabei, dass er ganz bescheiden zugibt, dass es ohne die Unterstützung seiner Frau niemals mehr als einen Prototypen gegeben hätte. Das war 1997, und ein erwachsener Mann auf einem Skateboard mit Handgriff war für die meisten Leute lächerlich. Eigentlich schwer vorzustellen, da es heute an jeder Ecke Elektroscooter gibt. Mittlerweile hat seine Firma 50 Mitarbeiter in der Schweiz und 150 in Italien, zu Rekordzeiten haben mehr als 15.000 Fabrikarbeiter in China produziert. Die Produktion findet momentan in Turin statt. Die neuste Erfindung, an der sein Sohn Merlin beteiligt war, heißt Microlino. Dieser ist ein kleines, zweisitziges Elektroauto mit „bella figura“, also einem stylischen Design, das an die BMW Isetta erinnert. Auch dort stieg man durch eine Fronttür ein.

Die Söhne sind wichtige Partner

Obwohl Ouboter das Unternehmen leitet, hat er sich bereits um die Nachfolge gekümmert. Die beiden Söhne Merlin und Oliver sind vor einigen Jahren wichtige Partner in seiner Firma geworden. Oliver, der an der bekannten HSG, der Universität St. Gallen, studiert hat, leitet die Produktion des Microlinos in Turin. Merlin, der Jüngere von beiden, ist für das Marketing und den Verkauf in der Firma zuständig. In Turin hat Ouboter eine kleine Wohnung gekauft. Dort haben die drei eine WG, in der sie sich regelmäßig treffen und austauschen können. Glücklich erzählt er: „Das ist die WG, die ich mit meinen Söhnen habe. Da treffen wir uns, gehen fein italienisch essen, können reden. Das ist für mich wie im Himmel.“ Dazu erzählt Ouboter eine Geschichte, als Merlin vor wenigen Jahren einen Anruf von einem Italiener erhalten hatte, der dringend auch einen Microlino haben wollte. Da die Produktion noch nicht bereit war, musste Merlin ihm mitteilen, dass er mindestens ein halbes Jahr warten müsse. Als sich herausstellte, dass die Person am Telefon den Wagen für den CEO von Gucci bestellen wollte, reagierte Merlin sofort und fragte: „Welche Farbe möchten Sie haben?“

Für solche Strecken braucht man keinen Geländewagen

Zu seiner Zeit in der Schule gibt Wim offen zu: „Ich hatte Legasthenie und war kein Musterschüler.“ Daher blieben ihm gewisse Berufe verwehrt. Doch auch daraus konnte der Unternehmer etwas Positives machen, das seine Philosophie bis heute prägt. „Da ich nicht der Beste in der Schule war, wusste ich, dass es mein Ziel werden muss, Leute zu finden, die besser sind als ich und für mich arbeiten würden.“ Nicht nur im Geschäftsleben, sondern auch im Alltag ist für Wim Ouboter vor allem Nachhaltigkeit und langfristiges Wachstum wichtig. Für seine Zehnjahrespläne hält er sich an sein Lieblingszitat von Bill Gates: „Most people overestimate what they can do in one year and under­estimate what they can do in ten years.“ Der Microlino sei definitiv eines dieser langfristigen Projekte, das bisher noch keine Gewinne erzielt und dennoch in Zukunft wegen seiner Klimabilanz viel Potential habe. Es seien schon 2250 Exem­plare produziert und 2000 davon verkauft worden. Wöchentlich würden 100 neue Microlinos produziert. Laut Ouboter habe eine Umfrage ergeben, dass die durchschnittliche tägliche Distanz, die von einem Auto zurückgelegt wird, 32 Kilometer betrage. Dies mit einer Geschwindigkeit von 35 Stundenkilometern und einer Besetzung von 1,2 Personen. Die Zahlen zeigen den Zweck hinter dem Microlino. Man braucht für solche Strecken keinen Geländewagen oder ein Sportauto, sondern eine nachhaltige, effizientere Alternative. „Es ist, wie wenn du alle Sachen, die du irgendwann im Verlauf der Woche mal brauchst, wie zum Beispiel Tennissachen, Gitarre und so weiter, jeden einzelnen Tag in deinem Rucksack mitschleppst.“ Gerade schlendert ein junges Paar mit zwei kleinen Kindern am Schaufenster vorbei und betritt den Showroom. Die Kinder testen begeistert die Scooter. Man kann davon ausgehen, dass auch sie ihre Kindheit mit einem der farbigen Kickboards verbringen dürfen.

Sie können mehr von den nachrichten auf lesen quelle

Unglück in Tirol: Opfer von Gondelabsturz schwebt in Lebensgefahr

Eine Fahrt mit der Gondel im Ötztal wird für mehrere Skifahrer zum Horrortrip. Auf das Tragseil fällt vermutlich ein Baum, die Kabine stürzt zehn Meter in die Tiefe. Zwei Männer und zwei Jugendliche werden schwer verletzt. Ein 49-Jähriger kämpft im Krankenhaus um sein Leben.

Einen Tag nach dem Absturz einer Gondel im österreichischen Oetz schwebt ein 49 Jahre alter Skifahrer aus Dänemark weiter in Lebensgefahr. „Er ist noch in kritischem Zustand“, sagte ein Polizeisprecher. Der Mann war zusammen mit seinem 46 Jahre alten Bruder und seinen Kindern im Alter von 19 und 20 Jahren auf dem Weg zur Bergstation, als die Gondel aus rund zehn Metern Höhe abstürzte. Die drei wurden ebenfalls schwer verletzt. Die Bergung der Opfer gestaltete sich schwierig. Die Unfallstelle lag im unwegsamen Gelände. Es seien Fußtrupps und Hubschrauber im Einsatz gewesen, so der Sprecher der Bergbahnen. Die Verletzten wurden schließlich mithilfe eines Taus von einem Hubschrauber geborgen und in Krankenhäuser in Zams und Innsbruck geflogen.

Als wahrscheinlichste Ursache gilt bislang ein umstürzender Baum, der möglicherweise genau die Halterung der Gondel am Seil getroffen hat. Dabei ist die Gondel offenbar aus der Verankerung gerissen worden und in den Schnee gestürzt. Das Tragseil der Seilbahn selbst riss aber nicht, heißt es. „Die Betroffenen haben aber kaum eine Erinnerung an den Vorgang“, sagte der Polizeisprecher. Die Polizei hatte am Dienstag einen technischen Defekt oder menschliches Versagen ausgeschlossen. Zur genaueren Untersuchung der Ursache werde sehr wahrscheinlich ein Gutachter bestellt, so der Sprecher.

Zwei Deutsche unter den Verletzten

Unter den Verletzten war auch ein deutsches Ehepaar aus dem Raum Leipzig, das im Laufe des Tages befragt werden sollte. Der Mann und die Frau im Alter von 58 und 62 Jahren befanden sich während des Unglücks in der bergwärts fahrenden Nachbargondel und erlitt aufgrund der heftigen Schwingungen des Tragseils Verletzungen.

Für den Nachmittag war eine Ortsbegehung mit Experten geplant, um zu prüfen, wann der Lift wieder in Betrieb genommen werden kann. Die Gondelbahn sei wegen des sonnigen Wetters voll ausgelastet gewesen, als das Unglück passierte, so der Sprecher der Bergbahnen.

Die Acherkogelbahn in Oetz bringt die Skifahrer auf einer Strecke von knapp drei Kilometern in ein Skigebiet in 2000 Metern Höhe. Zum Zeitpunkt des Unglücks herrschten beste Wetterbedingungen, unter anderem war es windstill.

Sie können mehr von den Nachrichten auf lesen quelle

Modedesignerin Anja Stenschke


Alte Knochen aus Afrika mit feinem Schmuck aus Indien. Es ist aufregend, wenn solche Brüche auf einer Tasche entstehen“, hallt eine begeisterte Stimme durchs Telefon. Anja Stenschke, studierte Modedesignerin, zeigt, dass die traditionellen Handarbeiten der verschiedenen Kulturen oft mehr Ähnlichkeit haben, als wir zunächst annehmen. „Manche indische und afrikanische Stoffmuster ähneln sich auf den ersten Blick. Indische sind jedoch feiner. Die Physio­gnomie der Menschen aus dieser Kultur ist aus meiner Erfahrung häufig schmaler, und sie können mit ihren filigranen Händen feineres Material einarbeiten“, erklärt die Berlinerin.

Die Hmong und die Karen in Asien

Früher arbeitete Stenschke jahrelang als verantwortliche Designerin bei großen Unternehmen, darunter das Fashionlabel Gerry Weber. Vor einigen Jahren veränderte sich ihr Leben mit der Insolvenz ihrer damaligen Firma jedoch komplett. „Mit 58 wollte ich mich nicht wieder neu bewerben, also habe ich meine eigenen Ideen verfolgt und darin meine Leidenschaft gefunden.“ Die Künstlerin gründete ihr Unternehmen „hand to hand“ und reist seitdem durch die Welt, immer auf der Suche nach Stoffen, Stickereien, Bändern, Tasseln, also „Puschelanhängern“, Knöpfen, Handgewebtem und Geflochtenem. Ihr Interesse führt sie von afrikanischen Stoffen bis zu alten Stickereien indigener Völker und ethnischer Minderheiten wie den Hmong und den Karen in Asien. Dabei ist ihre langjährige Erfahrung hilfreich, wenn es darum geht, Handarbeiten zu erkennen und auf den Märkten und Basaren mit den Händlern auf Augenhöhe zu sein. Erfüllt von den Geschichten der gesammelten Fundstücke setzt sie sich in den eigenen vier Wänden an die Nähmaschine und fertigt Einzelstücke. Welche Materialien eingearbeitet werden, ist anfangs noch unklar. „Ich muss mich erst einmal jedem Ding nähern.“ Die kreative Bearbeitung ihrer Taschenobjekte vergleicht sie mit der eines Künstlers, der ein Bild malt: „Irgendwo ist der Start, und ich beginne einfach zu nähen, ändere oder füge etwas hinzu. Manchmal sieht es aus wie vorher und manchmal komplett anders. Ich kann das nicht planen.“ Durch das Vermischen von Elementen aus verschiedenen Kulturen erzeugt sie Störungen und Spannungen.

Sie fügt ihnen „kleine Geheimnisse“ zu

Mittlerweile verzichtet die Designerin auf eine Skizzenanfertigung und legt ihre Ideen ganz primitiv auf dem Boden zurecht. Beim Arrangieren gibt sie sich Vorgaben, die nie gebrochen werden. Für eine persönliche Note werden in Fleißarbeit ihre „kleinen Geheimnisse“ durch Perlen, Lederornamente oder Spitzendeckchen hinzugefügt. Zur Beschreibung der entstehenden Muster benutzt Stenschke selten gewordene Wörter, die man erst einmal überdenken oder nachschlagen muss. „Feinnervigkeit“ ist ein solches Wort, für Empfindsamkeit, oder „Silent Teaching“, für das Lehren ohne erklärende Worte. Von einer Produktionsmenge einer Bluse mit bis zu 40.000 Stück hat sie sich weit entfernt. Jede einzelne der maximal 50 Taschen im Jahr erhält eine Nummer, wobei die jeweiligen Geschichten auf Pergamentpapier festgehalten oder mündlich weitergereicht werden. „Ich wollte etwas machen, was eine Bedeutung hat und man sich zu eigen macht.“ Damit die Poesie hinter den Taschen nicht verloren geht, verzichtet Stenschke auf Zweithändler.

Geld hat jetzt eine andere Bedeutung

Hätte sie sich gewünscht, ihr eigenes Label früher gegründet zu haben? „Ich habe früher immer gesagt, ich höre mit 55 auf zu arbeiten, und mit 58 habe ich das noch immer getan. Es war irgendwo schön, Erfolg zu haben. Es war bequem. Man entwickelt irgendwann eine gewisse Routine und weiß, welche Farben und Formen gut laufen. Ohne meine Erfahrungen wüsste ich viele Dinge gar nicht, und jetzt kann ich locker sagen: Ich brauche das alles nicht. Ich hatte ein schnelles Auto, ich habe gut Geld verdient, ich bin viel gereist, und ich weiß, dass es letztendlich nicht alles im Leben ist.“ Heute ist Stenschke auf zahlreichen Messen und Kunstausstellungen in ganz Deutschland zu sehen und präsentiert dort stolz ihr Handwerk. Ihre bunten Kreationen fallen auf. Dabei lenkt nicht allein die Farbenfülle die Aufmerksamkeit auf sich. Außergewöhnliche Muster und liebevoller „Schnickschnack“ verleihen den „Talismanen“, wie die 63-Jährige ihre Taschen bezeichnet, das besondere Etwas und ziehen neugierige Beobachter an. Wie schon in der Gourmetküche mit dem Trend der Fusion seit den 90er-Jahren überträgt nun auch Anja Stenschke das sogenannte Cross-over in die Modewelt.

Sie können mehr von den nachrichten auf lesen quelle

Bestseller „Shy“ von Max Porter: „Wie redest du überhaupt mit uns?“

Mit seinen schmalen Büchern, halb Novellen, halb Poetry, begeistert Max Porter nicht nur Autorenkollegen wie Lucas Rijneveld und Ian Rankin, sondern erobert auch die Bestsellerlisten. Sein viertes Buch „Shy“ über eine schwere Jugend in den 1990ern ist da keine Ausnahme.

(Auszug aus „Shy“, von Max Porter)

Shy liebt Musik und hasst die Schule. Er versteht seine Mutter nicht, den Stiefvater noch weniger. Aber am wenigsten versteht er, woher die ganze Wut in ihm kommt. Diese Wut hat dem 16-Jährigen nicht nur eine ganze Liste von Vergehen eingebracht – Sprayen, Koksen, Stehlen, Schlagen, einen Escort schrotten, einen Laden zerlegen, ein Haus verwüsten, eine Nase brechen, den Finger seines Stiefvaters durchstechen – sondern ist auch der Grund dafür, dass er in der Unterkunft für psychisch vulnerable Jugendliche mit besonderem Betreuungsbedarf gelandet ist.

In einer Nacht des Jahres 1995, einen unglaublich schweren Rucksack voller Steine auf den Schultern, macht er sich auf den Weg zu einem Teich. In seinem Kopf rauschen die Musik aus seinem Walkman und die Stimmen der Menschen, die ihm ein Leben lang zugeredet haben, durcheinander – eine Dauerschleife der Vorwürfe seiner Eltern, Szenen seines Scheiterns in der Schule, sein Versagen beim Sex mit Becky, die doch eigentlich so süß ist.

Wie redest du überhaupt mit uns / Du irrst dich gewaltig, wenn du glaubst, dass du so mit deiner Mum reden darfst / Warum tust du das, und dann ausgerechnet heute! / Du treibst es eindeutig zu weit / Das ist nicht normal / Reiß dich gefälligst zusammen / So geht das nicht / Wie du dich aufführst / Na wunderbar, verdirb du ruhig einen Familienausflug, bravo / Komm sofort zurück

(Auszug aus „Shy“, von Max Porter)

Ungewöhnlich und gut

Wenige Worte genügen dem britischen Autor Max Porter, um ganze Familienszenen vor dem inneren Auge erscheinen zu lassen. Der 1981 geborene Porter, der bereits mit seinen ersten drei Büchern („Grief is the thing with feathers“ (2015), „Lanny“ (2019), „The death of Francis Bacon (2021)) Aufsehen erregte, legt mit „Shy“ erneut ein Buch vor, das halb Novelle, halb Poetry ist.

Der schmale Band ist unbedingt was für Fans von Lyrik und ungewöhnlich aufgemachten Büchern. Sowohl in der englischen Originalausgabe, als auch in der deutschen Übersetzung von Uda Strätling und Matthias Göritz aus dem Kein & Aber-Verlag zeigen sich die Stimmen in und um Shy herum in verschiedenen Schriftarten und Seitenaufmachungen. Der ungewöhnliche Stil bremst jedoch nicht beim Lesen aus – ganz im Gegenteil.

Wer vielleicht selbst früher ständig aneckte, seine Kinder in der Pubertät nicht wiedererkennt oder Jugendliche im eigenen Umfeld durch schwierige Phasen begleitet hat, wird in dem schmalen Band viele Sätze finden, die die Wut, das Gefühl der Ohnmacht, aber auch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft perfekt beschreiben. Die Verletzlichkeit und den noch staunenden Blick auf die Welt wiedererkennen.

Andere Teile des Buches, wie das lange Rätselraten um zwei schwimmende Gegenstände im irgendwann erreichten Teich (sind es tote Tiere, Geister, Gespenster?), machen vielleicht erst einmal wenig bis gar keinen Sinn. Aber so kann es halt in einem Gehirn zugehen, das sich noch im Umbau befindet. Schauspieler Cillian Murphy („Oppenheimer“, „Peaky Blinder“) empfahl „Shy“ in einem „Rolling Stones“-Interview: Er möge Bücher, die sein Herz brechen. Dieses Buch bricht einem zuverlässig das Herz an einem Nachmittag.

Sie können mehr von den Nachrichten auf lesen quelle

Eine Familie lebt vegetarisch


Tiere waren schon immer meine besten Freunde“, antwortet der 6-jährige Dante auf die Frage, wieso er kein Fleisch isst, und grinst dabei bis über beide Ohren. Er springt davon. Dabei fliegen seine langen, zu einem Zopf gebundenen Haare wild hinter ihm her. Die Familie Ameseder sitzt am Tisch. Ihr ehemaliges Bauernhaus ist von weitem Land umgeben. Die kleine Außenwacht First, in dem sie zu Hause sind, gehört zum Ortsteil Illnau-Effretikon. Anliegend am Waldrand, abseits des Straßenverkehrs. Hier herrscht Ruhe. Bis auf die vielen Stimmen ist kein Geräusch zu hören.

Wo sind die Hasen?

„Als ich erfahren habe, dass die Hasen, die bei meinen Großeltern aufgetischt wurden, dieselben waren, die auch gefehlt haben, konnte ich es mir nicht mehr vorstellen.“ Mutter Melanie schmunzelt. Sie lebt seit ihrem elften Lebensjahr vegetarisch. Diesen Lebensstil hat sie ihren vier Kindern weitergegeben. Nach Angaben von „die grüne“, einer Fachzeitschrift für Schweizer Landwirtschaft, ist die Familie Teil der 4,4 Prozent der Schweizer Bevölkerung, die sich ausschließlich fleischlos ernähren. „Meine Mama hat schon so gelebt und hat entschieden, dass ich auch so lebe. Für mich ist das normal“, sagt die 13-jährige Amélie. Ihr Zwillingsbruder Tristan stimmt ihr zu. „Für uns war es nie anders.“ Durch die langjährige Erfahrung fällt es Melanie Ameseder nicht schwer, sich und ihre Familie ausgewogen und gesund zu ernähren. Sie wendet ihren Blick zu ihrer dritten Tochter Séraphine. „Mit der Zeit entwickelt jeder seinen eigenen Geschmack, und dann wird es komplizierter.“ Amélie und Tristan lieben Linsen, die neunjährige Séraphine überhaupt nicht. Dante kommt hinter den Büschen hervorgeflitzt. „Kartoffelstock, Kartoffeln, Chips und Pommes!“, zählt er auf. „Wir wissen, in welchen Lebensmitteln es Eisen drin hat und dass Kalzium die Aufnahme von Eisen hemmt“, sagt seine Mutter. „Ich finde, wir sind daher recht widerstandsfähig.“ Die Kinder sind sehr selten krank. An Eisenmangel leidet bisher keiner. „Ich glaube, wir bekommen das ganz gut hin.“

„Iss doch wenigstens etwas qualitativ Hochwertiges“

Die Auswahl von vegetarischen Gerichten hat sich in Restaurants vielerorts stark vergrößert. Oftmals werden dennoch nur die Beilagen serviert. „Es hat dann halt ein Loch im Teller“, sagt Melanie Ameseder. Groß stört dies aber niemanden. „Wir essen oft Pizza“, sagt sie. „Oder Pommes“, berichtet Dante. „Oder Salat“, sagt Amélie. „Jüge isst am meisten Salat.“ Als Einziger in der Familie will Vater Jürgen Ameseder nicht auf Fleisch verzichten. „Ich bin nicht der klassische Fleischesser“, behauptet er. Er vertritt die Ansicht, dass nur zwei bis dreimal in der Woche Fleisch zu essen bereits viele Probleme löst. Wenn er Fleisch isst, dann achtet er auf einen nachhaltigen und tierfreundlichen Kauf. „Im Restaurant ist er häufig enttäuscht, wenn das Steak aus Brasilien kommt, und verzichtet dann“, sagt seine Frau. Feine Lachfalten ziehen sich über ihr schmales Gesicht. Dass ihr Mann Fleisch konsumiert, ist für sie kein Problem. Für sie ist dennoch klar, ihren Kinder möchte sie nichts auftischen, was sie selbst für schlecht hält. „Es gab keine Nachteile und somit keinen Grund unseren Kindern den Vegetarismus nicht beizubringen. Wir haben es miteinander besprochen und stehen beide hinter dieser Entscheidung“, betont sie.

„Wären alle Vegetarier, wäre es irrsinnig.“ Sie macht deutlich, dass auch der Anbau von Gemüse wie zum Beispiel der Avocado sehr umweltschädlich ist, da sie eine riesige Nutzfläche und Unmengen an Wasser benötigt. „Man muss eben das richtige Verhältnis finden.“ Zur nächsten Bushaltestelle in der Nähe ihres Hauses dauert es etwa 20 Minuten zu Fuß. Die Familie besitzt deshalb zwei Autos. „Jemand, der Fleisch isst, recycelt vielleicht besser oder besitzt nur ein Auto“, sagt die Mutter. Mit dem Vegetarismus sind alle zufrieden. Die meisten Leute in ihrem Umfeld sind sehr unkompliziert, auch wenn der eingeschränkte Essplan der Familie anfangs ungewohnt ist. Die Großeltern haben am meisten Mühe mit der Umstellung. „Esst ihr Käse?“, war die erste Frage, mit der Großmutter und Großvater die Enkel konfrontierten. Statt der Gans wird nun das Raclette aufgetischt. Ab und zu hat sich die Familie selbst etwas Essen mitgenommen.

Auf Gummibärchen möchte sie nicht verzichten

Amélie berichtet: „Zwei meiner Freundinnen sind auch vegetarisch. An den meisten Kindergeburtstagen sind sie auch dabei.“ Zusätzlich zur Spaghetti Bolognese werde dann Tomatensoße gekocht. Ihre hellblonden Haare hat Amélie zu einem Knoten zusammengebunden. Sie bückt sich nach unten, um ihren Hund zu streicheln, der gerade zur Tür herausgerannt kommt. Emilio bellt lautstark und reißt an der silbernen Kette, an die er angebunden ist. „Auf Gummibärchen möchte ich aber nicht verzichten, auch wenn es tierische Gelatine drin hat“, meint Amélie, als sie von ihrem Versuch, vegan zu leben, erzählt. „Ich habe es gerade einmal zwei Tage ausgehalten.“ Dante taucht erneut von einem seiner Abenteuer auf. Seine dunkelblonden Haare sind vom Umherrennen verstrubbelt. Er mag fast keine Milchprodukte und lebt daher bis auf den heiß geliebten Sauerrahm-Dip vegan. Tristan schaut auf: „Meine Freunde sagen, ich soll unbedingt Fleisch essen. Irgendwann will ich es schon mal probieren“, sagt er. „Wenn, dann iss doch wenigstens etwas qualitativ Hochwertiges“, bittet die Mutter ihren Sohn, als er vor Kurzem Chicken Nuggets in einem Fast-Food-Restaurant essen wollte. Nach einer kurzen Auseinandersetzung hat sich dann auch Vater Jüge Ameseder für einen Planted-Burger entschieden. Nicht nur Dante ist ein großer Tierfreund. Die Familie kümmert sich neben Emilio auch um einige Katzen. Tristan pflegt liebevoll den Stall der Meerschweinchen und seine Zwillingsschwester gibt ihren zwei Farbratten täglich kleine Streicheleinheiten. Die nahe Verbindung zu den Tieren trägt dazu bei, dass sich im Hause der Ameseders jede und jeder mit dem Vegetarismus wohlfühlt.

Sie können mehr von den nachrichten auf lesen quelle

„Hatten früher andere Zustände“: Wird die Jugend in Deutschland immer brutaler?

Schlimmste Verbrechen in Wunstorf, Freudenberg und zuletzt Offenburg: Die Schlagzeilen um Krawalle von Jugendlichen oder Teenagern, die andere Kinder töten, haben sich wie ein roter Faden durch das Jahr gezogen. Das schürt die Angst, dass die Gewaltkriminalität der Jugend aus dem Ruder läuft.

Im Grunde startete Deutschland das Jahr 2023 bereits mit einer Debatte über Jugendgewalt. So zählte das Jahr kaum ein paar Stunden, als die Bilder der Silvesterkrawalle in Berlin und anderen Großstädten für bundesweite Fassungslosigkeit sorgten. In den folgenden Monaten rissen die Schlagzeilen um jugendliche Gewalteskalationen nicht ab. Im Gegenteil – sie zogen sich wie ein roter Faden durch das Jahr:

  • 14-Jähriger fesselt Mitschüler und erschlägt ihn mit einem Stein (Wunstorf, Januar 2023)
  • Zwei Mädchen töten ihre gleichaltrige Freundin Luise „mit zahlreichen Messerstichen“ (Freudenberg, März 2023)
  • Elfjähriger soll Zehnjährige in einem Kinderheim erdrosselt haben (Wunsiedel, April 2023)
  • In mehreren Freibädern kommt es zu Krawallen durch Jugendliche (Juli 2023)
  • 14-Jähriger soll sechsjährigen Joel brutal misshandelt und erstochen haben (Pragsdorf, September 2023)
  • 14-Jähriger soll Gleichaltrigen in Schulzentrum erschossen haben (Lohr, September 2023)
  • 15-Jähriger soll Mitschüler mit Kopfschuss getötet haben (Offenburg, November 2023)

Es sind besonders brutale Fälle wie diese, die die öffentliche Debatte über Jugendgewalt prägen. Das ist nicht erst seit diesem Jahr so – auch im vergangenen Jahr sorgten Fälle von Jugendverbrechen, etwa in Salzgitter oder Hannover, für Aufsehen. Denn wenn die Jüngsten der Gesellschaft schwerste Verbrechen begehen, bleibt das in Erinnerung. Vor allem aber manifestiert sich mit jeder der aufsehenerregenden Taten die Sorge, dass etwas aus dem Ruder gelaufen ist, dass die Fälle von Jugendgewalt steigen und Minderjährige immer brutaler werden. Bürgermeister und Minister zeigen sich längst alarmiert, fordern härtere Jugendstrafen und die Absenkung der Strafmündigkeit.

Kriminologen mahnen hingegen zur Zurückhaltung: Von einer gewalttätigeren Jugend könne kaum die Rede sein. Zwei Positionen, die sich auszuschließen scheinen. Wo aber liegt die Wahrheit? Hat Deutschland ein Problem mit steigender Jugendgewalt – oder nicht?

BKA meldet Anstieg der Jugendgewalt

Die Antwort fällt weniger eindeutig aus, als es die Frage vermuten lässt. Denn ob die Fälle von jugendlichen Gewalttaten steigen oder nicht, hängt davon ab, welchen Zeitraum man betrachtet und welche Daten man zugrunde legt. Am wohl häufigsten zitiert wird die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Sie wird jedes Jahr vom Bundeskriminalamt veröffentlicht und gibt Aufschluss über das sogenannte Hellfeld, sprich Gewaltdelikte, die der Polizei etwa durch Anzeigen oder Festnahmen bekannt werden. Nach dieser Statistik ergibt sich für das vergangene Jahr tatsächlich ein eindeutiger Trend: Im Vergleich zu 2021 sind die Straftaten im Zusammenhang mit Gewalt unter Kindern und Jugendlichen 2022 deutlich gestiegen. In Fällen von einfacher Körperverletzung registrierten die Behörden 54 Prozent mehr tatverdächtige Kinder (bis 14 Jahre) und 36 Prozent mehr jugendliche Tatverdächtige (14 bis 18 Jahre).

Von der einfachen Körperverletzung getrennt betrachtet wird die sogenannte Gewaltkriminalität. Darunter fallen Delikte wie Raub, Vergewaltigung, schwere und gefährliche Körperverletzung, Mord und Totschlag. Auch hier verzeichnet die Polizei einen Anstieg: 42 Prozent mehr tatverdächtige Kinder und 29 Prozent mehr tatverdächtige Jugendliche.

Nun mag der Vergleich mit dem Corona-Jahr 2021 wegen Lockdowns und Homeschooling hinken. Allerdings ergibt sich auch bei einem Vergleich mit Vor-Corona-Daten ein – wenn auch etwas geringerer – Aufwärtstrend der Jugendgewalt. Der erste Blick auf die Zahlen der Kriminalbehörden scheint den Eindruck einer gewalttätigeren Jugend also zu bestätigen.

Auswirkungen der Pandemie

Für den Anstieg der Zahlen gebe es verschiedene Erklärungsansätze, sagt Thomas Bliesener im Gespräch mit ntv.de. Laut dem Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen könnte es sich um Auswirkungen der Pandemie handeln. Denkbar seien demnach zwei Szenarien: Zum einen könnte der fehlende Austausch während der Lockdowns zu Defiziten in der Sozialisation geführt haben. „Kinder und Jugendliche hatten eine Zeit lang keine Möglichkeit, zu lernen, wie man Konflikte austrägt“, sagt Bliesener. „Das könnte zu einem Defizit geführt haben, dessen Folge wir nun in der PKS sehen.“

Zum anderen könnte es sich bei den steigenden Zahlen von Jugendgewalt im Hellfeld um eine Art Nachholeffekt handeln. „In allen erforschten Kulturen ist das Jugendalter das Alter, in dem Grenzen ausgetestet werden“, erklärt der Experte. Da dies in der Corona-Phase nicht möglich war, wurde die Rebellion zeitlich nach hinten verlagert. Dadurch habe es 2022 schlicht mehr Jugendliche gegeben, die ihre Grenzen austesteten. „In diesem Fall dürften sich die Zahlen schnell wieder auf einen niedrigeren Wert einpendeln.“ Diese These könnte auch von der Tatsache untermauert werden, dass es sich 2022 um den ersten Anstieg von Jugendgewalt in der PKS seit Jahren handelt.

Schließlich gebe es noch eine dritte Erklärung dafür, dass die Polizei im vergangenen Jahr deutlich mehr tatverdächtige Minderjährige registrierte, sagt Bliesener. So könnte die bessere Ausstattung der Jugendlichen auch zu einer höheren Anzeigebereitschaft geführt haben. „Nach der Pandemie hatten sie plötzlich viel wertvollere Gegenstände, etwa Tablets und Laptops im Ranzen. Es ist nicht unüblich, dass diese während einer Rauferei beschädigt oder bei einem Raub abgezogen werden“, erklärt der Kriminologe. „Wenn diese teuren Geräte nun plötzlich fehlen, kann das die Anzeigebereitschaft der Kinder oder Eltern durchaus erhöht haben.“

Dunkelfeld-Studien zeichnen anderes Bild

In diesem Fall läge der Anstieg der Zahlen nicht daran, dass Minderjährige mehr Gewalttaten als in den vergangenen Jahren begehen. Vielmehr hätte die Polizei durch vermehrte Anzeigen einfach von mehr Taten erfahren als zuvor. Tatsächlich weist das BKA in der PKS selbst darauf hin, dass ein verändertes Anzeigeverhalten die Daten verändern kann, „ohne dass sich der Umfang der tatsächlichen Kriminalität verändert hat“.

Um zu beurteilen, ob die Gewalttaten von Kindern und Jugendlichen zunehmen, spielen daher auch Dunkelfeldstudien eine bedeutende Rolle. Im Gegensatz zu Hellfeld-Daten geben sie auch Aufschluss über die Kriminalität, die der Polizei nicht bekannt ist. Damit sind sie unabhängig von einer möglicherweise veränderten Anzeigebereitschaft. Die wohl bekannteste Dunkelfeld-Studie im Zusammenhang mit Jugendgewalt ist die Niedersachsensurvey des Kriminologischen Instituts Niedersachsen. Seit 2013 befragen die Kriminologen alle zwei Jahre Schüler der neunten Jahrgangsstufe nach ihren Gewalterfahrungen.

Die Ergebnisse dieser repräsentativen Studie zeichnen ein anderes Bild als die der polizeilichen Statistik. Im jüngsten Bericht von 2019 gaben 7,5 Prozent der Befragten an, innerhalb eines Jahres gewalttätig geworden zu sein. Zwei Jahre zuvor waren es noch 7,7 Prozent, 2015 6,1 Prozent und 2013 7,9 Prozent. Der Bericht für die Befragung im Jahr 2022 wird derzeit fertiggestellt. „So viel kann ich aber bereits verraten“, sagt Bliesener. „Wir können keinen Anstieg bei Gewaltdelikten durch Jugendliche vermelden.“ Die Zahlen liegen dem Experten zufolge in einem ähnlichen Bereich wie die der vergangenen Jahre.

Steigt die Intensität der Gewalttaten?

Ähnlich sieht es bei den Daten der Unfallversicherungen aus. Da alle Schulen Mitglied des Bundesverbands der Unfallkassen sind, haben diese einen guten Überblick über die sogenannten Raufunfälle. Alle gewaltbedingten Verletzungen von Schülerinnen und Schülern, ob auf dem Schulgelände oder dem Schulweg, werden erfasst – unabhängig davon, ob die Verletzten ihre Schulkameraden bei der Polizei anzeigen oder nicht. Im Jahr 2022 verzeichneten die Versicherungen bundesweit 53.725 „gewaltbedingte Schülerunfälle“. Damit ergibt sich sogar ein rückläufiger Trend für Jugendgewalt, denn 2019 lag die Zahl noch bei 72.973.

„Gerade bei den Unfallversicherern, die alle Verletzungen – von Prellungen bis hin zu Knochenbrüchen akribisch festhalten, sinken die Zahlen seit Jahren“, bilanziert Bliesener. „Die These, dass die Jugend immer gewalttätiger werde, kann man zumindest für die Schulen also schon einmal eindeutig ausschließen.“

Nun handelt es sich bei den aufsehenerregenden Fällen wie jenen aus Freudenberg oder Offenburg sicherlich nicht um Schulhofraufereien, sondern um schwerste Verbrechen gegen das Leben. Das wirft die Frage auf, ob die Intensität der Gewalttaten steigt – also ob es unter Jugendlichen möglicherweise einen Trend zu brutaleren Gewalteskalationen gibt. Laut Bliesener gibt es jedoch auch dafür keine Anzeichen. Zum einen sind auch in der PKS die Fälle einfacher Körperverletzungen stärker gestiegen als die der schweren Gewalttaten. Zum anderen seien Straftaten gegen das Leben unter Kindern und Jugendlichen „immer noch sehr selten“.

Gewaltniveau sinkt seit Jahren

Das belegt ein Blick auf die absoluten Zahlen der PKS. So wurden im vergangenen Jahr 206 Jugendliche und 19 Kinder mit Straftaten gegen das Leben wie Mord oder Totschlag in Verbindung gebracht. Insgesamt lebten laut dem Statistischen Bundesamt 2022 rund 14 Millionen Minderjährige in Deutschland. Bei solch geringen Fallzahlen können also schon kleine Schwankungen zu großen prozentualen Veränderungen in der Kriminalitätsentwicklung führen.

„Natürlich muss man den Anstieg der Zahlen in der PKS genau beobachten“, betont Bliesener. Allerdings könne man aus diesem ersten Anstieg seit Jahren eben nicht den Schluss ziehen, dass die Jugend immer gewalttätiger werde oder gar von einer Verrohung der Jugend sprechen. Der Anstieg der Zahlen in der PKS könnte ebenso gut ein temporäres Ereignis sein. Es gelte nun, die Entwicklung der kommenden Jahre abzuwarten. Eines sei jedoch auch klar, betont der Kriminologe: Selbst mit den gestiegenen Zahlen sei man noch weit entfernt von früheren Werten.

„Wir hatten früher ganz andere Zustände. Das Niveau der Jugendgewalt war in den 1990er-Jahren und um die Jahrtausendwende herum deutlich höher.“ Tatsächlich ist die Gewaltkriminalität unter Kindern und Jugendlichen seit einem Höhepunkt im Jahr 2008 mit kleineren Schwankungen immer weiter gesunken. Im Vergleich zu damals zählten die Behörden im vergangenen Jahr – trotz des Anstiegs – knapp 40 Prozent weniger jugendliche Tatverdächtige. Bei Kindern waren es rund sechs Prozent weniger.

„In Wahrheit erschütternde Einzelfälle“

Der Grund dafür seien vor allem gute Präventionsarbeit und eine deutlich geringere Gewaltakzeptanz als früher. So sind eigene Gewalterfahrungen ein Faktor, warum Kinder und Jugendliche gewalttätig werden, wie Bliesener erklärt. „Früher war Gewalt gegen Kinder auch öffentlich viel akzeptierter. Mittlerweile haben wir eine sehr weite Tabuisierung von Gewalt, etwa durch das Züchtigungsverbot durch Lehrkräfte oder Eltern.“ Dadurch haben die eigenen Gewalterfahrungen von Minderjährigen stark abgenommen. „Vor allem aus diesem Grund gehe ich nicht davon aus, dass die Zahlen von Gewaltdelikten unter Minderjährigen auf damalige Werte zurückkehren“, sagt Bliesener.

Der Satz, die Jugend werde immer gewalttätiger, der oft mit Blick auf die vergangenen Jahrzehnte fällt, stimmt also nicht. Auch sind Schulhofraufereien, Krawalle und vereinzelte schwere Verbrechen von Minderjährigen alles andere als ein neues Phänomen. Was Jugendkriminalität angeht, bilanziert Bliesener, „leben wir heute in viel sicheren Zeiten“.

Nun sind Statistiken schnell vergessen und nicht halb so eindringlich wie die Schlagzeilen von mordenden Jugendlichen. Wenn Minderjährige andere Kinder erschlagen oder im Klassenraum erschießen, ist das öffentliche Interesse riesig und die Berichterstattung allgegenwärtig. Auch das befeuert den Eindruck, die Brutalität der Jugend nehme in der Masse zu. „In Wahrheit handelt es sich bei diesen Taten aber um erschütternde Einzelfälle“, erinnert Bliesener.

Sie können mehr von den Nachrichten auf lesen quelle

background